Über die Reputation des Politischen Islams

1. „Terror hat mit dem Islam nichts zu tun“.  Heute ein geflügeltes Wort.

Ein „geflügeltes Wort“ ist eine Redewendung, die Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hat. Ein weiteres, altes  geflügeltes Wort unserer Tage  wird Donald Trump zugesprochen: „Der Starke ist am mächtigsten allein“ (Schiller, Wilhelm Tell).   Auch geflügelte Worte haben leider den Nachteil, dass sie bewiesen werden müssen, damit keine leeren Worthülsen stehen bleiben. Präsident Trump steht am Anfang des Beweises, der Islam ist demgegenüber schon fast am Ende, dem Rest der  Welt zu zeigen, dass Terror nichts mit dem Islam zu tun hat.

2. Das Böse und die Vernunft

In Sachen „Grundfragen der Moral“ unterscheidet sich der Islam nicht wesentlich von westlichen Moralvorstellungen.

Der Berliner Professor Oswald Schwemmer , ein Ex-Erlanger, schreibt zum Thema „Das Böse“  in der Mittelstraßschen Enzyklopädie folgendes:

„Das Böse, zunächst weniger ein Terminus der Ethik als vielmehr der Religion: Die Macht, durch die Unglück, Schmerz und Leid herbeigeführt werden kann. Ethisch relevant wird das Böse, wenn nicht mehr nur von einer bösen Macht, sondern auch von einem bösen Willen geredet wird. Im Unterschied zum moralisch oder sittlich Falschen ist das Böse dann dadurch zu bestimmen , dass es nicht nur nicht vernunftbestimmt, sondern durch Vernunft überhaupt nicht bestimmbar ist.“

Diese Feststellung Schwemmers  könnte vielleicht  jeder Moslem unterschreiben, wenn er nur einigermaßen zugänglich ist. Dabei ist  natürlich die Frage zu stellen, ob er den Satz mit dem zentralen Terminus „Vernunft“ mit westlichem Inhalt überhaupt versteht.  Anna Akasay hat sich 2007  in einer Schrift „ Glauben und Vernunft im Islam“  von  der Bundeszentrale für Politische Bildung  kritisch mit dem Vernunftbegriff  im Islam auseinandergesetzt. Sie schreibt u.a.:

„Auch konservative Autoren plädieren oft für eine Verwendung der Vernunft, damit die muslimische Welt ihren Rückstand gegenüber dem Westen überwindet. Ihre Grundannahme ist dabei erneut die einer grundsätzlichen Harmonie von offenbarungsgestützter und vernunftgestützter Erkenntnis. Letztere kann zu einer Korrektur einzelner Interpretationen der religiösen Autoritäten führen, den Grundwahrheiten des islamischen Glaubens kann sie allerdings nicht entgegenstehen.“

Vernunft als Mittel, um den Rückstand gegenüber dem Westen zu überwinden?  Frau Akasay verwechselt offensichtlich  Vernunft mit Verstand. Die Vernunft oder Transsubjektivität (Überwinden der eigenen Subjektivität) setzt Zwecke und Ziele zum Handeln, der Verstand hingegen beschäftigt sich mit unserer Erfahrung. Um die Rückständigkeit gegenüber dem Westen zu überwinden, bedarf es der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) und der Medizin. Das sind im Kern  Verstandes- und keine Vernunftfächer, wie z.B. die Humanwissenschaften. Die Medizin ist gespalten, gehört auch nicht zum MINT und ist nur angelagert. Verstandesfächer werden, und das ist üblich,  nicht nur von Moslems als schwierig empfunden und deshalb  auch  gerne gemieden. Mit jungen Studenten  aus Aleppo habe ich mit Büchern zur Höheren Mathematik (Differential und Integral) und von mir mit PC-ausgestattet im Restaurant gehockt (free lunch for them). Die blieben auf einmal fort. Der assimilierte  Wirt aus Jordanien meinte, aber auch weil ich am Tisch beim Mathematik-Unterricht Bier getrunken habe, was die beiden offensichtlich als Schande empfanden. Mich hat das Islam-Erlebnis in einer Wirtschaft vom Stuhl gehauen. Aber, ohne Integralrechnung kann man keine Flugzeuge bauen. Ob das klar ist? Fast alles im „MINT“ läuft bei uns theoriegestützt ab.

