Bericht: Auftaktveranstaltung „Gute wissenschaftliche Praxis“ am 3.11.2011

Am 3. November 2011 fand in Kooperation mit der Kommission zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (KUWF) die Auftaktveranstaltung zum Thema „Gute wissenschaftliche Praxis“ statt, das den aktuellen Semesterschwerpunkt der Graduiertenschule der FAU bildet.

In seiner Begrüßung benannte Prof. Dr.-Ing. Joachim Hornegger, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, bereits zwei Aspekte, die sich problematisch auf die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis auswirken könnten. In einem „Forschungsumfeld der Superlative“, so Prof. Hornegger, seien häufig bereits Promovierende einem enormen Erwartungsdruck ausgesetzt, „möglichst spektakuläre Ergebnisse“ zu liefern. Zum anderen besitze der Doktortitel besonders in Deutschland ein hohes Prestige, was dazu führen könne, dass wissenschaftsfremde Motive beim Promotionsvorhaben zu starkes Gewicht bekämen.

Prof. Dr. Andreas Frewer, Vorsitzender der KUWF, machte danach in seinem Einführungsvortrag gleich zu Beginn mit einem bekannten Beispiel auf die möglichen Dimensionen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aufmerksam. Der koreanische Genetiker Hwang Woo-suk schaffte es mit seinen gefälschten Ergebnissen aus der Stammzellforschung 2005 auf die Titelseite der Zeitschrift Science und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, bis die Manipulationen aufflogen. Fälle dieser Art sind nicht neu, seit Mitte der 70er Jahre gibt es eine  internationale Diskussion über Fabrification, Falsification und Plagiarism, wie die zentralen Begriffe in der Debatte lauten.

In Deutschland verabschiedete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 1998 Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Auslöser war der Fall zweier Krebsforscher, die einer Fülle unterschiedlicher Vergehen in allen drei genannten Kategorien überführt worden waren. Zu den grundlegenden Empfehlungen der DFG zählt, dass man lege artis, also den Fachstandards entsprechend, arbeitet, alle Ergebnisse konsequent selbst anzweifelt und diese sorgfältig dokumentiert. Absolute Ehrlichkeit ist wichtig, wenn es um Beiträge von Fachkollegen geht. Spezielle Empfehlungen spricht die DFG auch zu Fragen der Leitungsverantwortung an Lehrstühlen und Instituten sowie zur Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses aus.

Leistungs- und Bewertungskriterien, die allein auf die Zahl der Publikationen und bibliometrische Indizes, wie etwa den Hirsch-Index, gründen, seien kritisch zu betrachten. Doch so sehr die Referentinnen und Referenten des Abends Sympathie für die Leitlinie „Originalität und Qualität statt Quantität“ zeigten, so skeptisch zeigte man sich angesichts der tatsächlichen Dominanz quantifizierbarer Maßstäbe in Berufungs- und Drittmittelkommissionen.

Ein Resultat der DFG-Richtlinien war außerdem, dass an den Universitäten Strukturen zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis eingerichtet wurden. So gibt es an der FAU die genannte Kommission und unabhängige Ombudsleute zur Klärung einschlägiger Vorwürfe. Etwa 10-15 Fälle jährlich werden an Frau Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm als Ombudsfrau herangetragen. Viele davon können bereits im Vorfeld geklärt werden, so dass nur wenige offiziell in der Kommission verhandelt werden müssen. Die Fallzahlen haben sich in den Jahren gesteigert, doch ist nicht bekannt, ob dies nicht auch auf die verstärkte Aufklärung zurückzuführen ist.

Der Maßnahmenkatalog sieht interne oder öffentliche Rügen, die Zurückziehung eines Artikels oder Entschädigungen vor und reicht bis hin zur Aberkennung akademischen Ämter oder Titel bzw. bis zum Strafverfahren. Der Medizinethiker Prof. Frewer unterscheidet hier präventive, diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Im Bereich der Prävention sei neben Weiterbildung und Aufklärung besonders an eine sorgfältige Promovierendenbetreuung zu denken. Als Diagnose-Instrumente sind etwa Dissertationskontrollen und eine adäquate Plagiatssoftware vorstellbar. Die Therapie bliebe einer eigenen Geschäftsstelle an der FAU oder auch einer nationalen Behörde überlassen, wie es sie etwa in den USA oder auch in Dänemark gibt.

Die daran anschließende Podiumsdiskussion griff unter reger Beteiligung des Publikums zahlreiche Punkte auf und machte die hohe Relevanz des Themas deutlich. Einig waren sich alle Diskutant/innen auf dem Podium darin, wie wichtig ein intensiver Austausch mit den Promovierenden ist, um wissenschaftliches Fehlverhalten möglichst zu unterbinden. Dazu gehört nach Prof. Dr. Thomas Fauster, ebenfalls KUWF-Mitglied, auch eine solide Zeiteinteilung der Promovierenden. Häufig sei beispielsweise die Dokumentation und Archivierung der Teilergebnisse in Gefahr, wenn in der Phase der Endredaktion die Zeit dazu fehle. Ohne nachvollziehbare Datensammlungen, die nach den Standards 10 Jahre archiviert werden müssen, haben die Studienergebnisse aber kaum Wert. Am Lehrstuhl von Prof. Hornegger gibt es deshalb für die einzelnen Projekte eigene Websites, um den Zugang zu den Datensammlungen zu gewährleisten. Aus ihrer Erfahrung als Ombudsfrau heraus betonte Prof. Abele-Brehm, dass man sich auch um die Opfer und Whistle-Blowers zu kümmern habe, die zuweilen durch ihre Aufdeckungen Nachteile in der Fachgemeinde in Kauf zu nehmen hätten. Wichtig sei außerdem eine bessere Aufklärung über die Sanktionen von Fälschung und Ideenklau in der Forschung. Die Prävention und Schulung dürfe aber dabei nicht zu kurz kommen, meinte  Dr. Jens Hofmann von der UB Erlangen-Nürnberg. Bei fortgeschrittenen Studierenden und auch Promovierenden seien nicht selten erstaunliche Defizite feststellbar, wenn es um die Praxis der Literaturrecherche und -verwaltung gehe. Dementsprechend groß ist das Angebot an Workshops für Nachwuchswissenschaftler/innen, die die UB u.a. in Kooperation mit der Graduiertenschule der FAU veranstaltet. Dr. Monica Mayer von der Graduiertenschule konnte außerdem berichten, dass es mittlerweile einen mit den Fakultäten abgestimmten Leitfaden zur guten Praxis bei der Betreuung und Durchführung der Promotion gibt, der die Beteiligten über ihre Aufgaben, Rechte und Pflichten aufklärt und damit zur Sicherung der Standards beiträgt.

Weitere Aufklärung tut not, das wurde deutlich – und das eigentlich nicht nur bei Nachwuchswissenschaftlern, wie die abschließende Bemerkung von Prof. Abele-Brehm klarmachte. Mitunter sind es ihr zufolge die etablierten Professoren, die sich bei den Arbeiten ihres wissenschaftlichen Nachwuchses bedienen.

Die Aufklärung wird nicht nur in diesem Semester mit dieser und weiteren Veranstaltungen unseres Semesterschwerpunkts geleistet, z.B. bei der Podiumdiskussion im Rahmen des Collegium Alexandrinum am 02.02.2012. Auch in Zukunft soll die Thematik in jedem Semester in mindestens einer Informationsveranstaltung unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Weiterführende Infos zum Thema und zu weiteren Veranstaltungen finden Sie auf den Websites der Graduiertenschule.