Das Feuilleton der Zeitungen ist randvoll mit Berichten über den Rassismus. Man knöpft sich sogar die Vergangenheit vor und landet u.a. bei Immanuel Kant (1724- 1804), der auch als Rassist entlarvt wird. Feuilletonliteratur ist meist Entlarvungsliteratur. Dabei ist das Phänomen doch von den Grundlagen her ganz einfach zu erklären; man braucht z.B. keine politische Soziologie. Man schaue nur auf die Sprachanalyse, und dann ist nur eine halbe Schreibmaschinenseite erforderlich, um zum Ziel zu gelangen. Das werden wir tun.
Wir beginnen zur Erklärung des Phänomens mit einem All-Satz. All-Sätze sind Sätze, die mit einem „All“ beginnen, also z.B. „Alle x haben die Eigenschaft y“. Wenn empirische All-Sätze vorliegen, gelten sie also aufgrund einer Erfahrung. Rationale All-Sätze wie z.B. „Alle Kreise sind rund “ sind nicht gemeint. Im Begriff „Kreis“ ist „rund“ schon logisch angelegt. Empirische All-Sätze sind im Politischen üblich, rationale All-Sätze sind im Politischen uninteressant.
Ein rassistischer All-Satz als empirischer All-Satz sieht z.B. wie folgt aus:
„Für alle Personen, die Neger oder Juden oder Romas oder Frauen sind, gilt, dass diese Personen minderwertig in ihren Begabungen sind“.
Man erkennt, dass nur der weiße Mann in einem Extrem-Rassismus als nicht-minderwertig übrigbleiben soll.
Halb-formal: ∀x (Wenn x eine Person ist, ein Neger oder Jude oder Roma oder eine Frau ist) → dann ist x auch minderwertig in Begabung“.
Rassismus fußt auf empirischen All-Sätzen, die zu widerlegen sind
Knöpfen wir uns diese All-Sätze mal vor. Seit Popper (1902-1994) wissen wir, dass empirische All-Sätze nicht beweisbar sind, sie sind nur widerlegbar; Popper sagte falsifizierbar. Und das ist bei rassistischen Sätzen ein Leichtes. Man greift sich ein x heraus und zeigt, dass dem nicht so ist, wie behauptet; und schon klappt der ganze Satz wie ein Kartenhaus zusammen. Er ist eben falsch, wie Logiker sagen. Und aus Falschem folgt irgendwas, „quodlibet“, sagen die Logiker, die aber leider nicht viel in einer politischen Welt zu sagen haben.
Dass der rassistische All-Satz oben falsch ist, möchte ich anhand einer Anekdote aus meinem Leben erklären. 1962 fuhr ich auf einem Ozeanriesen, der „Neu Amsterdam“, von New York nach Rotterdam. Es ging nach Hause. Fliegen war zu dieser Zeit noch zu teuer. Die Überfahrt dauerte ca. 6 Tage. Es war reiner Zufall, dass der frisch gebackene „Master of Science, MS“ in Engineering aus Berkeley (Cal) sich die Schiffs-Kabine mit einem „Doctor of Philosophie, PhD“ in Chemistry aus Philadelphia (Pen) teilen sollte. Es war ein Glücksfall für mich, dass dieser Doktor der Chemie ein hochgebildeter schwarzer Mann war, mit dem man 6 Tage lang in der Kabine bis tief in die Nacht sehr interessante Gespräche führen konnte, nicht nur wissenschaftliche, auch politische. Er stieg leider in Le Havre aus, er wollte nach Paris. Ich fuhr weiter bis Rotterdam, dankbar, so einen Reisebegleiter gehabt zu haben. Wenn ich heute daran denke, wie man All-Sätze falsifiziert, denke ich immer noch an meinen schwarzen Reisebegleiter. Wir sind damals, so glaube ich, Freunde geworden.
Lieber Hartmut,
eine wirklich passendes und amüsierliches Erlebnis zum Thema Rassismus, Deine Geschichte mit dem unerwarteten Zimmernachbar
Klaus Hoss