Seit sechs Monaten leben wir – Jonas, Imogen und Sofian – jetzt in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, auf 2.850 Metern Höhe in den Anden und ganz in der Nähe des Äquators. Seit unserer Zusage im Juni 2022 durch Prof. Dr. Perdita Pohle, der Koordinatorin des ISAP-Programmes, waren wir vor allem mit der Organisation unseres Aufenthaltes beschäftigt: Studierendenvisum, Wohnung, Flüge und alles weitere, was man für einen längeren Aufenthalt 10.000 Kilometer von Zuhause entfernt benötigt. Vor allem die Höhenlage bereitete uns, die geographisch eher an das mittelfränkische Becken assimiliert waren, zunächst Sorgen. Doch uns ging es von Anfang an gut, wir hatten weder Kopfschmerzen, noch Übelkeit. Nur beim Treppensteigen waren wir schneller aus der Puste als in Deutschland.
An der FLACSO (Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales) in Quito sind wir herzlich empfangen worden, von der akademischen Vizedirektorin Dr. María Fernanda López, der Dekanin Dr. Anita Krainer aus Österreich sowie weiteren Professor:innen und Mitarbeiter:innen, welche generell aufgrund der geringen Anzahl an Studierenden einen sehr familiären Umgang untereinander und zu den Studierenden pflegen.
Einführungsveranstaltung, FLACSO Ecuador, Quito
Da die FLACSO ausschließlich weiterführende Studiengänge (Master, Promotion) anbietet, und somit zahlreiche Studierende neben dem Studium arbeiten, finden die Kurse vor allem abends von 17-20 Uhr statt. Zudem sind wir als Stipendiat:innen vier Stunden täglich Teil unterschiedlicher Arbeitsgruppen („Laboratorios“). Sofian gibt im Rahmen des „Laboratorio de Interculturalidad“ Deutschunterricht an einem Gymnasium, organisiert kulturelle Feste (wie das bolivianische Neujahrsfest „Fiesta de las Alasitas“) und übernimmt weitere organisatorische Aufgaben. Imogen und Jonas sind Teil des „Observatorio de Conflictos Socioambientales” bei Dra. Ivette Vallejo. Sie beschäftigen sich mit den Bergbaukonflikten im Land und planen ein Forum mit verschiedenen Expert:innen und Aktivist:innen aus dem Bereich. Jede:r Teilnehmer:in recherchiert zu einem spezifischen Konflikt in Ecuador und arbeitet dabei die unterschiedlichen Akteur:innen, Typologie des Konfliktes, sowie den öffentlichen Diskurs heraus. Alle zwei Wochen trifft sich das Observatorio, um sich über die Fortschritte der Recherche und die Planung weiterer Veranstaltungen auszutauschen.
Verkauf von Miniaturen zur “Fiesta de las Alasitas”, FLACSO Ecuador, Quito
Sofian mit Teilnehmer:innen des Deutschkurses, Colegio Pachamama, Tumbaco
Eine weitere Aufgabe ist die Pflege des Universitätsgartens, welcher sich auf dem Dach der FLACSO befindet und nach Jahren der Pandemie mit unserer Mithilfe reaktiviert wurde.
Gemeinschaftsarbeit zur Reaktivierung des Universitätsgartens, FLACSO Ecuador, Quito
Die Auswahl der insgesamt drei Seminare, aufgeteilt auf zwei Module (zwischen Oktober und Dezember sowie zwischen Januar und März) standen uns offen, je nach Gestaltung unseres Modulplans an der FAU. Jonas und Sofian belegten daher Kurse aus dem Studiengang „Estudios Urbanos“, mit Inhalten über die Disparitäten zwischen den Einwohner:innen lateinamerikanischer Metropolen, Klimawandel und urbaner Nachhaltigkeit sowie der Anwendung quantitativer und qualitativer Methoden in den Sozialwissenschaften. Imogen wählte Kurse aus den Studiengängen „Género y Desarrollo“ und „Antropología“, die sich mit den Grundlagen feministischer Theorien mit Fokus auf lateinamerikanische Kontexte, sowie der Geschichte und Anthropologie des Amazonasgebiets beschäftigen.
Da die Kurse nur schwer mit Veranstaltungen an deutschen Universitäten vergleichbar sind und somit nicht wirklich in das ECTS-System zu integrieren sind, wurden wir mit einem hohen Workload konfrontiert, konnten allerdings auf die Unterstützung seitens der Professor:innen der FLACSO sowie unserer Kommiliton:innen zählen. Letztere sind allesamt spanische Muttersprachler:innen, kommen jedoch aus den verschiedensten Ländern Lateinamerikas. Dies unterstreicht den interkulturellen Charakter der FLACSO, die damit ein einzigartiges Lernumfeld bietet.
Neben den Seminaren hat die FLACSO ein vielseitiges Angebot an Veranstaltungen wie z.B. Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen, Messen, Feste, die dazu einladen, sich über die Kurse hinaus mit spannenden Themen und Persönlichkeiten auseinanderzusetzen und sich zu vernetzen. In Quito selbst gibt es außerdem viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. An Wochenenden und Feiertagen ist es reizvoll die einzigartige biologische Vielfalt Ecuadors für Ausflüge zu nutzen. Beispielsweise waren wir im November in Mindo im Bergnebelwald, nur zwei Stunden von der Stadt entfernt. Nördlich von Quito liegt Otavalo, mit dem größten Handwerks- und Kunstmarkt des Landes, wohin wir freundlicherweise von einer Arbeitskollegin des Laboratorio de Interculturalidad eingeladen wurden.
Pause auf dem Weg nach Otavalo, zusammen mit Mg. Diana Hinojosa und ihrem Sohn Felipe
Im Rahmen des Kurses „Antropología e Historia Amazónica“ bestand die Möglichkeit, an einer Exkursion nach Tena am Rande des Amazonasbeckens teilzunehmen. Zudem fanden in dem Kurs „Sostenibilidad Urbana y Cambio Climático“ regelmäßig Exkursionen in und um Quito statt. Generell erwies sich das Studium an der FLACSO als sehr forschungs- und praxisnah, sodass wir hier viel dazulernen konnten.
Exkursion in den Regenwald im Rahmen eines Seminars zur Geschichte des Amazonasgebiets, Tena
Exkursion zu einer städtischen Kläranlage im Rahmen eines Seminars zu urbaner Nachhaltigkeit, Quitumbe, Quito
Neben den bereichernden Inhalten für unser weiterführendes Studium konnten wir durch unsere Kommiliton:innen und Freund:innen auch wertvolle Erfahrungen sammeln und unsere interkulturellen Kompetenzen weiterentwickeln. Auch wenn der Workload über ein reguläres Semester in Deutschland hinaus ging, waren die Inhalte allesamt sehr interessant und spannend. Zudem konnten wir alle unser Spanisch verbessern und haben tolle Menschen kennengelernt.
Gipfel des Cotopaxi
von Imogen Smith, Jonas Wohlfahrt, Sofian Benniz