von Volker Stiehl
Digitalisierung: Ein Prozessproblem!
Geht es Ihnen auch manchmal so? Es staut sich „etwas“ über eine gewisse Zeit an und muss irgendwann, wenn der berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt, über ein Ventil entweichen? Mir ist es kürzlich im Fall der „Digitalisierung“ so ergangen – und deshalb lesen Sie jetzt diesen Blogbeitrag.
Nun gut, Digitalisierung ist ein weites Thema, es ist in aller Munde und es wird unendlich viel darüber geschrieben und diskutiert. Man ist sich auch über die bedeutende Rolle der IT an dieser Digitalisierungswelle einig. Wieder einmal werden technologische Buzzwords in die Runde geworfen, so dass einem Hören und Sehen vergeht: Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Big Data, Analytics, Cloud Computing, Mobility, Microservices, Eventing, natürlich Internet of Things, Robotics und Industrie 4.0 dürfen genauso wenig fehlen wie neuerdings Blockchains und Kryptowährungen. Und nicht nur die Verantwortlichen in den Unternehmen fragen sich: Wo soll ich beginnen und wie soll ich dem Ganzen Herr werden?
Diese Fragen sind berechtigt, mehr als das, denn die Digitalisierung ist „anders“ als nur die Einführung einer neuen Technologie:
Digitalisierung ist disruptiv, sie bricht mit Existierendem, sie ist schnell und sie ist existenzbedrohend!
Jeder der oben genannten technologischen Innovationen trägt sicherlich zur Digitalisierung bei, aber alleine genommen sorgen sie nicht für die Umwälzung ganzer Industrien. Erst die intelligente Kombination der technologischen Möglichkeiten zu hochgradig automatisierten und verknüpften Abläufen lässt ungeahnte Produktivitätssteigerungen zu und neue Geschäftsmodelle entstehen. Dabei beschränkt sich die Innovation nicht ausschließlich auf Geschäftsprozesse, wie häufig in diesem Kontext, wenn es um Abläufe geht, angenommen wird, sondern ganz allgemein um Prozesse, auch außerhalb des betriebswirtschaftlichen Kontextes. Selbst wenn es um das Melken von Kühen geht, kommen Prozesse ins Spiel. Oder denken Sie an die Heimautomatisierung oder Verkehrsleitsysteme. Wir sind ständig von Prozessen umgeben, ob privat oder geschäftlich, ob technisch oder betriebswirtschaftlich. Und wir müssen die Prozesse erkennen, identifizieren. Dazu müssen wir uns eigentlich nur immer wieder dieselbe Frage stellen: was kommt danach – what’s next? Erst das kontinuierliche Nachfragen, wie es denn wohl weitergeht, hilft uns bei der Identifizierung von Abläufen. Und wir müssen mit Schrecken erkennen, wie wenig wir über unsere eigenen Abläufe wissen und, was noch schlimmer ist, wie lausig sie in IT gegossen sind!
Was bedeutet das aber nun für Unternehmen, die in der Digitalisierungswelle überleben wollen?
Erste Erkenntnis: Technologien sind grundsätzlich erst einmal „nur“ Mittel zum Zweck („Enabler“ wie es im englischsprachigen Raum so schön heißt) – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es kommt darauf an, was man daraus macht! Sie müssen im Kontext der fachlichen Anforderungen intelligent eingesetzt werden, um Innovationen voranzutreiben.
Zweite Erkenntnis: Lokale Verbesserungen, wie bei früheren technologischen Entwicklungen, genügen bei der heutigen Digitalisierungswelle nicht mehr. Denn die Digitalisierung ist ganzheitlicher und betrifft ganze Prozessketten und deren Verknüpfungen untereinander. Das bedarf eines ganz neuen übergreifenden Denkens! Digitalisierung ist keine Technologiefrage. Sie ist zu einem überwiegenden Teil eine Prozessfrage!
Dritte Erkenntnis: Unternehmen müssen handeln – und zwar schnell! Die Digitalisierung nimmt keine Rücksicht – was technologisch machbar ist, wird kommen. Wie schnell sich ganze Industrien ändern können, haben wir bei der digitalen Fotografie oder in der Musik- und Filmindustrie gesehen. Ob der Handel, die Bank-, Versicherungs- oder Autoindustrie, es knirscht an allen Ecken und Enden. AirBnB, Uber, Netflix, Spotify, Amazon, Facebook, Tesla und wie sie alle heißen mischen etablierte Industrien auf. Es ist 5 vor 12.
