Künstliche Intelligenz

Alan Turing (1912-1954)

Wer über Künstliche Intelligenz redet, kann nicht umhin, sich zunächst mit dem Genie der Abstraktion, dem Logiker, Mathematiker und Informatiker  Alan Turing zu befassen.  Turing war eine ganz außergewöhnliche Erscheinung. Nicht umsonst wurde der bedeutendste Wissenschaftspreis der Informatik nach ihm benannt. Er hat die Theortische Informatik begründet, hat die deutsche Verschlüsselungsmaschine ENIGMA im 2. Weltkrieg erfolgreich analysiert und nicht zuletzt hat er den uns hier interessierenden  Turing-Test  „zum  Überprüfen des Vorhandenseins von künstlicher Intelligenz“ (KI) entwickelt.  Über den Test kann künstliche Intelligenz definiert werden. Das ist der Punkt, den wir machen wollen.Turing war  nebenbei auch ein bedeutender Leichtathlet, der sich verletzungsbedingt  im Marathonlauf leider nicht für die Olypischen Spiele 1948 in London qualifizieren konnte.

Der Turing -Test

Wie so häufig in der moderen Welt landen wir, wie schon mehrmals  in diesem Blog, im Lande der Abstraktion. Bei einem Alan Turuing sollte  uns das nicht wundern. Wichtig für uns ist die Test-Anordnung, wie sie im Bild unten gezeigt wird.

 

 Draufsicht auf den Turing-Test

Wir nehmen an, hinter einer undurchsichtigen Wand befinden sich ein Mensch und eine Maschine (in der Regel ein Computer). Auf eine Aufforderung hin, eine Handlung zu vollziehen, erreichen den Empfänger zwei Antworten (responses), die wir x und y nennen. Sollte bei der Maschine Intelligenz vorliegen, müssten die Antworten für den Empfänger aus der Hinsicht eines Nutzers ununterscheidbar sein. Der Empfänger kann nicht entscheiden, von wem die Anwort stammt: Von einem Menschen, dem Intelligenz zugemessen wird, oder von einer Maschine, die sich um Intelligenz „bewirbt“. Anwort x und Anwort y sind für den Empfänger äquivalent. Als Antwort x und Antwort  y kann der Empfänger eine sprachliche Äußerung (utterance) oder einen Vorgang (process) erwarten, z. B. den Vollzug eines Schraubvorganges. Als  Beispiel für eine sprachliche Äußerung für x oder y  wählen wir mal Goethes Gedicht „Sah ein Knab  ein Röslein stehn..“ auf Englisch bitte, damit man auch  die Grenzen der KI erkennt. Eine Antwort auf  die Frage „Wie ist das Wetter heute?“ ist uns zu einfach.

Die Turing-Bedingung lautet:

x äquivalent zu y

Auf dieser Äquivalenzrelation lassen sich bespielhaft  folgende Abstraktionen gründen:

  1. Intelligenz von x als Schraubvorgang = Intelligenz von  y als Schraubvorgang
  2. Intelligenz von x als Goethegedicht auf Englisch = Intelligenz von y als Goethegedicht auf Englisch

Es ist offensichlich, dass die Intelligenz-Abstraktion beim Schraubvorgang möglich ist, weil Schraubperationen, zwar mit Mühe, schematisierbar sind. Gelingt die Schematisierung nicht, ist auch ein  Abstraktionsversuch vergeblich.

Beim Goethegedicht (z.B. „Sah ein  Knab ein Röslein stehn,..) ist die Sache wesentlich schwieriger, vielleicht aus philologischer Sicht sogar unmöglich, weil sich  dichterische Sprache nur schwer schematisieren lässt. Da steckt viel  Kulturtiefe drin. Man sollte  generell immer die Grenzen eines Ansatzes aufzeigen, was wir hiermit tun. Die Grenzen der künstlichen Intelligenz sind durch die Schematisierbarkeit gegeben. Algorithmen sind natürlich Schemata, aber nicht alle Schemata sind auch Algorithmen, was schon im Blog diverse Male ausgeführt wurde.

