Digitale Bildung und Cloud Computing

Vorbemerkung: Digitale Bildung und Cloud Computing sind heute zu einem zentralen politischen Thema geworden. Man spricht schon zusammengefasst  von einer „Bildungscloud“ (siehe Meinel unter Wikipedia).  Das Thema  ist wichtig und wert, kritisch  beleuchtet zu werden.

1. Was ist Bildung?

Der bekannte Münchener Moralphilosoph Robert Spaemann (* 5.Mai 1927) reduzierte die Frage „Was ist Bildung?“, die man nur schwer wegen ihrer hohen Abstraktheit beantworten kann, auf die Frage „ Was ist ein gebildeter Mensch? Über eine personale Repräsentanz  „gebildeter Mensch“ von Bildung zu reden,  ist leichter  als über Bildung selbst. Spaemann entwarf auf einer Rede anlässlich einer Promotionsfeier 1994 ein 10 Thesen-Papier. Von diese Thesen interessieren  uns hier nur einige wenige. Z.B. These 1: „Ein gebildeter Mensch hat den animalischen Egozentrismus hinter sich gelassen. .. Gebildet ist, wen es interessiert, wie die Welt aus anderen Augen aussieht, und wer gelernt hat, das eigene Blickfeld  auf diese Weise zu erweitern.“ Aus These 2: „Fast nichts ist für den Gebildeten  ohne Interesse, aber nur sehr weniges wirklich wichtig.“ Dann These 3: Das Wissen des gebildeten Menschen ist strukturiert. Was er weiß, hängt miteinander zusammen. Und wo es nicht zusammenhängt, da versucht er einen Zusammenhang herzustellen, oder wenigstens zu verstehen, warum dies schwer gelingt. Er lebt nicht in verschiedenen Welten, dass er bewusstlos von der einen in die andere hinübergleitet.“

Wenn es das Ziel einer Bildung ist, Lebenswichtiges oder  Lebensbedeutsames  (auch im Sinne Spaemanns) zu erwerben, dann müssen wir uns alle selber  fragen, wie das an uns geschah, wenn bei uns Bildung vorliegen sollte.

Rückblickend bei mir war am Anfang  der Spracherwerb  und zwar der Erwerb der Muttersprache (native language) in gesprochener und dann in geschriebener Form. Sprache, das war also das erste Medium (Mittel).  Wie der Erwerb geschah, das muss man sich ganz genau anschauen. Vieles, mehr als man denkt, geschah nicht definitorisch, sondern  empraktisch (Bühler), sagt man wissenschaftlich, d.h., Sprachererb im Handlungsvollzug. Was „reiben“ ist, erlernt man durch Vormachen (Zeigen) und Nachmachen. Theoretische Begriffe und andere Sprachen kamen erst später. Dann erlernte ich, was es heißt „einen Gegenstand oder eine Person benennen“. Ich begriff, was ein (Eigen-) Name ist und dann weiter, was Eigenschaften von Gegenständen und Personen sind. Meine Sprachwelt wurde meine lebensbedeutsame Welt, in der ich mich bewegte. Die Welt wurde wie bei allen größer und größer. Über Sprache erwarb ich Bildung, eine Welterschließung, die  hoffentlich nicht aufhören will.

Bild 1:  Bildungserwerb durch Sprache

Die Sprache war das Medium, das Mittel, mit dem ich Bildung erwarb, wohlwissend, dass Bildung ein Prozess des Lebens ist, der lebensbedeutsam im Leben nicht enden sollte.

 

2. Wie gelingt eine digitale Bildung?

Um zu einer „digitalen Bildung “ zu gelangen, also zu einer Bildung mit ganz anderen Mitteln, nämlich digitalen Mitteln, muss man  erst einmal den Erwerb des einfachen Mittels „Sprache“ verstehen lernen. Denn diese Sprache ist und bleibt auch  die Grundlage  einer digitalen Bildung. Digitale Bildung ist ja  nicht bloß eine instrumentelle Bildung, wie manche glauben könnten, die den berühmten Aufsatz über „ Instrumentelle Vernunft“ gelesen haben.

Beschrieben wurde der Erwerb einer Sprache im Hinblick auf den Erwerb einer digitalen Bildung als Reflexion  in einer 6-teiligen Serie „Informatik als Grundbildung“  (2004/05, im Informatik Spektrum).