Wenn wir das enorme Potenzial der intelligenten Verknüpfung von technologischen Möglichkeiten zu innovativen Abläufen erkennen und akzeptieren, dass Abläufe ein wichtiger (wenn nicht gar der wichtigste) Baustein einer Digitalisierungsstrategie sind, stellt sich sogleich die Frage nach dem „Wie“: Wie kann ich neue Abläufe in der gebotenen Dringlichkeit schnell und vor allem nachhaltig umsetzen? „Nachhaltig“ in dem Sinne, dass derartige Prozesse auch über einen langen Zeitraum wart- und flexibel anpassbar bleiben müssen, egal was da kommen mag. Denn schließlich handelt es sich um Kernprozesse eines Unternehmens oder um eine neue Dienstleistung bzw. ein neues Produkt, von denen am Ende des Tages die jeweilige Existenz abhängt.
Tja und genau da sind wir jetzt bei der Gretchenfrage angelangt, an der sich momentan die Geister scheiden. Denn diese Frage ist wirklich nicht einfach zu beantworten und kann auch im Rahmen eines solchen Blogbeitrags nicht ausschöpfend behandelt werden. Wir müssten dann wirklich technisch tief in die Materie eintauchen, was sicherlich nicht Sinn des Blogbeitrags sein kann. Ich will aber zumindest kurz die Optionen grob umreißen, damit Sie eine Vorstellung bekommen, wie dramatisch diese Problematik tatsächlich ist.
Option 1: Die Abläufe werden in einer Programmiersprache kodiert. Das klingt zunächst einfach, ist aber für die im echten Leben anzutreffenden Abläufe deutlich komplexer. Tatsächlich ist ein Großteil heutiger Prozesse exakt so umgesetzt, insbesondere die individuellen Erweiterungen von Standardsoftware. Das funktioniert also, ist allerdings alles andere als schnell umzusetzen. Zudem fehlt bei den besonders spannenden anwendungsübergreifenden Prozessen, bei denen ein Schwerpunkt der hart kodierten Prozesslogik festzustellen ist, jegliche Transparenz über die Zustände aktuell ausgeführter Prozessinstanzen. Auch lässt die Wartbarkeit und schnelle Anpassbarkeit auf Dauer sehr zu wünschen übrig.
Option 2: Diese Option ist momentan bei den Microservices-Jüngern angesagt. Sie beruht auf einem Abonnement-Modell, so wie man es von Zeitschriften her kennt. Nur werden hier sogenannte Ereignisse abonniert. Betrachten wir einen einfachen Prozess, der eine Bestellung entgegennimmt und prüft. Ist die Prüfung erfolgreich, wird die Bestellung in ein System eingebucht. Andernfalls erfolgt eine Fehlermeldung an den Besteller. Jede dieser Aktionen wird durch Microservices abgedeckt. Wir haben also einen „Bestelleingangsservice“, einen „Verbuchungsservice“ und einen „Fehlermeldungsservice“. Wenn der Bestelleingangsservice seine Prüfung abgeschlossen hat, sendet er je nach Ergebnis der Prüfung eines von zwei Ereignissen. Entweder ein „Bestellung korrekt“- oder ein „Bestellung fehlerhaft“-Ereignis. Dementsprechend abonniert sich der Verbuchungsservice auf das „Bestellung korrekt“-Ereignis und der „Fehlermeldungsservice“ auf das „Bestellung fehlerhaft“-Ereignis. Damit dieser Mechanismus funktioniert, benötigt man zur Umsetzung noch einen Vermittler, der Abonnements mit den Ereignissen in Verbindung bringt. Empfängt dieser Vermittler also ein „Bestellung korrekt“-Ereignis, so schaut dieser in einer Tabelle nach, wer sich denn so alles auf dieses Ereignis abonniert hat. Sämtliche Abonnenten erhalten dann eine Kopie der Nachricht vom Vermittler und der so implementierte Prozess kann entsprechend fortgesetzt werden.
