Haftung und Kontrolle. Die Problematik der Euro-Corona-Bonds

1. Der Begriff „Eurobond“

Wir lesen bei Wikipedia unter EU-Anleihe:

„Als EU-Anleihe (auch Eurobond, Euro-Staatsanleihe oder Gemeinschafts-, bzw. Unionsanleihe genannt) wird eine bislang nicht realisierte, aber kontrovers diskutierte Art von Staatsanleihen in der Europäischen Union oder der Eurozone bezeichnet. Bei dieser Art Anleihe würden EU-Staaten gemeinsam Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen, die aufgenommenen Mittel unter sich aufteilen und gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung und Zinsen dieser Schulden haften.“

 

2. Gesamtschuldnerische Haftung

Der Begriff „Haftung“ (liability) lässt sich aus dem Begriff „Verantwortung“ (responsability) ableiten. Wer von „Verantwortung“ spricht, sieht ein Handeln in seiner Wirkung. Nur über die Wirkung kann ein Handeln  gegenüber anderen Personen gerechtfertigt werden. Im Haftungsjargon nennt man den für eine Wirkung Verantwortlichen den Schuldner (debtor). Sein Gegenüber heißt Gläubiger (creditor). Die Wirkung nennt man Leistungspflicht des Schuldners, für die er haftet.

Ein gesamtschuldnerische Haftung (joint liability) liegt dann vor, wenn bei mehreren Schuldnern der Gläubiger sich  den Schuldner zur Leistung  aussuchen darf, von dem er z.B. die geschuldete  Leistung am einfachsten einfordern kann. Das ist in der Regel der potenteste Schuldner. Der wiederum hat einen Anspruch gegenüber  seinen Mitschuldnern auf eine anteilige Vergütung.

Die Rechtsmaterie „Haftung“ ist in den meisten Menschen geläufig. Sie verstehen im Theater, wenn dort ein Schild zu lesen ist: „Für die Garderobe wird nicht gehaftet“. Man weist darauf hin, dass es  keine Überwachung (Kontrolle) gibt und man deshalb den Haftungsausschluss bekannt geben muss. An diesem einfachen  Beispiel wird deutlich, dass Haftung und Kontrolle (Überwachung) nicht trennbar sind, was natürlich auch handlungstheoretisch begründet werden kann. „Wer haftet, der soll auch kontrollieren “. Oder in Kontraposition dazu:“ Wer nicht kontrolliert, der  soll auch nicht haften“. Man kann das auch zu einer moralischen Regel umdeuten, was auch häufig getan wird.

Ebenso kann man auf Spielplätzen lesen:  „Eltern haften für ihre Kinder“, womit gemeint ist, dass Eltern ihre Kinder überwachen sollen (Kontrolle) und ein Haftungsausschluss nicht möglich ist.

Der Begriff „ gesamtschuldnerische Haftung“ ist den meisten Menschen kaum  geläufig und  er muss daher eingeübt werden, was auch in Sachen Eurobons offensichtlich  nötig ist.  Man sollte es nicht für möglich halten, aber die gesamtschuldnerische Haftung (joint liability) ist, obwohl so einfach zu verstehen, in der EU ein äußerst strittiger Begriff, der die Union  zur Explosion bringen könnte. Süd kämpft gegen Nord. Streng genommen ist das  für Kulturnationen beschämend. Die Europäische Union (EU) entstammte einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Jetzt, auf die Schnelle,  unter dem Druck der Corona-Krise auch eine Europäische Sozialunion (ESU) daraus zu erweitern, wird scheitern, allein schon wegen der Komplexität der Materie. Wenn überhaupt, dann sind mindestens 10 Jahre dazu erforderlich. Der Vertrag von Maastricht (1992) mit seiner wichtigen Nicht-Beistands-Klausel (No-Bailout-Klausel), der heute schon durchlöchert  ist, weil er nicht eingehalten wird (z.B. Defizitregel und Verschuldungsvorschriften), ist völlig neu zu konzipieren. Trotz allem werden Eurobonds von italienischen Politkern und Journalisten auch in der deutschen Presse (FAZ) (31.3.2020) hartnäckig gefordert.

 

3. Kontrolle (Überwachung)

Man kann „Kontrolle“ auch noch archaisch sehen, wie z.B. Wikipedia unter dem Stichwort (Kontrolle) uns in historischer Absicht einführt. „Kontrolle ist die Überwachung oder Überprüfung eines Sachverhalts oder einer Person und somit ein Mittel zur Herrschaft oder Gewalt“. In demokratischen Staaten werden Regelwerke, die zu kontrollieren sind, per Beschluss in die Welt gesetzt und man verpflichtet sich zur Regeltreue, heute auch „compliance“ genannt. Es kann nun sein, dass südeuropäische Staaten immer noch diesen alten Kontrollbegriff im Sinne haben und eine Unterwerfung befürchten. Kontrolle im demokratischen Sinne geht auf Augenhöhe vor sich; es gibt kein oben und unten. Und, darüber hinaus, wenn einer sich nicht in die Karten gucken lassen will, dann hat er in der Europäischen Union nichts zu suchen. Man kann über Hilfen à la Marshallplan nachdenken, aber um Gottes willen in jedweder Konstruktion den Gedanken einer Haftung außen vor lassen, weil das zerstörerisch für Europa wäre.

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