Weltflüchtlingstag 20. Juni 2021

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Zur Situation Geflüchteter während der Corona-Pandemie

Während des letzten Jahres, als unser gesellschaftliches Leben auf ein Minimum reduziert war, hat ein jeder von uns erfahren, wie wertvoll ein Zuhause ist, an dem man sich wohl und vor allem in Sicherheit fühlt. Wir wollen euch zum diesjährigen Weltflüchtlingstag einen kleinen Einblick geben, wie es den Menschen geht, die ihr Zuhause aus verschieden Gründen verlassen mussten und jetzt auf der Flucht sind oder gerade versuchen ihren Ort der Sicherheit in einem fremden Land neu zu schaffen. Während die Regierungen im letzten Jahr an erster Stelle versucht haben ihre Bevölkerung und die Wirtschaft zu schützen, standen Flüchtende vor geschlossen Grenzen. Laut einem aktuellem Bericht der UNHCR sind es 167 Länder, die während der Pandemie ihre Grenzen ganz oder teilweise geschlossen haben, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen – 57 Länder haben dabei keine Ausnahme für Flüchtende gemacht und haben Schutz und Sichheit-suchende Menschen an ihren Landes- oder Seegrenzen abgewiesen und in andere Länder zurückgeschickt. Durch solche Maßnahmen wird das Recht auf Asyl schlichtweg außer Kraft gesetzt. Filippo Grandi kommentiert dieses „Dilemma“, von dem die Verantwortlichen solcher Maßnahmen in den Medien oft sprachen, mit folgenden Worten:

Der Schutz der allgemeinen Gesundheit und der Schutz von Flüchtlingen schließen sich nicht gegenseitig aus. Dies ist kein Dilemma. Wir müssen beides tun.“ 

Mit dem Ausbruch der Pandemie hat sich im Bezug auf das Thema Flucht und Geflüchtete eine weitere Entwicklung ergeben, die es Asylsuchenden noch schwerer macht, in einem neuen Land anzukommen und sich dort in Sicherheit zu fühlen. Miriam Tödter, Journalistin, Politikwissenschaftlerin und Mitglied im Vorstand des Vereins „Wir packen’s an e.V.“ spricht diese Entwicklung im Rahmen ihrer Reportage „Grenzdialoge – Flucht und Solidarität in Zeiten der Pandemie“ explizit an. Im Interview mit Judith Gleitze, Leiterin der Außenstelle Sizilien von Borderline Europe, sprechen sie über die sich verändernde Akzeptanz bzw. die Einstellung der Bürger*innen von Lampedusa gegenüber Geflüchteten und Neuangekommenen. Während die Bürger vor der Pandemie in den meisten Fällen den Flüchtenden gegenüber sehr zugewandt, hilfsbeit und freundlich waren, ist jetzt vor allem die Angst vor dem Virus, einer Infektion und einem erneuten Lockdown, die ihr Verhalten prägt, betont Julia Gleitze. Im Folgenden wollen wir in diesem Beitrag einmal über unsere Grenzen hinweg, in die Lager von Griechenland, und aber auch innerhalb Deutschlands blicken, wie sich die Situation für Geflüchtete mit dem Coronavirus verändert hat.

Während Griechenland sich nun auf die kommende Urlaubssaison vorbereitet und seine Grenzen für Tourist:innen wieder öffnet, verschlechtert sich die Situation in den Lagern für geflüchtete Menschen auf den griechischen Inseln und immer mehr Menschen werden dort positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Die unzumutbaren Zustände auf den Inseln führen dazu, dass sich am 17. Mai 2021 die als Moria Corona Awareness Team und Moria White Helmets selbst organisierten Geflüchteten erneut mit einem Brief an die europäische Öffentlichkeit wenden, um von der bedrohlichen Situation durch Covid-19 berichten, die zu eskalieren droht. Durch unzureichende Behandlungsmöglichkeiten, zu wenig Personal und mangelnde Ausstattung stellt die Krankheit ein großes Risiko für die Menschen vor Ort dar. Doch die Angst vor einer Ansteckung mit den dazugehörigen Folgen und die Aussichtslosigkeit der Situation sind fast noch schlimmer. Laut einem Bericht vom Dezember 2020 hat jede:r dritte Geflüchtete auf Lesbos Selbstmordgedanken und jede:r fünfte hat schon einmal versucht, sich umzubringen. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus dürfen die Menschen die Lager nur noch an bestimmten Tagen verlassen und können beispielsweise keine Lebensmittel mehr kaufen oder Angebote von Hilfsorganisationen wahrnehmen. Des Weiteren wurde die gesamte informelle Bildung im Lager Lesbos bis auf Weiteres eingestellt, sodass Kinder keine Möglichkeit mehr haben, etwas zu lernen. Die Trinkwasserversorgung ist katastrophal und Toiletten gibt es praktisch nicht. 