Auch dies klingt auf den ersten Blick recht einleuchtend, ist aber meiner Meinung nach für Prozesse, von denen wir im echten Leben sprechen, völlig ungeeignet. Ab einer gewissen Komplexität sieht man den Wald vor lauter „Ereignis“-Bäumen und den damit verbundenen Abhängigkeiten nicht mehr. Eine Änderung wird dann zu einem reinen Glücksspiel. Ich kann vor einer derartigen Implementierung nur warnen! Übrigens hat auch Netflix, sicherlich einer der größten Protagonisten von Microservices und ein führender Digitalisierungsvorreiter, dieses Problem erkannt und mit Netflix Conductor eine zentrale Orchestrierungsengine ins Leben gerufen, die Microservices geeignet koordinieren soll. Auf der Conductor Homepage ist folgendes Zitat zu finden: „However, as the number of microservices grow and the complexity of the processes increases, getting visibility into these distributed workflows becomes difficult without a central orchestrator. “ Und weiter: “With peer to peer task choreography [Das ist letztendlich die oben beschriebene Ereignisverarbeitung], we found it was harder to scale with growing business needs and complexities.” Und das führt uns nun direkt zu Option 3.
Option 3: Modellgetriebene Ansätze. Konkret werden hier die Abläufe mit Hilfe einer grafischen Notation modelliert und genau in dieser Form auch zur Ausführung gebracht. Für diesen Ansatz hat sich die Modellierungsnotation BPMN (Business Process Model and Notation) als Fels in der Brandung erwiesen. Wie ich bereits in einem anderen Blogbeitrag beschrieben habe, steckt ungeahntes Potenzial in dieser Notation. Doch eine Notation alleine genügt nicht. Es bedarf auch eines Implementierungsansatzes, um entsprechende Erfolge bei den Digitalisierungsbemühungen zu erzielen. Wir müssen es also schaffen, die Leistungsfähigkeit der Notation (die PS sozusagen) sprichwörtlich „auf die Straße“ zu bringen. Daher hat sich mittlerweile um diese Notation herum ein Implementierungsansatz etabliert, der auch für größte und komplexeste Prozesse anwendbar ist, der sogenannte Prozessgesteuerte Ansatz. In dem bereits genannten Blogbeitrag gehe ich auch auf Kritikpunkte ein, die man für gewöhnlich modellbasierten Ansätzen entgegenhält, insbesondere das Argument der Untauglichkeit von Modellen bei komplexen Abläufen. Aufgrund von Projekterfahrungen wissen wir heute, dass der prozessgesteuerte Ansatz tatsächlich eine belastbare Stütze in den Digitalisierungsbemühungen von Unternehmen sein kann. Er erfüllt sämtliche Kernforderungen, die in der heutigen Digitalisierungsära wirklich zählen: Geschwindigkeit bei der Erstimplementierung, Wartbarkeit, Flexibilität hinsichtlich der Anpassbarkeit und das alles bei gleichzeitiger voller Transparenz zur Laufzeit (Transparenz im Sinne von: was passiert gerade in meinem System?).
Ich persönlich halte den Ansatz daher tatsächlich für den entscheidenden Schlüssel für eine erfolgreiche Digitalisierung!
Wenn Sie mehr über den Prozessgesteuerten Ansatz und dessen Einsatz in Digitalisierungsprojekten erfahren wollen, empfehle ich Ihnen eine Webinarreihe auf YouTube. Hier die dazugehörigen Links:
- Webinar „Wettbewerbsvorteile sichern durch die Digitalisierung differenzierender Geschäftsprozesse“ von Itelligence AG
- Webinar zum „Prozessgesteuerten Ansatz“
- Webinar zum Einsatz des prozessgesteuerten Ansatzes bei SAP
Der Prozessgesteuerte Ansatz ist also wesentlich umfangreicher, als dass ich dies in diesem Blogbeitrag darlegen kann. So setzt er beispielsweise auch auf Services auf und berücksichtigt Ereignisverarbeitung. Obige Optionen sind daher nicht im Ausschließlichkeitsprinzip zu sehen. Allerdings kommt es auf die geschickte Kombination der Technologieoptionen an, um letztendlich eine leistungsfähige Endanwendung zu erhalten. Dies ist zusammenfassend in der Prozessgesteuerten Architektur festgehalten (siehe [1] und/oder [2]).
IT-Kompetenz in den Unternehmen – sind sie gerüstet für die Digitalisierung?