Abstraktion

Die Lehre von der Abstraktion ist ein gutes Stück Erkenntnistheorie oder Epistemologie. In der Epistemologie wird die Frage beantwortet: “ Was gilt?“. In der gegenüberstehenden Ontologie fragt man sich: „Was ist oder was existiert?“. Es ist ein Jammer , dass sich die Informatik und angrenzende Gebiete fast auschließlich mit Ontologie befassen und den anderen Turm der Philosophie, nämlich die Epistemologie völlig außer Acht lassen. Dabei ist Epitemologie heute viel wichtiger, weil im Zeitalter einer Disruption eine neue Geltung in unserem Leben hochkommt.

Rückblickend wird in den folgenden Blogbeiträgen die omnipräsente  Abstraktion behandelt:

„Sapere aude!“ und „Disrupt yourself“

In seinem berühmten Aufsatz “ Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ stellte Immanuel Kant (1724-1804) schon im ersten Absatz die Forderung auf: “ ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!‘ ist also der Wahlspruch der Aufklärung“.

In seinem neuen Buch „Disrupt yourself – Vom Abenteuer sich in der digitalen Welt neu erfinden zu müssen“ verlangt  Chrstoph Keese von uns mutig  ein völliges Neuüberdenken unserer Lebenslage, wobei wir über unseren eigenen Schatten springen müssen. In der Tat: Wir stehen in einer Zeit wie vor 200 Jahren als die Aufkärung und die  Industrialisierung begann. „Künstliche Intelligenz “ ist ein Thema unserer Zeit. Eine Handreichung, wie die Disruption zu geschehen hat, liefert uns in unserem Blog Volker Stiehl mit seinem Beitrag: “ Digitalisierung: Ein Prozessproblem “  (5.August 2018).

PS.: Angeregt wurde dieser Blogbeitrag durch eine Übungsaufgabe im Buch (Seite 112) von Rüdiger Inhetveen “ Logik – Eine  dialogorientierte  Einführung“ (2003).

 

 

 

 

6 Kommentare zu „Künstliche Intelligenz

  1. Etwas als Prozess darzustellen, nennt man in der Informatik Programmierung. Menschliche Denk- und Handlungsprozesse lassen sich für den Computer nicht (immer) in allen Schritten eindeutig und genau darstellen. Das liegt z. B. an der intensionalen Abstraktion, mit der ein Computer nichts anfangen kann, wohl aber der Mensch. Man kann Entscheidungen, die auf der intensionalen oder inhaltlichen Abstraktion der Menschen basieren auch durch Trial & Error Operationen eines Rechners extensional nicht (eindeutig) simulieren. So einfach ist das: künstliche Intelligenz ungleich natürliche oder menschliche Intelligenz.

  2. ‚Saw a Knab standing a little rose‘. Das ist die verlangte, aber nicht angebotene Übersetzung von ‚Sah ein Knab ein Röslein stehn‘ durch Google Translator. Füge ich im deutschen Text im dritten Wort den Buchstaben ‚e‘ ein, so entsteht ‘Saw a boy standing a little rose‘. Mehr gibt dieses Beispiel für mich nicht her. Was das Ganze mit Abstraktion zu tun hat, habe ich schon mindestens zehn Mal gefragt. Ich kann Informatiker nur davor warnen auf Philosophen (oder ihre Apologeten) zu hören.

    1. Als ich Ihre kümmerliche Übersetzung las, machte ich mich sofort daran, um es besser zu machen (man-like nicht machine –like). Ich fing an:
      „A boy walked around and saw a rose
      A little rose in the heath..”
      Dann schaute ich in die Suchmaschien und fand das ganze Gedicht professionell (man-like) übersetzt:
      https://germanstories.vcu.edu/goethe/heiden_dual.html
      Das schaff ich als Amateur nicht in der Qualität. Also habe ich meinen Versuch aufgegeben.
      Jetzt kommt der Punkt, auf den Herr Ortner in seinem Kommentar schon aufmerksam gemacht hat. Es ist die intensionale Abstraktion, die bei allen Übersetzungen, nicht nur in der Poesie von zentraler Bedeutung ist. Nicht einfaches Übersetzen, sondern sinngleiches oder bedeutungsgleiches Übersetzen, darauf kommt es. Man spricht auch von Synonymität, und das ist die Äquivalenzrelation , die zu einer intensionalen Abstraktion führt. Ob die Künstliche Intelligenz das in der Poesie je kann, darf bezweifelt werden. Ich glaube nicht daran. Dazu ist Poesie viel zu vielschichtig und zu sentimental. Übersetzungen auf diesem Gebiete sind immer nur Versuche.
      Aber Informatiker, die im Übersetzungsgeschäft landen, müssen schon wissen, was eine intensionale Abstraktion auf der Basis einer Synonymität ist. Das ist ihr Job!