Fazit: Um weiter reden zu können, müssten wir erst einmal damit beginnen, den westlichen Vernunftbegriff  zu erläutern, was hier nicht geschehen kann. Wir kämen dann unweigerlich zum Thema „Aufklärung“ (enlightment), die noch nicht einmal der bedeutende deutsche  Politiker  Cem Özdemir  versteht, wenn er behauptet, auch die Türkei hätte eine Aufklärung erlebt. Er meint wahrscheinlich die Zwangsreformen von 1924  durch Ata Türk. Auch Atatürk,  wie auch Cem Özdemir  und Frau Anna Akasay sehen den selbstverschuldeten  Aufholbedarf  des Islam als Anwendung einer Vernunft. Eine systematische Auseinandersetzung mit dem, was Schwemmer  aufklärerisch Vernunft nennt, erscheint schwierig. Wenn man aber einen guten Willen vorrausetzen kann,  müsste das an anderer Stelle, nicht hier, auch  möglich und nicht hoffnungslos  sein. Die Rückständigkeit zu überwinden, die auch der Arabic Human Development Report  (AHDR) der UNO beklagt, könnte durch ein empfohlenes „leapfrogging“  (Froschspringen  à la China) über ganze Entwicklungsperioden hinweg gelingen, was auch in unserem Blogbeitrag „Aufstieg und Niedergang der arabischen Welt“ behandelt wird.

3. Unsere Schwierigkeiten:
Der humanitäre Mekka- und der despotische Medina-Koran

Wie die Bibel als heiliges Buch, so hat  sich auch der Koran in der Zeit entwickelt. Auch  er ist nicht als Ganzes auf einmal vom Himmel gefallen.  Wenn Westler über den Koran schreiben, dann ist das in der Regel hochgradig vermittelt. Einen direkten Zugang haben sie nicht, weil sie kein Arabisch können und eine Systematik vermissen, die in der Bibel durch den nachvollziehbaren Zeitablauf angedeutet wird. Wir sind also auf Korankenner angewiesen. Wir benutzen als Quellen,  einmal eine Arbeit „Mekka und Medina“ des bekannten Professors Dr. Mouhanad Korchide aus Münster  und  dann ein Buch „ Mohamed. Eine Abrechnung“ des ägyptischen Politikwissenschaftlers Hamed Abdel-Samad. Der eine ist ein vorsichtiger Amtsträger, der andere ein Apostata, der mit dem Islam gebrochen hat.

Korchide in „ Mekka und Medina“ schreibt:

„Mohammed zog eine klare Trennlinie zwischen dem, was er als Gottes Gesandter verkündete, und dem, was er als seine Meinung vortrug. Ähnliche Situationen wiederholten sich oft. Für die Gefährten des Propheten war diese Unterscheidung zwischen beiden Funktionen selbstverständlich. Dagegen betrachten islamische Gelehrte heute die Bemühungen Mohammeds in seiner Funktion als Staatsoberhaupt als Teil seiner göttlichen Verkündung. Alle juristischen Regelungen und die gesamte Gesellschaftsordnung in Medina – dazu gehören auch die Geschlechterrollen – erscheinen daher als kontextunabhängige, verbindliche göttliche Gesetzgebung, der alle Muslime unterliegen.“

Ist  demnach die  gelehrte Verbreitung  des Korans nach Korchide  ein verheerender Riesenirrtum mit kaum zu überschauenden Folgen für die Welt? Ab ovo ist der Islam, so gesehen, eine krasse Fehlentwicklung. Zwischen  einer Offenbarung und Lenkungsregeln für einen Staat „Medina“ besteht ein gewaltiger Unterschied, der verwischt wird. Im Gegensatz zur Bibel hat man den Koran kaum unvoreingenommen „sine ira et studio“ wissenschaftlich betrachtet. Da scheint der Hund begraben zu liegen. Der Hund liegt in einem Mangel an Wissenschaft und damit  Aufklärung.

Weil Korchide Morddrohungen erhielt, auch wegen seines bekannten  Werkes zur Barmherzigkeit, stand er unter Polizeischutz, lesen wir bei Wikipedia. Es ist seine  theologische Position, die das islamische Establishment in Deutschland  offensichtlich bekämpft. Morddrohungen sind im Westen eine schwere Straftat, hoch-kriminell.

Die andere Quelle, Hamed Abdel-Samed, sagt  uns das mit der Zweigesichtigkeit des Korans auch, nur mit viel schärferen Worten, die man so ab Seite 151  in seinem Buch nachlesen kann. Auch er wird durch eine  kriminelle Todes-Fatwa bedroht. Was aufhorchen lässt, ist: Abdel-Samed kommt  unmittelbar zur Sache  und vergleicht den terroristische Islam à la IS und Al Kaida mit der uns aus Italien bekannten Mafia. Die Mafia dreht den berühmten Satz von Karl Popper über die westlichen Werte einfach um. Aus „The open society und its enemies” wird mafiös “The closed society and its friends“.