Ist damit alles gut? Wir haben die Bedeutung von Abläufen (Prozessen) in der aktuellen Digitalisierungsdiskussion erkannt und kennen einen vielversprechenden Ansatz für die IT-technische Umsetzung. Können Firmen also loslegen? Wenn es denn so einfach wäre, denn ich möchte zum Abschluss auf ein enormes Risiko aufmerksam machen, das in vielen Unternehmen schlummert. Und das hat mit Standardsoftware und deren Folgen zu tun.
Während meines mehr als 30-jährigen beruflichen Werdegangs hatte ich Gelegenheit, mich mit vielen IT-Verantwortlichen in Firmen unterschiedlichster Branchen und Größen zu unterhalten. Das Spektrum reichte von kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu Großkonzernen. Dabei ließ sich eine „Strategie“ feststellen, die sich noch einmal bitter rächen könnte. Denn viele dieser Verantwortlichen antworteten mir auf die Frage, warum sie denn beim Einsatz neuer technologischer Innovationen so zögerlich seien, dass man sich da voll und ganz auf den Lieferanten ihrer Standardsoftware verlasse. Sie müssten ja nicht immer an der Forschungsfront mit dabei sein. Es genüge ihnen, wenn die Neuerungen dann mit der nächsten Aktualisierung der Standardsoftware dabei wären. Das wäre ihnen früh genug. Mit anderen Worten: sie warteten einfach ab. Der Standardsoftwarehersteller wird‘s schon richten.
Was ist davon zu halten? Nun: Die Argumentation ist soweit gut nachvollziehbar, ergab sich dadurch doch ein enormes Einsparpotenzial für die Unternehmen. Sie sparten an teuren Forschungsaufwänden und Gehältern für entsprechende IT-Abteilungen. Außerdem sparten sie in einem Bereich, der nicht zu ihren Kernkompetenzen gehörte. Alles soweit logisch. Zudem funktionierte dieses Modell viele Jahre lang. Ihr Übriges taten dann noch Outsourcing-Verträge, um sich der lästigen IT und der damit verbundenen Aufwände gänzlich zu entledigen.
Für Standardprozesse mag dieses Vorgehen möglicherweise sogar sinnvoll sein. Hersteller von Standardsoftware bringen schließlich stetig neue Technologien zum Nutzen ihrer Kunden auf den Markt und investieren enorme Summen in die Forschung. Allerdings, und jetzt kommt das große ABER, ist gerade bei der Digitalisierung die Differenzierung relevant und erfordert eine flexibel anpassbare Strategie, was mit der „Abwarte-Strategie“ sicherlich nicht zu erreichen ist. Daher ist es dringend zu empfehlen, die digitalen Initiativen selbst zu planen, zu kontrollieren und sich nicht ausschließlich auf einen Softwarehersteller zu verlassen! Die innovativen Technologien der Softwarehersteller können selbstverständlich gezielt entlang neuer Geschäftsmodelle und Prozesse kombiniert werden, denn schließlich gilt es ja für die Unternehmen, Mehrwerte für ihre Kunden zu generieren. Allerdings bieten Standardsoftwarehersteller dafür „nur“ die Plattform an, die Differenzierung und Kombination der Möglichkeiten muss jedoch individuell durch die Unternehmen selbst vorangetrieben werden. Wie das alles zu erreichen ist, haben wir im ersten Teil dieses Blogbeitrags über den prozessgesteuerten Ansatz gelernt.
Aus der angesprochenen „Abwarte-Strategie“ resultieren offensichtliche Fragen, die doch sehr nachdenklich stimmen
- Wie wirkt sich eine solche „Strategie“ in der anstehenden Digitalisierungswelle auf die Innovationskraft des Unternehmens aus, wenn doch maßgebliche Innovationen der Digitalisierung nun mal IT-getrieben sind?
- Können derartige Firmen überhaupt noch Prozesse implementieren? Wissen sie, wie man Prozessprojekte abwickelt, wie vorzugehen ist?
- Wie wollen solche Firmen in der Digitalisierungswelle überleben, wenn sie keine oder nur unzureichende IT-Kompetenz mehr besitzen?
