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Informationen des Department für Sportwissenschaft und Sport

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Sportstudentin Sophie Engelhardt auf der dvs Sportpädagogiktagung in Heidelberg

Normative und Empirische Sportpädagogik in Heidelberg ?!

Als Sportlehramtsstudentin und studentische Hilfskraft im Arbeitsbereich Bildung im Sport hatte ich bereits 2018 in Chemnitz und 2017 in Hannover die Möglichkeit, mich bei den Sportpädagogik-Jahrestagungen über den aktuellsten Stand der sportpädagogischen Forschung zu informieren und die ganzen großen Namen, die mir sonst nur aus Sammelbandbeiträgen oder Literaturangaben auf Vorlesungsfolien bekannt sind, persönlich zu erleben. Die 32. Jahrestagung der dvs-Sektion Sportpädagogik stand unter dem Motto „Bewegung und Sport im Horizont von Jugend- und Schulpädagogischer Forschung“ und fand vom 30. Mai bis 01. Juni in Heidelberg statt.

 

Bei insgesamt 225 Teilnehmern – ein neuer Rekord! – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz war der AB Bildung im Sport aus Erlangen mit acht Teilnehmern schon recht gut vertreten: Neben Ralf Sygusch (nicht nur Kompetenzmodell-Experte in der Vorlesung, sondern auch Sektionssprecher der dvs-Sportpädagogik und Thomas-Gottschalk-Imitator) waren Clemens Töpfer, Birgit Bracher, Sebastian Liebl, Annalena Möhrle, Lena Jungheim, Martin Muche und ich aus Erlangen vertreten.

Nachdem Frau Bracher und ich bei unserer Anreise in leichter Orientierungslosigkeit zunächst etwas unfreiwillig den Heidelberger Unicampus erkundeten, um dann doch noch pünktlich zur ersten Kaffeepause auch das Institut für Sport und Sportwissenschaft zu erreichen, konnte die Tagung beginnen: Vier Hauptvorträge und 16 Arbeitskreise bestimmten das Programm der Tagung. Während sich die Hauptvorträge ganz unter das Tagungsmotto der Jugend- und schulpädagogischen Forschung stellten, war in den thematischen Arbeitskreisen ein bunt gemischtes Programm einzelner Vorträge zu finden: Leistungssport, Jugendkulturen, Digitalität, Methoden, Inklusion, Partizipation oder Migration zeigen, dass Sportpädagogik weit mehr umfasst als das, was man im Rahmen einiger weniger Lehrveranstaltungen kennenlernt. Aber alle Studierenden, die sich gerade in der Sygusch‘schen Ausbildung befinden, können beruhigt sein: Kognitive Aktivierung ist nicht nur in Erlangen heiß diskutiert! Besonders spannend und gut besucht war daher der Arbeitskreis „Aktivierung im Sportunterricht“, in dem Beiträge aus Salzburg, Potsdam, Kiel und Basel das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten. Und siehe da: Kognitive Aktivierung kommt nicht nur im Zusammenhang mit einem Kompetenzmodell vor! Als Studentin mit gewisser Affinität zu philosophischen Themen hat mir – sicherlich in der Minderheit – der Beitrag von Christian Gaum „Die Sicherung des Ungewissen – Aktivierung aus bildungstheoretischer Perspektive“ gut gefallen. Vielleicht auch deshalb, weil er einer der wenigen war, in denen es zur Abwechslung einmal nicht um Stichprobenanzahl, T-Tests, Varianzanalysen und Signifikanzniveaus ging. Während in den sportpädagogischen Lehrveranstaltungen Erlangen meines Erachtens ein recht gutes Gleichgewicht zwischen normativen und empirischen Inhalten gegeben ist (bei dem Veranstaltungstitel „Normative und empirische Sportpädagogik“ möchte man auch kaum anderes vermuten) – war in Heidelberg ein klarer Überhang an empirischen Themen auszumachen.

