Genderisieren beginnt damit, dass Gender*sternchen verwendet werden, um das soziale Geschlecht, also das Geschlecht in gesellschaftlichen Zusammenhängen der Menschen schriftsprachlich herauszustellen. Gender ist ein Lehnwort aus dem Englischen. Unterschieden wird „Gender“ vom biologischen Geschlecht (lat. sexus).
Wir wollen das „Sternchen-Phänomen“ aus drei Perspektiven betrachten: Von der heiteren Seite, von der ernsten und dann von der philosophischen Seite, also tiefgründiger.
1) Genderisieren von der heiteren Seite
Eine Publikation der Uni Bielefeld beschert uns mit den 10 wunderschönen Beispielen und Anredeformen zur Genderisierung:
- Im Kulturangebot ist für jede*n etwas dabei.
- An dem Forschungsprojekt sind dreißig Mitarbeiter*innen beteiligt.
- Der*die Lehrer*in schreibt den Notendurchschnitt an die Tafel.
- Melden Sie sich mit Ihrem Nutzer*innenkennwort an.
- In der Checkliste findet ein*e Studierende*r, was er*sie in den ersten Wochen erledigen muss.
- Wer sein*ihr Tablet verloren hat, kann es beim Hausmeister*innenservice abholen.
- Die Absolvent*innenbefragung wird in Kürze ausgewertet.
- Wirtschaftswissenschaftler*innen untersuchen Konsument*innenverhalten.
- Eingeladen sind langjährige Partner*innen aus aller Welt.
- Hier tauschen sich alle Rektor*innen aus.
Und die Anredeformen:
- Sehr geehrte Professor*innen
- Liebe Kolleg*innen
- Prof*in
- Dr*in
- Dipl.-Päd*in
Besonders eindrucksvoll ist das obige Beispiel wegen dreier Sternchen in einem Satz an 5. Stelle:
„In der Checkliste findet ein*e Studierende*r, was er*sie in den ersten Wochen erledigen muss“.
Mit Sprachökonomie hat das nichts mehr zu tun. Die Texte werden deutlich verlängert. Sprachökonomisch soll zwischen Sprecher (Schreiber) und Leser (Hörer) ein möglichst geringer Aufwand gewährleistet werden. Das ist hier nicht der Fall.
Wegen der Weihnachtszeit werden die Sternchen oben rot angemalt. Weinachten ist doch ein heiteres Fest. Das Beispiel ist eindrucksvoll, weil gezeigt wird, dass in radikaler Form auch die Pronomina (Fürwörter) z.B. „er“, „sie“, mit Sternchen versehen werden. In Amerika habe ich die Schreibweise „he/ she“ kennengelernt. Auf Anfrage sagte man mir damals: „That’s women‘s lib (liberation)“. Das war so um 1960. „Women’s lib“ gab es bei uns noch nicht. Genderisierung ist also eine Importware aus Amerika. Die Amerikaner(innen) gehen sogar so weit, dass auch die Possessivpronomina (besitzanzeigende Fürwörter), z.B. „his/her“ genderisiert werden, auch wenn es keine Pronomina sind. Im Lexikon Webster (1991) steht unter dem Eintrag „Herstory“ = “History used esp. in feminist literature and in women’s studies as an alternative form to distinguish and emphasize the particular experience of women.” Man darf also auch in deutscher Schreibweise mit Sternchen schreiben: „His*Herstory“.
„History“ kommt vom Lateinischen „historia , ae, f“. Amerikaner(rinnen) wissen das offenbar nicht, was traurig stimmt. Das ist Unbildung par excellence oder unsystematisch, weil „his“ in history kein Pronomen ist. Aber man will halt krampfhaft die eigene feminine Geschichte herausstellen; koste es, was es wolle.
Wir bleiben heiter im Gemüt.
2) Genderisieren von der ernsten Seite
Die ernste Seite, und an der sind wir schon nahe dran, zeigt uns Prof. Glück aus Bamberg, ein Linguist; er argumentiert wissenschaftlich in seinem Artikel „ Wissenschaftsfremder Übergriff auf die deutsche Sprache“ in: Forschung & Lehre 12/20. Glück bezieht sich auf ein offizielles Dokument, veröffentlicht auch in Forschung & Kehre 10/2020, mit dem Titel „ Handlungsempfehlungen der Bundeskonferenz der Frauen-und Gleichstellungsbeauftragten (BFGB) an Hochschulen“. Ein herausgestellter Satz von Glück lautet:
„Die BFGB weiß offensichtlich nicht, was „generisch“ in der Linguistik bedeutet“.