Bei Kant können wir nachlesen, dass auch Verbrecher ein Regelwerk befolgen müssen, wenn sie überleben wollen und nicht die Absicht haben, sich gegenseitig umzubringen. Das ist bei der Mafia auch so. Das wissen wir in Europa, nicht nur in Italien. Nun hören wir von Hamed Abdel-Samed, der den Koran  nach eigenen Angaben auswendig heruntersagen kann, das sei bei den terroristischen Regimen à la IS und bei Al Kaida auch so, und das Regelwerk sei  der Koran.

So gesehen ist der Spruch, das geflügelte Wort:“ Der Terror hat nichts mit dem Islam zu tun“ ein Teil eines  Märchens, in diesem Fall eines Arabischen Märchens.

Der berühmte Spruch im Deutschen:“ Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert“ gilt für Einzelpersonen und ist harmlos. Bei  Bevölkerungsmassen, die ruiniert und ungeniert leben, kann die Schnittfläche zu einer baldigen  Explosion führen. Das zu sehen, ist nicht schwer. Das geflügelte Wort „Der Terror hat mit dem Islam nichts zu tun“ drückt ein Unbeteiligtsein, eine Passivität  aus, wo  doch  eine aktive Unterstützung des  Kampfes gegen den Terror, gegen das Böse auf allen Ebenen verlangt wird. Der Terror, das Böse ist mit westlicher Vernunft nicht zu begreifen. Das ist der Punkt. Ratlos stehen wir in der Welt, was auch Samuel Schirmbeck in seinem Buch „Der islamische Kreuzzug und der ratlose Westen“  näher ausführt.

Es gibt einen Weg, und das auch an die Adresse von Herrn Korchide in Münster. Für  alle Glaubensarten kann es  aus meiner Sicht im europäischen Sinne nur den Weg der kantischen Abstraktion zu e i n e r Religion hin geben, wie er im Blogbeitrag „Vom Glaubens-Terrorismus zur Religion“ beschrieben wurde. Das ist Aufklärung durch Selbstdenken.

 

 

Ein Kommentar zu „Über die Reputation des Politischen Islams

  1. Erich Ortner (Konstanz) schrieb am 31.01.2017 den folgenden Kommentar:

    Jemand, der sich an der Vernunft orientiert, kann per definitionem (hier Kant & Schwemmer) nicht böse handeln. Das Gute und das Böse sind keine Vernunft-Kategorien, sondern die von Religionen. Da gibt es Gutes und Böses „von Haus aus“.

    Und Religion ist ja nach Meinung vieler nur Privatsache, gehört somit nicht zu Debatten über eine „res publica“ (öffentliche Sache). Dagegen gehört „Transsubjektivität“ (als Einstellung von Diskutanten), d. h. ein Vernunft-Terminus und kein Verstand-Terminus, sehr wohl zu den Eigenheiten von Diskutanten über „öffentliche Angelegenheiten“.

    „Vernunft“ ist das Wort, das die Form einer rationalen Argumentation vorschreibt, damit die Beratungen zu einem allgemeinen freien Konsens führen können. Diese Form muss transsubjektiv (d. h. nicht festhaltend an den Eigenheiten und partikularen Bindungen der Diskussionsteilnehmer) sein. Jede Subjektivität muss in den Beratungen schrittweise eliminiert werden. Das ist das Prinzip vernünftigen Argumentierens (Lorenzen, Lehrbuch der … S. 251).

    Der politische Islam (aber auch Anhänger anderer Religionen) denken nicht so „aufgeklärt“!!! Und damit denken sie nicht selbständig, sondern abhängig von eigenen oder aufoktroyierten „Eigenheiten“ selbst- oder fremdversklavt.

    Vernunft als letzter Zufluchtsort der Menschheit. Auf allen anderen Gebieten, z. B. beim Verstand als „Speicherort“ für Verfügungswissen sowie für Ausführungsbeschreibungen von Prozessen, sind uns die Roboter bald überlegen. Die Unterscheidung von Vernunft und Verstand ist somit für jeden Menschen (als Element seiner Bildung) schon bald essentiell.

    Was gibt es da (mit ein bisschen „guten Willen“) an dem Beitrag nicht zu verstehen? Und Wikipedia hilft übrigens auch.

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