Es entsteht  jetzt das folgende Bild:

Bild 2: Digitaler Bildungserwerb  durch  eine reflektierte Sprache

Die eingeschobene „Reflexion“ in Bild 2  verbindet Sprache mit der dann folgenden digitalen Bildung, deren Grundlage sie ist. Die Reflexion enthält, sicherlich nicht vollständig, folgenden Themen:

1.Schema und Ausprägung, auch bekannt unter „type and token“. 2. Formung  eines Elementarsatzes mit Eigenname oder Kennzeichnung und Prädikator  zur Formulierung einer Elementaraussage. 3. Gleichheit und Abstraktion. 4. Objektsprache/Metasprache. 5.Namengebung und Kennzeichnung. 6. Logik und Geltungssicherung.

Wehe die Reflexion als digitale Grundbildung wird vergessen. (Siehe Bildungsstandards  der GI).  Denn, die dann entstehende Bildung ist eine digitale Bildung ohne Grund, ohne Fundament, eigentlich gar nicht lehrbar, weil alles unkritisch, grundlos  hingeknallt werden muss. Wenn einer fragt: Wieso?, dann ist die klassische Antwort: It is  how they did it!  Das ist halt so. Unbefriedigend. Äußerst unbefriedigend!!

3. Cloud Computing in der Bildung

Von unserem Kollegen Georg Zörntlein von der IBM wissen  wir aus seinem Blogbeitrag, dass man das Wort „Cloud“  (Wolke) um Gottes Willen nur in der Zusammensetzung „Cloud Computing“ benutzen sollte, um keine falschen Vorstellungen zu wecken, wie das häufig  bei  gängigen Metaphern passiert (man denke an „Eiweiß“). „ Cloud“  klingt geheimnisvoll, mystisch. Zörntlein zieht  dann  den Sachverhalt  nicht nur durch seine Wortverwendung „Cloud Computing“ ins Reale, sondern begründet auch  humorvoll, dass  entwicklungsgeschichtlich gesehen „Cloud Computing“ nichts Besonderes ist. Es handelt sich nur um eine normale Entwicklung der Netztechnologie. Larry Ellison, der Gründer von Oracle, hat es einfacher formuliert: „Cloud, das ist nichts anders als ein Netz mit angeschlossenem Rechenzentrum“ Auch so gesehen ist Cloud Computing für Bildungseinrichtungen ein Segen. Man braucht sich nicht mehr um die Hard- und Softwareentwicklung und Pflege zu  kümmern. Das tut der „Cloud Provider“, der Dienstleister. Cloud ist eine Dienstleistung, ein Service. Was sagt Wikipedia  zu  „Cloud Computing“:

„ Cloud Computing bietet Zugang zu abstrahierten IT-Infrastrukturen für die breite Öffentlichkeit über das Internet. Public-Cloud-Diensteanbieter erlauben ihren Kunden, IT-Infrastruktur zu mieten auf einer flexiblen Basis des Bezahlens für den tatsächlichen Nutzungsgrad bzw. Verbrauch (pay-as-you-go), ohne Kapital in Rechner- und Datenzentrumsinfrastruktur investieren zu müssen.“

Hier wird das „magische“ Wort „abstrahieren“ nur als ein Beispiel  hervorgehoben. Das Wort  als Begriff versteht man nur, wenn man zuvor  eine „digitale Grundbildung“ (z.B. Teil 3)  oder den Beitrag im Blog über „abstraktive Informationstechnologie“ studiert hat. Die Informatik-Literatur wimmelt nur so von digitalen Grundbildungs-Erfordernissen. Wir erinnern uns an das Bild mit  Platon und seiner Akademie im Blogbeitrag „Kinder brauchen Märchen. Erwachsene brauchen Ideale“. Platon könnte das Spruchband schwingen: „Keiner kommt hier unter mein Dach der digitalen Bildung, der nicht digitale Grundbildung studiert hat“. Es fällt nicht schwer zu zeigen, dass wesentliche Teile (nicht nur Abstraktion) der digitalen Bildungswelt  ohne Grundbildung  nicht  kritisch zu verstehen sind.

Eine digitale Bildung ist lebensbedeutsam für sehr, sehr viele Menschen.

Ein Kommentar zu „Digitale Bildung und Cloud Computing

  1. Die „Bildungscloud“ als ein Mittel eingesetzt, um unsere heutige „Durcheinanderwelt“ in wieder tragfähigere Strukturen (Ordnungen) zu überführen!?

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