Es war die wunderbare Dankesrede des diesjährigen Friedenspreisträgers Karl Schlögel in der Frankfurter Paulskirche, die mich veranlasst hat, über meine Zeit in Russland nachzudenken. Ich war zwischen 1982 und 2003 viermal im sibirischen Novosibirsk zu Arbeitsbesuchen und Vorträgen an der Technischen Universität und habe in dieser Zeit viele freundschaftliche Bande geknüpft, die über eMails immer noch existieren. Es war die Zeit der „Perestroika“ (Umbau), die 1985 mit Michail Gorbatschov begann und dann mit Erscheinen von Vladimir Putin an der russischen Spitze endete. Aus einem Umbau wurde unter Putin ein Rückbau zur alten Sowjetunion. Für Putin war 1990 Perestroika und seine Folgen mit eigenen Worten eine kosmopolitische Katastrophe. Thema und Inhalt der Rede von Karl Schlögel „Von der Ukraine lernen. Verhaltenslehren des Widerstands“ hat mich tiefberührt und mir deutlich gemacht, dass auch ich „ Perestroika- Besoffen“ war. Es war eine trügerische Hoffnung. Im Sinne von Karl Schlögel gab es viele Russlandversteher, aber zu wenige, die etwas von Russland verstanden. Ohne russische Sprachkenntnisse geht das auch nicht. Und mit Sprachkenntnissen oftmals auch nicht, wie man bei Frau Merkel sieht. Die gehört auch zum Club der Perestroika-Besoffenen. Meine Besoffenheit war aber harmlos. Ich hatte auch keine politische Verantwortung. Ich habe bloß in Novosibirsk einen Rotary-Club mitgegründet; und man hat mich dort 1995 zum Ehrenmitglied gemacht. Besonders eng waren die freundschaftlichen Bande über meinen Rotary – Club, der sich selbstloses Dienen zum Ziel gesetzt hat und amerikanischer Provenienz ist. Heute gibt es 127 Clubs mit insgesamt 1200 Mitgliedern in Russland, wie man in der Schrift „Rotary In Russia“ nachlesen kann. In den Clubs sind die Westler offensichtlich vereint. Westler ist ein alt bekannter Begriff, der im 19. Jahrhundert aufkam, um eine Abgrenzung zu den Slawophilen in Russland herzustellen. „Westler oder Slawophil“ ist ein großes Thema in Russland seit alters her und heute wieder hochaktuell. Die einen sind Europa und seinen Werten zugewandt und die anderen sind russische Nationalisten vereint in der russischen Sprache, die unter Putin nunmehr auch das „Brudervolk“ der Ukrainer sich einverleiben wollen. Dasselbe kann mit den baltischen Staaten natürlich passieren. Auch hier wird noch viel russisch gesprochen.
Was wird aus Rotary in Russland in Zukunft werden? Diese Frage bekümmert natürlich immer noch den ICC Deutschland – Russland. ICC heißt Inter Country Committee. Es gibt also noch Kontakte auf Sparflamme, weil man die Westler in Russland nicht im Stich lassen kann. Ich bin in die Zukunft schauend Pessimist. Aus meiner Sicht wird Rotary in Russland durch Putin langsam aber sicher erwürgt wie Rotary bei den Nazis in Deutschland. Vier Jahre hat es von 1933 in Deutschland gedauert, bis Rotary in Deutschland 1937 starb, erdrosselt. Es gab nur drei Möglichkeiten: Flucht, Anpassen oder Gefängnis. Thomas Mann ist ein berühmtes Beispiel, oder auch der Logiker Rudolf Carnap, der 1936 von einer US-Reise einfach nicht wieder nach Hause kam.