Man muss beim Publizieren furchtbar aufpassen, insbesondere als Regierender, sonst wird man beschimpft oder hart kritisiert, ob gerecht oder ungerecht soll dahingestellt bleiben. Ein herausragender Kritiker der Regierenden mit ihrer Energiewende und ihren Think-Tanks oder Denkfabriken à la Agora ist der FAZ- Redakteur Jasper von Altenbockum. In einem Leitartikel vom 20. Mai 2023 mit dem Thema „Der grün-erneuerbare Komplex“ stellt er der Regierung die Frage, ob das, was sie da treiben, noch „unabhängige Wissenschaft, geschönte Wirklichkeit, oder schon knallharte Interessenpolitik ist?“ Und dann die bissige Frage „Wissen das die Beteiligten überhaupt noch?“ Seine Antwort: Die Energiewende ist längst zu einem Gegenstand von eifrigen Lobbyisten geworden.
Dass Wissenschaft sich vorwiegend um Genauigkeit ihrer Aussagen kümmern muss und dass Interessenpolitik sich auf den eigenen Geldbeutel konzentriert, ist bekannt. Aber was hat die von Altenbockum hervorgehobene „geschönte Wirklichkeit“ für eine Bewandtnis?
Wir erinnern uns an einen Podcast des berühmten marxistischen Philosophen Ernst Bloch (1885 -1977), der uns belehrt, dass Ideologien als (trügerische ) Verschönerungen unserer Welt aufzufassen sind. In seinem 3 – bändigen Magnum Opus „Das Prinzip Hoffnung“ spricht er auf Seite 178 im ersten Band davon, dass „falsches Bewusstsein“ allein nicht ausreicht, eine ideologische Einhüllung zu vergolden. Dass es also noch mehr erfordert, und er meint damit sein Generalthema, und das ist die „Utopie“. Kern einer Verschönerung, einer Ideologie ist also ein „falsches Bewusstsein“, ein zentraler Begriff bei Karl Marx, den Bloch liebgewonnen hat. Wir lernen von Karl Marx in drastischer Sprache: „Falsches Bewusstsein heißt, leben zu glauben, während man den eigenen Tod produziert“.
Was ist dann aber ein Bewusstsein (lat. conscientia) überhaupt. Die philosophische Literatur zu diesem Thema füllt Bibliotheken. Wenn man es einfach fasst, kann man sagen, dass Bewusstsein angesammelte Erkenntnisse über die Welt ist. Man muss zum Verständnis „Bewusstsein“ aber abgrenzen von dem, was man Postulate nennt. Das sind Erfordernisse von Anfang an, ohne die so ziemlich nichts läuft. Man muss an die Vernunft des Menschen glauben, Kant spricht von Vernunftglauben. Postulate ist ein Terminus der Philosophie. In der Geometrie des Euklids spricht man von Axiomen. Z.B. “ Das Ganze ist größer als seine Teile“ oder „ein Körper ist, was Länge, Breite und Tiefe hat.“ Auch in den Staatswissenschaften kennt man nicht beweisbare Erfordernisse, Postulate (Axiome). Man denke an das Bockenförde- Diktum. Es besagt „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“.
Bürgerlich einfach sagt man „ Voraussetzungsfrei ist nichts“, und es wird laufend vorausgesetzt. Wir leben in einer hochvermittelten Welt.
Wenn man falsche Voraussetzungen macht, ist das etwas anderes als ein falsches Bewusstsein zu haben, im Sinne von Karl Marx. Erkenntnisse bauen auf Postulaten auf in dem Sinne, wenn die Postulate falsch sind, sind auch die Erkenntnisse falsch.
Was ist an der Agora, der Think-Tank der Regierung zu kritisieren? Energiewende ist im Kern ein ingenieurwissenschaftliches Thema, weil es um Mittel zum Erreichen vorgegebener Zwecke geht. Politisch wird das Thema erst, wenn es um die Zweckbestimmungen geht. Die Ingenieure im Kern, die entwerfen und entwickeln, haben in den letzten hundert Jahren eine Terminologie (Fachsprache) entwickelt, die in einem Think-Tank verstanden werden muss. Wer über Wärmepumpen wie der Think-Tank redet, muss einen Begriff davon haben, was ein thermodynamischer Kreisprozess ist. Denn die wichtigen Effizienzparameter, die auch politisch bedeutsam sind, werden aus Kreisprozessen abgeleitet. Leider gilt auch bei uns das Prinzip „ Engineers are on tap not on top“. Ingenieure sind zum Anzapfen da, an die Spitze gehören die nicht. Was dabei herauskommt, ist z.B. in Sachen Energiewende für jedermann sichtbar.
Dass es sich bei Wärmepumpen um einen linksdrehenden Prozess handelt, der gegen den Uhrzeigersinn arbeitet, ist seit den deutschen Ingenieuren Carl von Linde (1842-1934) und Rudolf Plank (1886-1973) bekannt. Den linksdrehenden Prozessen stehen die rechtsdrehenden Prozesse unserer Kraftwerke (fossil oder atomar) im Uhrzeigersinn gegenüber. Das sind Wärmekraft- und keine Kraftwärme-Prozesse wie die Wärmepumpen. Begrifflich, nicht entwicklungstechnisch muss das dem Think-Tank, der Denkfabrik klar sein. Das Linksdrehen erkennt man z.B. leicht an einem T-s Diagramm (Temperatur-Entropie-Diagramm) für Wärmepumpen.
Wir leben in einer Welt der theoriegestützten Technik, die viel zustande gebracht hat. Das kann man von einer theoriegestützten Politik, die den Frieden stabiler machen sollte, nicht behaupten.
Zum Schluss zitieren wir nochmals den FAZ- Artikel von Jasper von Altenbockum:
„Es gibt an den Universitäten Deutschlands kompetente Ingenieure, Klimatechniker und Energiewissenschaftler. Es gibt Institute, Labore und Verbände, die zwar nicht zum inneren Kreis der grünen Kampfzone gehören, aber seriöse Arbeit leisten. Panik müsste in Berlin nur ausbrechen, wenn es anders wäre.“
Ob Heizung oder Kühlschrank, unterm Strich bleibt es in der Bilanz immer gleich.
Die eigentlichen Probleme sind Überbevölkerung für das Ökosystem Erde, keine nachhaltigen Prozesse, unsichere Lebensbedingungen für die meisten Menschen und ausbleibende Gerechtigkeit von den Massen aus gesehen.
Sprache & Sachverhalt
Ich glaube, die erweiterte Abstufung, Sprache und Sachverhalt, von Jasper von Altenbockum (FAZ), dreht um eine Stufe weiter, nämlich so:
– Wissenschaftssprachen und unabhängige Wissenschaft,
– Blocksprachen und geschönte Wirklichkeit,
– Gebrauchssprachen und knallharte Interessenpolitik sowie
– Privatsprachen & verführte Gefolgschaft.
Jetzt fragt sich, wo man da durch Sprachkritik etwas besser erklären und ggf. korrigieren kann?