Empirisch unterwegs war auch der AK Gesundheit, der von Ralf Sygusch moderiert wurde:  Clemens Töpfer berichtete zusammen mit ehemaligen Erlangerin Julia Hapke, die jetzt in Tübingen lehrt und forscht, über das Projekt Health.edu und wie Gesundheit in der Lehrerbildung implementiert werden kann. Nachdem ich auch meine Zulassungsarbeit in diesem Projekt verfasst habe, war es für mich schön zu sehen, dass Ergebnisse meiner Arbeit zunächst noch einmal vor prominentem Publikum wie Eckart Balz und André Gogoll diskutiert wurden, bevor die Arbeit dann beim Kultusministerium in Aktenschrank landet.

Sebastian Liebl hatte im Arbeitskreis Methoden die Gelegenheit, seine empirischen Untersuchungen zu Selbstwirksamkeitserwartungen von Lehramtsstudenten vorzustellen.

 

Die gute Organisation der Tagung zeigte sich dann auch gleich am ersten Abend, als auf dem Heidelberger Sport-Campus zu einer Beachparty eingeladen wurde. Auch wenn ich den Sand irgendwie nicht entdecken konnte, gab es mit Food-Trucks und Cocktail-Bar eine sehr angenehme Atmosphäre für fachliche und außerfachliche Unterhaltungen.

Am Samstag-Abend, als wir noch einem straffen Programm trotz erhöhtem Kaffee-Konsum fast alle unseren kognitiven Overload erreicht hatten, wurde in der ehrwürdigen Alten Aula der 1386 gegründeten Universität Heidelberg der Ars-Legendi-Fakultätenpreis verliehen. Dr. Verna Burk aus Tübingen wurde für ihre exzellente Lehre ausgezeichnet. Vor dem Hintergrund, dass sich der wissenschaftliche Betrieb in erster Linie von Forschungsprojekten finanziert und Engagement in Lehrveranstaltung kaum gewürdigt wird, ist dies sicherlich ein deutliches Zeichen der Wertschätzung. Dass angegebene Vortragszeiten bei dem ein oder anderen Akteur eher als unverbindliche Vorschläge als wirklich einzuhaltende Richtlinien erachtet wurden, soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Geduld ist ja auch bekannterweise auch so eine Tugend.

 

Sehr erfolgreich war abschließend der Einsatz von Ralf Sygusch im Namen des dvs-Sprecherrates, der aufgrund eines bis dato fehlenden Ausrichters für die nächste Jahrestagung im Wetten-dass-Format wettete, dass es die 225 Teilnehmer nicht schaffen, bis Samstag 13 Uhr einen Ausrichter für das nächste Jahr zu finden. Nach anfänglicher Zurückhaltung erklärten sich zum Ende der Tagung mit Mainz und Frankfurt zwei engagierte sportpädagogische Abteilungen bereit, 2020 Gastgeber für die nächste Tagung zu sein. Unerwartet klärte sich dann auch noch die Frage für 2021, 2022 und 2023 (ggf. Erlangen?), sodass die nächsten vier Jahre gesichert zu sein scheinen.

 

Mein Fazit: Bei sehr guter Organisation haben mir in der Breite der Inhalte das ein oder andere Veranstaltungsformat für kritische Auseinandersetzungen und kontroverse Diskussionen sowie ein paar mehr Beiträge aus der normativen Sportpädagogik gefehlt. Normative und (bildungs-)theoretische Überlegungen könnten vielleicht helfen zu zeigen und zu erinnern, vor welchem Hintergrund die doch mittlerweile sehr ausdifferenzierten empirischen Beiträge zusammengedacht werden können. Nichtsdestotrotz war es wieder sehr spannend zu sehen, dass Sportpädagogik ein ungemein großes Feld ist, in dem viel zu Lehrern, Schülern, Trainern und Athleten geforscht wird und dementsprechend an anderen Unis auch ganz anders gedacht und gelehrt werden kann.