1) Der Begriff „Sicherheit“
Im Sinne des vorhergehenden Beitrags mit dem Titel „Bundestagswahl 2017“ ist „Sicherheit“ ein systematischer Begriff, der im Politischen einen ganz hohen Stellenwert bekommen hat und so dem Begriff „Gerechtigkeit“ in nichts nachsteht. In der deutschen Sprache kann man Vieles wunderbar nuanciert darstellen; in Sachen „Sicherheit“ ist das Deutsche aber gegenüber dem Englischen ziemlich krude. Unter dem Suchbegriff „Sicherheit“ wird bei Wikipedia dieser Defekt deutlich herausgestellt. Im Deutschen sprechen wir uniform von Sicherheitspolizisten an Bahnhöfen, vom Sicherheitsabstand beim Autofahren, Ingenieure reden von einem Sicherheitsfaktor z.B. beim Auslegen von Tragwerken und in der Lagerhaltung spricht man von einem Sicherheitsbestand, der insbesondere bei stark schwankender Nachfrage sehr groß sein kann, um Nachfrage überhaupt abdecken zu können. Im Englischen wird streng unterschieden zwischen „security“ (zu übersetzen mit „Angriffssicherheit“ oder Sicherheit vor Angriffen von außen) und „safety“ (wiederzugeben mit „Betriebssicherheit“).
Wenn wir die erwähnten Beispiele ins Englische übersetzten wird die Sprachgenauigkeit des Englischen sehr deutlich. Sicherheitspolizisten an Bahnhöfen heißen „security officers“¸ „safety distance“ hingegen ist der Sicherheitsabstand beim Autofahren und Ingenieure beim Auslegen von Tragwerken sprechen von „ safety factor“. Die Disponenten in einer Lagerhaltung in England und Amerika reden vom „safety stock“ oder „safety cushion“, wenn sie einen Sicherheitspuffer oder Sicherheitsbestand meinen.
Und ein Unglück wie die „ love parade“ in Duisburg 2010 war nicht eine Folge eines Angriffs von außen, sondern eine Folge mangelhafter Planung für den Fall des Eintretens einer Massenpanik. „love parades“ oder Massen-Veranstaltungen ganz allgemein sind zunächst ein „safety problem“, ein Problem der Betriebssicherheit. Heute aber in einer Zeit des Terrorismus werden „events“ dieser Art zu einem „security problem“, zu einem Problem der Angriffssicherheit. Das ist ein politisches Problem, weil durch Angriffe auf Leib und Leben der Menschen, willkürlich in der Auswahl der Opfer, die öffentliche Ordnung total unterminiert würde.
Planer einer Betriebssicherheit (safety) haben es häufig mit Fehlererkennung, Fehlereindämmung und Fehlerbeseitigen zu tun. Auch in Sachen „Fehler“ haben wir es im Englischen mit einer sehr reichhaltigen Sprache zu tun: Error, failure, fault, mistake.. Die Semantik dieser Wörter soll hier nicht erörtert werden, weil wir uns mit Angriffssicherheit auseinandersetzen.
2) Organisation einer Angriffssicherheit
Wer sich für Angriffssicherheit im Politischen interessiert, sollte mit Sorgfalt studieren, was z.B. in wissenschaftlichen Fächern erarbeitet wurde. Und hier stehen die Betriebssysteme der Informatik mit an oberster Stelle. Die Behandlung von Angriffen sind hier seit den frühestens Zeiten, also vor rund 50 Jahren ein herausragendes Thema.
Von großer Bedeutung ist in Betriebssystemen das sogenannte Ringkonzept (siehe Bild unten). Um einen Kern werden Schutzringe gelegt, die nur bei Einhaltung von Bedingungen passiert werden dürfen. Man wird unwillkürlich an mittelalterliche Burgen erinnert, deren Kern, der Bergfried, durch ringförmig angeordnete Burggräben und Burgmauern gesichert wurde. Eine Burg galt als erobert, wenn der Bergfried von Angreifern eingenommen war. Ähnliches gilt für Betriebssysteme in Rechnernetzen. Wer als Angreifer den Kern erobert, ist Herr aller Anwendungen in den äußeren Ringen. Das bedeutet für das System eine Katastrophe. Das Sicherheitssystem ist sinnlos geworden.
Bild: Ringkonzept in Betriebssystemen
Für die Übergänge (gates) von Ring zu Ring und das Eindringen in den äußeren Ring gelten strenge Vorschriften. Unkontrolliert, wie im politischen Bereich, darf kein Übergang erfolgen. Man kann hier Maß nehmen. Die politisch diskutierte Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Sicherheit macht aus der Sicht der Angriffssicherheit nur einen schwachen Sinn. Man kann nur fragen, wie weit der Angreifer schon ins System eingedrungen ist. Ist der Angreifer schon tief drin, so könnte man von innerer Angriffssicherheit sprechen. Ist er noch weiter draußen, wie weit lautet dann die Frage, um von äußerer Angriffssicherheit zu sprechen.