NS-Euthanasie in Erlangen

Symbolbild zum Artikel. Der Link öffnet das Bild in einer großen Anzeige.

Die Verbrechen der NS-Medizin und die Rolle der HUPFLA

Diese Woche bleiben wir mit unserem Beitrag vor der eigenen Haustür und beschäftigen uns mit einem Thema, das in den letzten Monaten und Jahren innerhalb der Erlanger Bevölkerung heftig diskutiert wurde: Das Schicksal der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt, der „HuPfla“. Pläne von Stadt und Universitätsklinikum sahen einen beinahe vollständigen Abriss des Gebäudekomplexes an der Schwabachanlage vor, um den Bau von modernen Forschungseinrichtungen der Universität und des Max-Plank-Instituts zu ermöglichen.

Doch wo bleibt dann Platz für die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Gebäudes? Wo sollen Gedenken und Erinnern stattfinden? Und was ist bei der Erlanger NS-Euthanasie in der Alten Nervenklinik eigentlich passiert? – Ein kleiner medizinhistorischer Überblick:

Die Geschichte der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt beginnt mit der Gründung der „Kreisirrenanstalt“ im Jahr 1834 als Klinik für Menschen mit psychischen Erkrankungen. 100 Jahre später wurden mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ 1934 etwa 100 PatientInnen der Alten Nervenklinik zwangssterilisiert. 908 PatientInnen wurden in den Jahren 1940/41 in „Tötungsanstalten“ deportiert und dort ermordet. Während des zweiten Weltkriegs starben zwischen 1940 und 1945 mindestens 1500 Meschen in der Erlanger Anstalt, indem sie an den Folgen der gezielt verabreichten „Hungerkost“ verhungerten. Die Verantwortlichen wurden nie zur Rechenschaft gezogen: Ein Gerichtsverfahren gegen den Anstaltsleiter Wilhelm Einsle wurde 1948 aufgrund mangelnder Beweise eingestellt.

Heute wissen nur noch wenige um die Bedeutung der Gebäude und deren Geschichte zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Um neben Gedenk- und Stolpersteinen einen Ort der Erinnerung zu schaffen, fordert das Aktionsbündnis „Gedenken gestalten – HuPfla erhalten“ die Erhaltung des Gebäudekomplexes und die Einrichtung eines Dokumentationszentrums. In den Räumen der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt müsse „die Grundlage für ethisch begründetes medizinisches Handeln und Behandeln gelegt werden“. Besonders in der Medizinstadt Erlangen sollte die NS-Geschichte der Medizin in Lehre und Studium thematisiert werden, um durch das Gedenken an die Verbrechen der NS-Zeit medizinisches Handeln nach ethischen Grundsätzen zu lehren, zu lernen und zu praktizieren.

Vergangene Woche konnte nun ein Kompromiss als Alternative zu den kontrovers diskutierten ursprünglichen Abrissplänen vorgestellt werden: Der Zwischenbericht „Schaffung eines Lern- und Gedenkortes für die Opfer der NS-Euthanasie in Erlangen“ von Stadt, Klinikleitung und dem bayerischen Innenministerium sieht vor, den repräsentativen Mittelteil (Mittelrisalit) des Gebäudes sowie Teile des Ost- und Westflügels vor dem Abriss zu bewahren. Hier soll ein Gedenkort und Dokumentationszentrum entstehen, um an die NS-Vergangenheit der HuPfla zu erinnern und das Gedenken an die Opfer zu bewahren.

Lesenswertes zum Thema:

Forschungsprojekt zur NS-„Euthanasie“ in Erlangen (seit 2019, Institut für Geschichte & Ethik in der Medizin der FAU,  Stadtarchiv Erlangen, Bezirk Mittelfranken)

Frewer, Andreas (Hrsg.) (2020): Psychiatrie und „Euthanasie“ in der HuPfla. Debatten zu Werner Leibbrands Buch „Um die  Menschenrechte der Geisteskranken“

https://www.sueddeutsche.de/bayern/erlangen-heilanstalt-nationalsozialismus-gedenkort-1.4917085

https://www.sueddeutsche.de/bayern/nationalsozialismus-euthanasie-erlangen-1.4295811

https://www.uk-erlangen.de/presse/pressemitteilungen/ansicht/detail/zwischenbericht-schaffung-eines-lern-und-gedenkortes-fuer-die-opfer-der-ns-euthanasie-in-erlangen/