      1. Jetzt ist es klar. Die Abstraktion Goethes ist die engelgleiche Wolke (engl. cloud), in der man sich befindet, wenn man singt: ‚Rosbud, rosebud, rosebud red; rosebud in the heath‘.

        1. Nunmal ernsthaft:
          Bei der Übersetzung von Poesie kann ein poetisch veranlagter Übersetzer leicht selbst zum Dichter werden. Das sollte er eigentlich nicht. Wenn die Übersetzung „schön“ sein soll, wird sie aber häufig zum „Eigengebräu“. Das lässt sich nicht verhindern, auch nicht durch eine Synonymitätssperre (Sperre der Gleichbedeutung) bei der Abstraktion.
          „Sentimente“, das ist nix für KI. Das ist wichtig festzustellen.

          Dass sich eine Übersetzung verselbstständigt, kann auch bei Normaltexten passieren. Denken Sie nur an Homonyme, ein gleichlautendes Wort mit zig- verschiedenen Bedeutungen, die nur im Kontext bestimmt werden können.

          Übersetzen ist eine Wissenschaft für sich. Es gibt ganze Hochschulen, die sich damit beschäftigen. Ich denke nur an Germersheim, hier bei Speyer.

  3. Ich habe Ihren Blog – Eintrag sorgfältig gelesen und verstehe, dass Sie es für wichtig erachten, zwischen den Fragen „Was ist?“ und „Was gilt,“ klar zu unterscheiden. Auch ich halte diesen Unterschied für sehr wichtig:
    (1) Fragen „Was ist?“ beziehen sich auf Gesetzmäßigkeiten eines Systems. Man versucht, die Elemente und Prozesse eines Systems zu verstehen. Naturwissenschaftler verwenden Kriterien, um zu entscheiden, was sie als richtig oder falsch erachten.
    (2) Fragen „Was gilt?“ beziehen sich auf individuelle Einschätzungen. Man versucht zu verstehen, wie sich unterschiedliche Perspektiven auf die Beurteilung von Situationen auswirken.

    Im Absatz ‚Abstraktion‘ betonen Sie, die unterschiedlichen Perspektiven (1) und (2) zu beachten, sagen aber nichts darüber, in welchen Situationen Sie sie anwenden. Meines Erachtens ist es angemessen, beide Sichtweisen als Einheit zu betrachten. Descartes Perspektive, dass Geist und Körper unterschiedliche Substanzen repräsentiert, gilt heute als überholt . Nach Descartes gehörte der Geist zur Welt der ‚denkenden Substanz‘ (res cogitans), der Körper zur Welt der ’nichtdenkenden Substanz‘ (res extensal).

    Wenn ich sie recht verstehe, versuchen Sie Im Absatz „Sapere aude!“, Ihre Sichtweise am Beispiel der französischen Aufklärung zu erläutern. Sie schlagen vor, sich bei Einschätzungen individueller Denkweisen an Kants Perspektive der französischen Aufklärung zu orientieren: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude ! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (Kants Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?)
    Meines Erachtens beantwortete Kant nicht die Frage „Was war die ¨gesellschaftliche Situation zu Zeiten der französischen Aufklärung. Kant äußert lediglich, dass die Ansichten der Vertreter der der französischen Aufklärung einen Beitrag geleistet haben, „sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen“ In diesem Sinn betrachte ich Kants Aussage übrigens nicht als.abstrakte Überlegung, sondern als pragmatische orientierte Hoffnung.

    Ich orientiere mich bei meine Sichtweisen an den Überlegungen der Vertreter französischen Aufklärung Voltaire und Denis Diderot. Beide versuchten durch konlrete Aktionen die Denk- und Verhaltensweisen ihrer Zeitgenossen zu beeinflussen.