Ich überlasse die Beantwortung dieser Fragen Ihnen. Nur eines sollte deutlich geworden sein: Warten ist bei der heutigen Digitalisierungswelle sicherlich die falsche Antwort. Viele der Unternehmen, die auf die Karte „Abwarten“ gesetzt haben, gibt es heute nicht mehr!
Ich bleibe dabei: Prozesse sind entscheidend in der anstehenden Digitalisierung! Und selbst wenn Sie der Überzeugung sind, eine technologische Einzelmaßnahme genüge zunächst für den Einstieg in die Digitalisierung, so sollten Sie doch stets die eingangs erwähnte Frage nach dem „was kommt danach?“ (what’s next?) und damit nach den Abläufen stellen. Sie werden dadurch dazu gezwungen, über den Tellerrand zu schauen und Ihre Digitalisierungsstrategie nachhaltiger zu gestalten!
Wir können also zusammenfassen: Wenn Unternehmen sich nicht selbst sofort aktiv um die Implementierung ihrer differenzierenden Prozesse, ihrer Produkte und Dienstleistungen kümmern, nicht selbst das Heft in die Hand nehmen und die Abläufe nicht schnellstmöglich unter Einsatz passender Technologien umsetzen, stehen ihnen schwere Zeiten bevor! Von Seiten der Standardsoftwarehersteller können sie diesmal nur bedingt auf Hilfe hoffen: Wie der Name schon sagt, kümmern sie sich um die Standardprozesse, nicht um die differenzierenden Prozesse oder gar neue Produkte und Dienstleistungen. Unternehmen müssen ihr Schicksal schon in die eigenen Hände nehmen und der Prozessgesteuerte Ansatz kann ihnen dabei behilflich sein! Denn Sie sollten sich stets folgendes Zitat von William Edwards Deming gut durch den Kopf gehen lassen.
Denn er befand: “If you can‘t describe what you are doing as a process, you don‘t know what you‘re doing”. Und Sie wollen doch hoffentlich zu denen gehören, die wissen, was passiert, oder?
[1] Stiehl, Volker. 2012. “Prozessgesteuerte Anwendungen entwickeln und ausführen mit BPMN: Wie flexible Anwendungsarchitekturen wirklich erreicht werden können”. dpunkt.
[2] Stiehl, Volker. 2014. “Process-Driven Applications with BPMN”. Springer
Lieber Herr Stiehl,
Ihr Beitrag „Digitalisierung: ein Prozessproblem“ ist ein Renner. Innerhalb der letzten 24 Stunden 106 Zugriffe. Der Beitrag klettert unaufhörlich an die Spitze der TopTens und stellt alles in den Schatten.
Ich habe nun im Alter wie viele andere Greise eine philosophische Neigung bekommen und verspüre Lust, einen philosophisch angehauchten Kommentar zu schreiben. Denn was Sie Prozess nennen, der zu identifizieren ist, nennen Philosophen eine Handlung. Die Frage „ What comes next ?“ stellt sich der Philosoph laufend. Er entwirft ganze Handlungstheorien. Wir lesen im Mittelstraßschen Lexikon unter „Handlungstheorie“ : „Paradigma einer empirischen Handlungstheorie ist die Soziologie, in der Definition Max Webers „eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“. Kuno Lorenz (Saarbrücken) schrieb im Lexikon diese Sätze.
Das trifft für Ihren Ansatz aus meiner Sicht zu. Denn technisches Handeln, suchen nach Mitteln, ist auch ein soziales Handeln, meist sogar konstruktiv. Was Sie treiben, kann man dann „digitalisierte Soziologie“ nennen, mit einem feinen Unterschied zur klassischen Soziologie, der darin besteht, dass Sie nicht nur erklären, sondern auch gestalten (entwerfen) wollen. Das tut die klassische Soziologie ex definitione nach Max Weber nicht.
Ich glaube Max Weber (1864-1920), der Berühmte, würde sich freuen. Die klassische Soziologen von heute würden verdutzt in die Weltgeschichte schauen. Es ist ja auch wundersam, auf einmal in einen ingenieurwissenschaftlichen Bereich zu geraten. Aber so ist „Digitalisierung“. Sie ist disruptiv, zerstörend. „Everything is toppled“ sagen die Amerikaner so schön und man hört im Englischen geradezu, wie etwas umfällt. Vielleicht ist das die klassische Soziologie?
Ihr
H. Wedekind