1) Tatsachenwahrheiten und Vernunftwahrheiten
Seit dem großen Philosophen und Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) unterscheidet man zwischen zwei unterschiedlichen Wahrheiten: Den Tatsachenwahrheiten (vérités de fait), z.B. „ Die Schlacht bei Waterloo fand am 18.6. 1815 statt“ und den Vernunftwahrheiten (vérités de raison), z.B. „7 + 5 = 12“. Da Leibniz sehr viel französisch publizierte (es war die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg), sind die französischen Bezeichnungen auch im Deutschen üblich geworden. Französisch war eine Art „Lingua franca“ zu der Zeit. Wenn nun heute im Zeitalter des Internets von „Fake News“ (Falschmeldungen) und ihre explosionsartige Zunahme gesprochen wird, was ist da gemeint? Eine Verletzung oder eine bloße Erfindung einer Tatsachenwahrheit (fait) oder eine Verletzung oder Erfindung einer Vernunftwahrheit (raison)?
2) Die Wahrheitsdefinition nach Tarski
Wer wissen will, was Falschmeldungen sind, sollte vorher auch wissen, was „Wahrmeldungen“ sind. Und dann geht es um den Wahrheitsbegriff, den keiner besser herausgearbeitet hat, als der bedeutende Logiker Alfred Tarski (1901-1983).
In einer Biographie über Tarski von J.J. O’Connor und E.F. Robertson steht der Satz:
“Tarski is recognized as one of the four greatest logicians of all time, the other three being Aristotle, Frege, and Gödel.”
Der Satz hat mich in Erstaunen versetzt, auch weil Leibniz nicht in der Biographie zum Kreis dieser illustren Vier gehört. Aber studierte Logiker konnten mir zeigen, weshalb gerade diese Vier die Logik entscheidend weitergebracht haben. Ich bin heute immer noch erfreut und beeindruckt, bei Alfred Tarski 1962 in Berkeley in einigen seiner öffentlichen Lehrveranstaltungen gesessen zu haben. Ich wurde von seinen Studenten, meinen Mitbewohner in einem Studentenheim, mitgenommen, um den berühmten Mann zu bestaunen.
Bei dem Buhei heute über Fake News sollte man auf ganz einfache Weise auf den Wahrheits- bzw. Falschheitsbegriff eines Tarski zurückkommen. Es ist etwas aus den Fugen geraten und man redet über „wahr“ und „falsch“ mit einer gewissen Beliebigkeit, d.h. von einer grundsätzlichen Austauschbarkeit von Mittel und Zwecken. In der modernen Soziologie nach Michel Foucault fällt sogar der Ausdruck „Wahrheitspolitik“ als ein politisches Streben von Links- Intellektuellen. Dann fehlt uns eigentlich nur noch ein Wahrheitsministerium wie in Orwells Roman „1984“. Zugegeben, das ist bösartig, aber naheliegend. Man spricht heute auch von Postfaktischer Politik. Es ist den Vertretern gleichgültig, das Fakten oder Tatsachen wirkliche Sachverhalte sind, die abstraktiv auf wahren Aussagen beruhen. Zuerst kommt bekanntlich die Wahrheit einer Aussage und dann die Wirklichkeit einer Tatsache. Auf falschen Aussagen beruhend spricht man häufig auch von Fiktionen. Es ist nämlich so, dass die Wirklichkeit schweigt, sie redet nicht. Wir erschließen uns die Welt u.a. über Aussagen in irgendeiner Sprache. Man stelle sich das Chaos einer postfaktischen Jurisprudenz vor. Heute ist es noch so, dass ein logisch angreifbares Urteil einen stichhaltigen Revisionsgrund liefert. An Wahrheitsjurisprudenz zu denken, ist kafkaesk („Der Prozess“!), bedrohlich. Die Jurisprudenz unterwirft sich der Logik und fragt nach Geltungssicherung „quid iuris“, oder was gilt?
Kommen wir zurück zur Alfred Tarski:
Tarski definiert mit einem Beispielsatz fast trivial, aber raffiniert, was Wahrheit und was Falschheit ist:
(1) Die Aussage „ Schnee ist weiß“ ist wahr dann und nur dann, wenn Schnee weiß Ist.
Und genauso:
(2) Die Aussage „ Schnee ist weiß“ ist falsch dann und nur dann, wenn Schnee nicht weiß ist.
Die Aussage (2) „Schnee ist weiß“…. nennt man heute eine Fake News und Tarski definiert uns also simpel, was eine Fake News ist. Man muss lediglich sein Beispiel mit dem Schnee allgemein als Schema formulieren, was hier unterbleiben soll.
Die Beispielsätze (1) und (2) sind insofern raffiniert, als Tarski durch die simplen Anführungsstriche den Satz Der Schnee ist weiß auf eine andere Sprachstufe hebt, die Metastufe, Stufe der Erwähnungssprache (mention language) oder auch zweite Sprachstufe genannt wird. Auf dieser Ebene urteilt man über einen Satz, ob ideser Satz wahr oder falsch ist, je nachdem, ob eine wirkliche Tatsache vorliegt oder nicht. Die Grundlage für das Urteil steht auf der ersten Sprachstufe, auch Objektstufe genannt, seine Bewertung mit „wahr oder „falsch“ ist auf der zweiten Stufe zu finden.
Jetzt kommen wir zu aktuellen Sätzen:
(3) Die Aussage „Trump twittert ‘ Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel ‘ “ ist wahr dann und nur dann, wenn Trump twittert ‘Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel‘.