Wo ist also unserer Solidarität mit Menschen, die schon vor Corona am Rande der Gesellschaft gehalten wurden und jetzt am stärksten von Corona betroffen und am wenigsten davor geschützt sind? 

Für Vasilis Pachoundakis, Koordinator aus der SMH Klinik im Lager Vial (Insel Chios), ist die Antwort auf diese Frage selbstverständlich.

„Wir dürfen die schutzsuchenden Menschen, die auf Chios gestrandet sind, mit der Bedrohung durch Covid-19 auf keinen Fall alleine lassen.“

Vor dem Hintergrund, dass die medizinische Versorgung und Behandlung für die Menschen im Lager nicht von der Regierung oder den Behörden, sondern von unabhängigen NGOs wie SMH und Wir packen’s an geliefert wird, sollte die Solidarität mit den Menschen vor Ort stärker denn je gelten. „Wenn wir nicht hier wären, würden die Menschen sterben“ betont er. Während wir in Deutschland darunter leiden, dass unser Sommerurlaub vielleicht doch nicht wie gewohnt stattfinden kann, werden zivile Rettungsschiffe unter fadenscheinigen Vorwänden festgesetzt und von Rettungseinsätzen auf dem Mittelmeer abgehalten. So beispielsweise die Sea-Watch 4, welche nach ihrer Jungfernfahrt im August 2020, bei der sie 350 Menschen aus dem Wasser rettete, von den italienischen Behörden beschlagnahmt wurde. Es werde in der Pandemie immer wieder von Solidarität gesprochen: „Aber wenn es um Menschen geht, die keinen europäischen Pass haben, redet man plötzlich nicht mehr von Solidarität.“,erklärt Seawatch-Sprecherin Wiebke Weihe. 


Zum Ende des Beitrags, ein Blick innerhalb Deutschlands:

Betrachtet man die Arbeitslosigkeit im Dezember 2020 im Vergleich zum Vorjahr, zeigt sich für die Gesamtbevölkerung ein Anstieg von einem Prozentpunkt, für die Geflüchteten jedoch einer von 2,7 Prozentpunkten.  Gerade der pandemiebedingte Ausfall von Sprachkursen, erschwert es den Geflüchteten bestimmte Qualifikationen, die zum Einstieg in den Arbeitsmarkt verlangt werden, zu erreichen. Der br porträtiert in einem Interview die Syrerin Mariam Alashkar, die mit ihrer 4-jährigen Tochter in Nürnberg lebt. Nachdem sie im Februar 2020 die Prüfung ihres Deutsch B2-Sprachkurses erfolgreich absolviert hatte, steckte sie all ihre Mühen und Kraft in die Bewerbung für einen Ausbildungsplatz im medizinischen Sektor. Jedoch – trotz 2-3 Bewerbungen pro Woche – ohne Erfolg. Mit den pandemiebedingten Kürzungen haben viele Unternehmen ihr Ausbildungsangebot verringert oder gar gestrichen. Das Schlimmste, wie sie sagt, sind dabei nicht einmal unbedingt die Absagen, sondern das ständige Warten. Das Warten auf Antworten und das Warten darauf, sich endlich das Leben und Zuhause in Deutschland aufzubauen, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Quellen/Links zum Nachlesen:

https://www.unhcr.org/dach/de/aktuelles/coronavirus

https://heimatkunde.boell.de/de/grenzdialoge

https://www.br.de/nachrichten/bayern/arbeitslosigkeit-bei-gefluechteten-waehrend-corona-stark-gestiegen,SZ0aWIb

https://www.medico.de/this-is-not-disneyland-18199

https://www.br.de/nachrichten/kultur/corona-verschaerft-die-situation-fuer-gefluechtete-dramatisch,SMRG28f

https://heimatkunde.boell.de/de/grenzdialoge