1) Weltordnung, einfach gemacht
Es ist ganz einfach, eine Weltordnung zu entwerfen. Zunächst braucht man einen Gegenstand für die zu entwerfenden Ordnung. Wir wählen die Liste aller Nationen, die in den Vereinigten Nationen (United Nations) registriert sind. Dann brauchen wir als Zweites einen Ordnungsbegriff. Wir nehmen den naheliegenden Begriff „Militärische Stärke“, der leicht aus internationalen Militärstatistiken unterfüttert werden kann. Als Drittes müssen wir eine Ordnungsrelation definieren. Das tun wir, indem wir schematisch sagen „Nation A ist militärische stärker als Nation B“. Die Relation ist unsymmetrisch, weil das umgekehrte nicht gilt. Und schon ist die Weltordnung festgelegt. Ordnungsgegenstand, Ordnungsbegriff, Ordnungsrelation, die drei werden immer verlangt, auch für kompliziertere Weltordnungen. Die einfache Ordnung, die wir gerade skizziert haben, ist die Ordnung von militärischen Großmächten, wie sie z.B. von Russland präferiert wird. Bloß wie entwickelt man eine militärische Stärke von Weltbedeutung?
Militärische Stärke ist ökonomisch gesehen ein kostspieliges Unterfangen. Sie bindet Personal und Kapital und produziert nichts, wenn man von Abstrakta wie produzierter Sicherheit und erworbene Macht (Verfügungsgewalt) absieht. Man sitzt am starken Ende der unsymmetrischen Ordnungsrelation. Militär ist aber unverzichtbar und pazifistischer Leichtsinn führt in eine Aufgabe der Freiheit.
Was bewegt einen Wladimir Putin seine militärische Stärke aufzubauen und die Ukraine unsymmetrisch anzugreifen? Es ist eine Ideologie oder Weltanschauung, die ihn antreibt und die er in der Welt groß und breit vertritt. Geprägt ist seine Weltanschauung durch seine Sicht auf die russische Geschichte. Und so sieht er Kiew als eine russische Stadt, die er zurückerobern will. Wie alle Weltanschauungen ist das ein Glaube und kein Wissen. Glauben ist nur ein subjektives Fürwahrhalten eines Urteiles, was aber objektiv unzureichend ist. Durch einen Dialog und wissenschaftliches Überprüfen kann man einen Glauben in Wissen überführen. Das geschieht aber nicht. Der Glauben wird subjektiv zu einer Überzeugung und verkündet für jedermann dann objektiv zu einer Gewissheit. Das kann man alles bei Immanuel Kant (1724- 1804) in seiner Kritik der reinen Vernunft nachlesen. Die russische Kaliningrader oder vormals Königsberger Universität wurde in Immanuel – Kant – Universität umbenannt. Man darf also Kant auch aus russischer Sicht zitieren. Putin ist ein überzeugter Nationalhistoriker, der seinen Glauben in der Welt mit Gewissheit und Waffengewalt vorträgt. In seinem Glauben ist von Wissen keine Spur zu sehen. Er lässt sich auf Wissenschaft ja auch gar nicht ein und meidet den Dialog, um so aus seiner Subjektivität herauszukommen. Ideologisch Glaubende haben das so an sich. Die meinen in Gewissheit zu wissen, was ein gewaltiger Irrtum ist.
2) Weltordnung, symmetrisch
Der historische Werdegang einer symmetrischen Weltordnung, von der Putin nichts wissen will, ist vom berühmten ehemaligen US-Außenminister und Harvard-Professor Henry Kissinger vertieft und in aller Breite in seinem umfangreichen Buch (478 Seiten) „Weltordnung“ (2014) beschrieben worden. Kissinger war bis zu seinem Lebensende Fan seines ehemaligen Fußballclubs Spielvereinigung Fürth, seine Geburtsstadt.
Eine Weltordnung ist symmetrisch, wenn die herrschende Ordnungsrelation symmetrisch ist. Eine Relation R ist symmetrisch, wenn von Land A und B gesagt werden kann, wenn A R B gilt, dann gilt auch B R A. Also z.B. wenn das Land A das Land B anerkennt, dann anerkennt auch das Land B das Land A. Symmetrie heißt so gesehen Gegenseitigkeit (reciprocity), ein Wort, das Präsident Trump in Sachen Zölle so liebt, aber sich nicht daranhält.
Wer vom Kissinger Buch tief beeindruckt ist, stellt fest, dass der Autor den Westfälischen Frieden (1648) von Münster und Osnabrück zum Ausgangspunkt seiner symmetrischen Überlegungen macht. Der Frieden geschah nach dem fürchterlichen, grausamen Dreißigjährigen Krieg (1618 -1648) in Mitteleuropa und hat insbesondere Deutschland in seiner staatlichen Entwicklung um mindestens 100 Jahre zurückgeworfen. Es war ein Religionskrieg unter Protestanten und Katholiken, aber auch ein politischer Territorialkrieg. Und beide ineinander verschachtelten Kriege waren 1648 zu Ende und die betroffenen Länder konnten aufatmen. Der Westfälische Frieden war ein symmetrischer Frieden und kein Diktat. Er gelang, weil die Ergebnisse des 1555 zustande gekommenen Augsburger Religionsfrieden gegenseitig anerkennt wurden. Berühmt geworden ist seit Augsburg das „cuius regiio , eius religio“ oder der jeweilige Fürst bestimmt die Konfession seiner Untertan. So sind seit dieser Zeit die Hessen durchweg protestantisch und die Bayern nebenan katholisch. Ein Gebietsaustausch untereinander fand aber auch statt.
Der Westfälische Frieden war eine Meisterleistung in der Überwindung einer primitiver Subjektivität, er währte leider nur bis zur französischen Revolution 1789. Aber immerhin: Das war ein Paradigma für die Welt für Russland, Asien, Afrika und Südamerika. Außerhalb der Symmetrie wird Elend produziert. Auch die Gründung der Vereinten Nationen war symmetrisch gedacht. Der Sicherheitsrat mit seinem Veto- Recht der Großen ist eine Karikatur im Sinne einer Symmetrie.