(4) Die Aussage „ Trump twittert ‘Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel‘ “ ist falsch dann und nur dann, wenn Trump nicht twittert ‘ Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel‘
Man sieht, dass eine geschachtelte Aussage vorliegt, ein äußere umgrenzt von doppelten Anführungszeichen („ ..“ ) und eine innere gekennzeichnet durch einfache Anführungszeichen (‚ ..‘). Die innere Aussage ist eine durch Donald Trump bekannte Fake News, was natürlich nachzuweisen ist.
Also ist zu zeigen:
Die Aussage ‚Es gibt keinen menschengemachten Klimawandel‘ ist falsch genau dann, wenn es einen menschengemachten Klimawandel gibt.
3) Der Nachweis von Fake News
Fake News wie diese müssen nachgewiesen werden. Wie macht man das?
Das Problem mit unserem populären US – Präsidenten (er steht jeden Tag in der Zeitung) kann man am besten darstellen, wenn die Mittel der Dialogischen Logik mit ihren Dialogregeln herangezogen werden, was auch schon im Blogbeitrag „Populismus“ behandelt wurde. Denn was anderes als Populismus ist das nicht, was wir aus Washington zu hören bekommen. Schön wäre es, wenn Washington die einzige Quelle für Populismus wäre. Das ist aber nicht so. Es sprudelt munter in der ganzen Welt seit es das Internet gibt. Was tiefenpsychologisch dahinter steckt ist schwierig zu beurteilen. Es wird dunkel und man schaut in düstere Abgründe.
Die Dialogische Logik kennt keine dialogisierende Personen, sondern Rollen und zwar die eines vorschlagenden Proponenten und die eines angreifenden Opponenten. Eine der beiden Rollen gehört sicherlich der Wissenschaft, repräsentiert durch die Klimatologie. Die andere Rolle übernimmt Donald Trump. Wir starten zwei Dialoge. Einmal ist die Klimatologie der Proponent (vorschlagend) und Trump der Opponent (angreifend), und das andere Mal umgekehrt: Trump ist der Proponent und die Klimatologie der Opponent. Mal sehen, was in den beiden Versionen herauskommt.
Bild 1: Logischer Dialog um „ Aus Forschung folgt, der Klimawandel ist substanziell menschengemacht“
In einem logischen Dialog gewinnt einer (ok), der andere verliert dann (nok).
Nun der Rollentausch: Trump als Proponent (vorschlagend) und die Klimatologie als Opponent (angreifend).
Bild 2: Logischer Dialog um „ Der Klimawandel ist nicht menschengemacht“
Der Dialog mit Trump als Proponent ist wie alle populistischen Dialoge, die eine These ohne oder nur mit dürftiger Begründung in die Welt setzen, schnell zu Ende. Trump stellt zu Anfang seine These auf 1). Die Klimatologie als Opponent antwortet mit einer Negation 2). Trump sollte den Regel entsprechend in 3) auf eine schlichte Negation als Verteidigung antworten. Das geht aber nicht; auf eine schlichte Negation gibt es keine Verteidigung. Mit einer Gegennegation zu antworten, bedeutet, man lässt ein Rede und eine dazu gehörige Gegenrede beliebig lange zu. Das wäre dann aber ein Filibustern, eine parlamentarische Dauerrede, die logisch nicht zugelassen ist, weil logische Dialoge dialogdefinit sind: Nach endliche vielen Schritten gewinnt der eine (ok), der andere verliert (nok). Trump verliert auch als Proponent. Das ist eigentlich der Skandal. Als Opponent in einem Begründungsdialog zu verlieren ist Schicksal und Aufklärungsarbeit, das kann passieren und ist vielen schon passiert. Es ist auch wichtig, denn es trägt zur Wahrheitsfindung bei.
Leider Gottes ist es auch in der Politik so, dass über Meinungen dialogisiert wird. Wenn Meinungen auf Wissen einer ordentlichen Wissenschaft freffen, sehen Meinungen alt aus. Folgen wir Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“, dann ist „meinen“ subjektiv wie objektiv ein unzureichendes Fürwahrhalten. Ein subjektives als auch objektives Fürwahrhalten ist nach Kant das, was wir „wissen“ nennen, und ist damit auch eine Angelegenheit der Logik. Man sollte in einer „Meinungspolitik“ keine logischen Termini wie „wahr“ oder „falsch“ benutzen. Man will aber über diese Worte eine Ernsthaftigkeit hochkommen lassen, die gar nicht vorliegt. Trump, nur ein krasser Fall, wie viele Politiker, sind in ihren Reden, die bloß Meinungen sind, nicht ernst zu nehmen. Die Folgen ihrer Reden sind dann auch, was wir alle sehen. Vertrauensverlust, überall. Man redet über „die da oben“.
Von Hegel (1770-1831) stammt der bekannte Wahrspruch:
„Wenn die Tatsachen nicht mit der Theorie übereinstimmen – umso schlimmer für die Tatsachen“.
Wenn man an unsere ökologische Bum-Bum-Politik als eine Theorie im Hegelschen Sinne denkt, dann ist der Spruch blanke Ironie, oder vielleicht doch schon Sarkasmus?
In vielen Reden, auch von Nicht-Politikern, werden Meinungen geäußert. Da es nach der Meinung einiger Wissenschaftstheoretiker eh nur unwiderlegte Hypothesen gibt, sind Meinungen allgegenwärtig.