MORIA BRENNT. Eine Stellungnahme aus aktuellem Anlass.
Moria brennt – Europa sieht zu…
…so wie Europa seit Jahren dabei zusieht, wie Menschen unter katastrophalen Bedingungen auf viel zu wenig Raum zusammenleben und auf ein besseres Leben fern ihrer Heimatländer hoffen. Und Europa sieht weiter zu, oder lieber gleich wieder weg – bis wir mal wieder zum Hinsehen gezwungen wurden durch die Brandkatastrophe vom vergangenen Mittwoch, bei der das größte Flüchtlingslager Europas in Flammen aufging. Moria – das Lager auf der griechischen Insel Lesbos, das ursprünglich knapp 3000 Geflüchteten Platz und Schutz bieten sollte und zuletzt von über 12000 Menschen bewohnt wurde, gibt es nicht mehr. Als Ursache des Brandes wird Brandstiftung vermutet, möglicherweise durch die Geflüchteten selbst. Doch wer nun die Schuldfrage stellt, muss auch nach Europa blicken und feststellen, dass sich die Ereignisse in Moria keineswegs nur auf die Eskalation der andauernden Unruhen aufgrund der Corona-Quarantänemaßnahmen der letzten Wochen zurückführen lassen – vielmehr handelt es sich um eine Reaktion auf jahrelange menschenverachtende europäische Flüchtlingspolitik.
Bereits im März 2020 forderte die Organisation Ärzte ohne Grenzen die Evakuierung des Lagers, da aufgrund hygienischer Missstände ein erhöhtes gesundheitliches Risiko für die Bewohner*innen bestehe und es kaum eine Möglichkeit gebe, Präventionsmaßnahmen gegen einen möglichen Covid-19-Ausbruch durchzuführen. Nun wiederholt die Organisation angesichts der Ereignisse in Moria in einer Pressemittteilung ihre Forderung nach einer sofortigen Evakuierung der Geflüchteten:
Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hatte, dass die derzeitige europäische Abschottungspolitik nur zu Verzweiflung und Spannungen führt, dann ist er hiermit erbracht. […] Die Asche von Moria ist Zeugnis einer verfehlten Politik, die Verzweiflung und Elend bewusst schürt und zur Abschreckung missbraucht.
Marie van Manteuffel, Expertin für Flüchtlingspolitik, Ärzte ohne Grenzen
Die Eskalation im Flüchtlingslager Moria führt uns wieder einmal vor Augen, dass die europäische Gemeinschaft in Sachen Flüchtlingspolitik in vielerlei Hinsicht versagt: Dass wir heute mit Abschottung und Grenzschließungen versuchen, humanitäre Probleme zu lösen, macht uns traurig und nachdenklich. Wo ist die MENSCHLICHKEIT geblieben in diesem Europa, das sich auf die Menschenrechte beruft und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit postuliert?
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Artikel 1, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Wir wünschen uns ein solidarisches Europa, das nicht mehr wegsieht. Wir wünschen uns ein humanitäres Europa und eine menschenwürdige europäische Flüchtlingspolitik!
Medizin & Menschenrechte Erlangen e.V.