1) Einführung
„Übersetzen“ als sprachliches Problem kann auch bildlich als „über-setzen“ von einem Ufer auf das andere gedeutet werden. Der Übersetzer eines Textes kann gesehen werden wie ein Fährmann auf einer Fähre zwischen zwei Ufern. Denken wir mal an die vielen Fähren auf dem Rhein, zwischen Deutschland und Frankreich. Das ist eine Metapher, eine ins Bildliche übertragene Sprache, die zur Anschaulichkeit beitragen soll.
Abb.1 Über-setzen als Metapher
Greifen wir auf einen historischen Text zurück, der schon vor langer Zeit aus dem Deutschen ins Französische übersetzt wurde. Wir denken an das alte Soldatenlied:
„Ich hatte einen Kameraden, einen Besseren findest du nicht“
Sehr genau, mehr oder weniger Wort für Wort ins Französische übersetzt, wird daraus:
„J’avais un camarade, un meilleure tu ne trouves pas“
Man nennt Deutsch in unserem Falle die Quell- und Französisch die Zielsprache. Professionellen Übersetzern krümmt sich der Magen, weil unsere Übersetzung zu Deutsch klingt. Das ist zu anfängerisch. Es kommt der folgende Vorschlag:
„J‘avais un camarade, le meilleure d’ici bas”
Aus dem romantischen Deutschen “Suchen und Finden” wird im zweiten Teil ein „ici bas“, ein „hier unten“, dem natürlich ein „da oben“ („là-haut“) gegenübersteht. Statt „Suchen und Finden“ denkt man vermeintlich Französisch in einem „Unten und Oben“. Man erkennt, in der Übersetzung soll die französische Welt des Irdischen und des Himmlischen nachempfunden werden. Da ist keine Romantik, da ist Metaphysik im Spiel. Ist das noch eine Übersetzung oder ist das schon eine Interpretation, eine Deutung?
Mit dieser Frage sind wir jetzt schon mitten drin in einer wissenschaftlichen Disziplin, Hermeneutik genannt, eine Kunstlehre der Interpretation, des Auslegens, des Deutens von Texten. Leider gibt es keine Theorie der Hermeneutik, es gibt nur eine Vielzahl von Stückwerken als Kunstlehre.
Wie so häufig bei Texten, die aus dem Fremdsprachigen zu uns kommen, liegt in unserem Fall auch eine Gemengelage vor, teils Übersetzung, teils Interpretation. Der erste Teil „J‘avais un camarade“ ist Übersetzung, der zweite Teil „ le meilleure d’ici bas“ ist Deutung, ist Interpretation.
2) Gibt es eine Theorie des Übersetzens?
Nein, es gibt keine Theorie des Übersetzens, weil es keine Theorie des Sinnes eines Satzes gibt. Wohl gibt es Ansätze zu einer Theorie des Übersetzens, die z.B. bei Kuno Lorenz unter dem Stichwort „Übersetzen“ in der Enzyklopädie von Mittelstraß zu finden sind. Auf diese Ansätze greifen wir zurück. Einmal ist es die Sinngleichheit (=), die zwischen Quell – und Zieltext verlangt wird, ein theoretisches Konstrukt ersten Ranges; zum anderen ist eine präzise Unterscheidung von Übersetzung und Interpretation hervorzuheben. Z.B. sind bei N. Chomsky zwei Ausdrücke sinngleich oder synonym, wenn sie dasselbe mentale Schema repräsentieren. Das ist tiefgründig und schwierig zu verstehen.
In Abb. 2 wenden wir uns der Übersetzung zu, die auf derselben Sprachstufe stattfindet.
Abb. 2 Übersetzung auf der 1. Sprachstufe (Objektsprache)
Unser deutscher Satz findet man im Französischen auf derselben 1. Sprachstufe wieder. Man nennt die 1. Sprachstufe auch die Stufe der Objektsprache. Das Gleichheitszeichen (=) zwischen Quell- und Zielsprache bedeutet Gleichsinnigkeit (Synonymität).
Bei einer Interpretation in Abb.3 wird der deutsche Satz auf eine 2. Sprachstufe transportiert. Sie wird Stufe der Metasprache genannt. Das Phänomen der Unterscheidung zweier Sprachstufen liegt auch in der Regel beim Fremdsprachenunterricht für Anfänger in der Schule vor. Z.B. lehrt ein Lehrer in Deutschland im Französisch – Unterricht in deutscher Sprache als Metasprache das Französische als Objektsprache. Französisch als Gegenstand können die Schüler ja noch gar nicht, und Deutsch wird vorausgesetzt. Wer in Deutschland kein Deutsch kann, kann auch kein Französisch lernen.
Abb. 3 Interpretieren auf der 2. Sprachstufe (Metasprache)
Die Frage ist, ob zwischen dem Quell- und Zieltext bei einer Interpretation Gleichsinnigkeit herrscht. In der Hermeneutik spricht man von einem „Hinzufügen.“ Fügen wir etwas hinzu, wenn wir sagen „ le meilleure d’ici bas“, statt zu sagen „einen Besseren findest du nicht“?
Die Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden.
Und so wissen wir nicht, wenn wir übersetzte Texte lesen, wer da redet, der Autor oder der, der den Text übertragen hat. So entstehen Verirrungen.
Darüber mache ich mir schon sehr lange Gedanken. Ich versuchte ein türkisches Gedicht ins Deutsche übersetzen, aber dann hab ich feststellen müssen, dass der Wert zunichte gemacht wird. Denn jedes Wort hat seine Geschichte, seine eigene Seele und Farbe. Im Koran gibt es das Wort Diener nicht. Diener wird im deutschen Sprachgebrauch eher als herabwertend benutzt. Jemanden dienen, der Diener,… Allah spricht nicht mit uns so herabwertend. Meine Diener sagt Allah nicht. Nach dem Motto, meine Sklaven, Untertanen. Nein, wir haben einen sehr sehr barmherzigen Allah. Natürlich hat Er das Recht dazu. Er kann uns nennen, wie Er will, aber das letzte was Allah will, ist es uns zu kränken. In der türkischen Übersetzunh steht da „Kul“ und die Geschichte und die Seele von kul ist eine ganz andere. Kul meint eine Person, die in Allah’s Augen wertvoll ist. Deswegen liebe ich unsere Sprache. Sie ist sehr barmherzig und emotional im Vgl. zu Deutsch, eher hölzern und kalt. Die türkische Übersetzung zieht die Menschen hin zu Allah, aber die Deutsche in meinen Augen nicht. Genau das Gegenteil. Ich weiß nicht, vllt. leben wir unseren Glauben ganz anders und intensiver aus. Denn sonst gäbe es ja das Wort nicht dafür. Zbsp gibt es das Wort Schnee nicht in Afrika in ihrer eigenen Sprache, weil sie es nicht kennen sagt man.
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