    Voltaire gilt als einer der Väter der französischen und europäischen Aufklärung. In Frankreich nennt man das 18. Jahrhundert nicht nur «le siècle de lumière» (das Jahrhundert der Erleuchtung), sondern auch «le siècle de Voltaire» (das Jahrhundert Voltaires) “ Voltaire kritisierte die Missstände des Absolutismus und der Feudalherrschaft und den weltanschaulichen Monopolanspruch der katholischen Kirche . In der Darstellung und Verteidigung dessen, was er für richtig hielt, zeigte er ein umfangreiches Wissen und Einfühlungsvermögen in die aufgeschlossenen Vorstellungen einer gesellschaftlichen Elite seiner Epoche.

    Denis Diderot gilt als ‚Vater‘ der “Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers“ ((Enzyklopädie oder ein durchdachtes Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Handwerke) Diderots Hauptanliegen war, existierendes Wissen allen Bürgern der Gesellschaft verfügbar zu machen. Diderot musste sich übrigens gegen Versuche des Adels und des Klerus wehren, das Erscheinen der ‚Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné‘ zu verhindern. Diderot landete für seine Überzeugungen kurzzeitig im Gefängnis. Voltaire bescheinigte Diderot “pantophiles“ (herausragendes universales) Wissen.

    Die führenden Vertreter der Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert vertraten damals eine grundlegend neue Perspektive für die Betrachtung der Natur. Sie waren zwar nach wie vor überzeugt, dass der Mensch und die Natur einem göttlichen Schöpfungsakt zu verdanken sei. Sie waren sich aber sicher, dass Menschen nicht mehr ausschließlich göttlichen Eingebungen unterworfen sind. Eliten des 18. Jahrhundert waren noch der Ansicht, dass alle Phänomene der Natur mittels Methoden der Mathematik erklärt werden können. Im 21. Jahrhundert sind führende Vertreter der Wissenschaft der Ansicht, den Mythos zu begraben, dass Mathematik die absolut einzig gültige Methode sei, um Phänomene der Natur zu erklären.

    Ich denke hin und wieder, dass wir uns heute wieder in einer gesellschaftlichen Situation befinden, in der Aufklärung ein wichtiges Hauptanliegen ist. Wir stellen heute fest, dass gravierend Umwelt- und gesellschaftliche Probleme aufgrund politischer, ökonomischer und individueller Fehlentwicklungen und zu schneller gesellschaftlicher Veränderungen eintreten. Eine der Hauptursachen derzeitiger gesellschaftlicher Veränderungen betrifft die Veränderungen ökonomischer, speziell industrieller Prozesse. Ursprünglich handwerklich orientierte Produktionsprozesse und hierarchisch geregelte Arbeitsprozessen verändern sich langsam aber stetig zu automatisierten Produktionsprozessen und Computer – gesteuerten Arbeitsprozessen . Darüber hinaus ändern sich vermittels Computertechnologie menschliche Denk- und Verhaltensweisen.

    Unter heutigen gesellschaftlichen Umständen lautet eine Antwort auf die Frage „Was ist Aufklärung“: Der Glaube, aus selbst verschuldeten gesellschaftlichen Problemen vermittels l Nutzung ‚intelligenter‘ (KI – Funktionalität fähiger) Computertechnologie. herauszukommen und neue Probleme zu vermeiden, ist sorgfältig und und umfassend zu überdenken. Es wird immer darauf ankommen, sich „ seines eigenen Verstandes zu bedienen“.

    Die führenden Vertreter der Epoche der Aufklärung im 18. Jahrhundert vertraten damals eine grundlegend neue Perspektive für die Betrachtung der Natur. Sie waren zwar nach wie vor überzeugt, dass der Mensch und die Natur einem göttlichen Schöpfungsakt zu verdanken sei. Sie waren sich aber sicher, dass Menschen nicht mehr ausschließlich göttlichen Eingebungen unterworfen sind. Eliten des 18. Jahrhundert waren noch der Ansicht, dass alle Phänomene der Natur mittels Methoden der Mathematik erklärt werden können. Im 21. Jahrhundert sind führende Vertreter der Wissenschaft der Ansicht, den Mythos zu begraben, dass Mathematik die absolut einzig gültige Methode sei, um Phänomene der Natur zu erklären.

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