Man unterscheidet nicht nur in der Linguistik, die empirisch angelegt ist, sondern auch in der Sprachlogik zwischen Arten (engl. species) und Gattung (engl. genus). Aus „genus“ (lat.) wird das Wort „generisch“ abgeleitet. Wir erklären eine Gattung an den Arten „Lehrer“ und „Lehrerin“. Das sind Arten wie „Mann“ und „Frau“. Wir kommen auf eine höhere Sprachebene, die der Gattungen, indem wir eine Gleichheit zwischen den Arten herausstellen. Die Gleichheit ist nicht total, das wäre ja eine Identität, sondern nur partiell, in einer gewissen Hinsicht. Bei den Lehrern und Lehrerinnen soll die Gleichheit z.B. funktionsgleich heißen, weil wir z.B. annehmen, dass beide das Fach Englisch auf Sekundarstufe 1 lehren können. Die Funktion lautet also Englischlehre auf Sekundarstufe 1. Die Abbildung zeigt den Übergang von den vorgefunden Arten „Lehrer“ und „Lehrerin“ zu einer Gattung. Man muss jetzt einen Gattungsnamen finden, und wir wählen, wie üblich, die männliche Form, was Ärger geben wird.
Abb: Art und Gattung
Wichtig aber ist der Doppelpfeil (↔) auf der Artenebene, der den Namen „funktionsgleich“ trägt. Das ist eine Äquivalenzrelation, also ist sie reflexiv, symmetrisch und transitiv, wie man in einer logischen Propädeutik erfährt. Nur über eine Äquivalenzrelation (↔) komme ich in die Höhe der Gattungen.
Das Ganze, was wir da treiben, nennt man einen Abstraktionsvorgang. Gattungen sind also Abstracta. Das kann man auch mit der Äquivalenz „Mann ↔ Frau“ exemplifizieren, eine Äquivalenz, die schon grundgesetzlich gefordert wird, und zum Gattungsbegriff „Mensch“ als Abstractum führt. Leider Gottes heißt es „der Mensch“ und nicht „die Menschin“ Also wieder ein generisches Masculinum. Das ist aber im Französischen mit „homme“ genauso.
Wir bleiben heiter im Gemüt.
3) Genderisieren von der philosophischen Seite
Kuno Lorenz (*1932) ist ein führender, noch lebender Philosoph auf dem Gebiete der philosophischen Logik. Er hat 1990 ein Buch mit dem Titel „Einführung in die philosophische Anthropologie“ veröffentlicht. In seinem Vorwort wendet er sich an den Leser, um ihm die Entstehungsgeschichte des Buches zu erklären. Und dann fügt er hinzu:
„Die Leserinnen aber mögen mich nicht für herzlos halten, dass ich sie grammatisch dem Maskulinum zuordne; nur kopflos können Formen der Sprache für Formen der Welt gehalten werden“.
Das Wort „herzlos“ sollte in diesem Zusammenhang heute mit „ nicht gender-sensitiv“ übersetzt werden. Denn Kuno Lorenz will sagen, dass ihm das Gleichstellungsproblem schon voll bewusst ist. Aber bitte nicht kopflos, sagt er.
Was Sprachformen anbetrifft, so erfahren wir aus dem Internet-Beitrag “Translate Media“, dass „Sprachen wie Finnisch, Ungarisch, Estnisch, Türkisch, Indonesisch und Vietnamesisch überhaupt keine grammatikalischen Geschlechter kennen.“ Das sind aber keine indo – europäischen Sprachen. Indo – europäischen Sprachen kennen ein grammatisches Geschlecht. Wir lesen in Wikipedia:
„Die zu der indo-europäischen Sprachfamilie gehörenden Sprachen zeigen weitreichende Übereinstimmungen beim Wortschatz, in der Flexion, in grammatischen Kategorien wie Numerus und Genus sowie im Ablaut“.
Frage: Was macht die Genderisierung mit Sternchen, wenn nicht die Form einer indo-europäischen Sprache mit Geschlecht zur Debatte steht?
Wir bleiben heiter im Gemüt, weihnachtlich heiter.
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