Metaphern

1) Die Kunst des Übertragens

Metapher (aus dem Griechischen (μεταφορα) für Übertragung) bedeutet, einen eigentlichen Wortsinn in einen übertragenen Sinn zu stellen. Unsere Sprache ist voll von Metaphern, was uns schon gar nicht mehr bewusst ist. In dem Satz z.B.: „Parteien sind aus dem Gleichgewicht geraten, sie unterliegen einer Fliehkraft, verleugnen ihren Schwerpunkt, weil sie ihre Programme nicht beschleunigen“ gibt es gleich vier Metaphern, die fett hervorgehoben sind. Metaphorische Rede ist eine uneigentliche Rede; es gilt alles (nur) im übertragenen Sinne. Man greift dabei gerne auf Begriffe der Mechanik zurück, weil Mechanik ein Großteil unserer Lebenswelt bestimmt. „Gleichgewicht“, „Fliehkraft“, „Schwerpunkt“ und „Beschleunigung“ sind wichtige Begriffe aus der Mechanik. Man will mit einer Metapher in der Politik sagen: „Es ist ja wie in der Mechanik“. Metaphern sind vergleichsbasiert.

Anlass zu diesem Beitrag gab mir die Lektüre eines Buches von Christoph Möllers  „Freiheitsgrade – Elemente einer liberalen politischen Mechanik“ (2020). Bei Möllers stehen die Metaphern schon unverborgen im Titel. Christoph Möllers ist Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt Universität in Berlin. Fasst man die Wissenschaften als Schubläden oder als Staaten auf, dann können Metaphern als Importware angesehen werden, die Grenzen überschreitet. Der Vergleich einer Metapher mit Importware ist schon wieder eine Metapher. Man könnte bei Importware also von einer Meta-Metapher sprechen. Bei Christoph Möllers ist Mechanik mit „Freiheitsgrade“ der Exporteur und Politik der Importeur.

Freiheitsgrad (engl. degree of freedom,) ist ein zentraler Begriff der Mechanik. Schon im ersten Semester im Ingenieurstudium wird der Begriff in der Vorlesung „Technische Mechanik“ ausgiebig, exakt und exportreif behandelt. In der Gleichgewichtslehre heißt es:  Entsprechend den drei Freiheitsgraden einer starren Scheibe in der Ebene gibt es für ein Gleichgewicht drei Gleichungen, die fordern, dass die Kräfte in x-Richtung und y- Richtung, den Freiheitsgraden, sich zu Null addieren. Dann passiert kein Verschieben (Translation). Darüber hinaus darf sich die Scheibe nicht drehen, insofern sollte die Summe aller Drehmomente gleich Null sein. Wenn wir für Körper wie z.B. einer Kugel  drei-dimensional reden, gibt es  sechs Freiheitsgrade, die in Wikipedia sehr schön dargestellt werden. Freiheitsgrad heißt Englisch „degree of freedom“ und nicht degree of liberty. „Liberty“, die uns als Figur und Allegorie bei der Einfahrt in den New Yorker Hafen begrüßt, ist ein institutioneller Begriff, während mit „freedom“ auch die  persönliche Freiheit gemeint ist. Man könnte sagen „Liberty is implemented by freedom“. Allegorien, vom Griechischen „etwas anders sagen“, αλλο αγορευειν), sind keine Metaphern. Es sind, wie bei der berühmten New Yorker Statue, häufig Verkörperungen, so wie z.B. auch eine Justitia-Figur mit verbundenen Augen und einer Waage in der Hand vor einem Gerichtsgebäude, die Gerechtigkeit allegorisch verkörpern soll.

Beim Exportieren und Importieren denkt man unweigerlich an David Ricardo (1772-1823), der in seiner Außenhandelslehre die Vorteilhaftigkeit des internationalen Handels mit seinem berühmten Beispiel „ Tuche aus England und Weine aus Portugal“ illustrierte. Internationale Arbeitsteilung steht im Mittelpunkt.  So ist das auch beim Übertragen mit Metaphern. Was soll sich ein Politologe oder Jurist mit Technischer Mechanik herumquälen, für die er mindestens 4 Semester braucht, wenn er dann nicht durch die gefürchteten Prüfungen im Vorexamen fällt. Hört man seit Trump heute von den vielen Sanktionen und Strafzöllen, so ist man im Sinne des liberalen David Ricardo entsetzt, auch weil der liberale Grundsatz „ World Trade through World Peace“  verletzt wird. Das war aber der Grundlagengedanke bei der Gründung der Europäischen Union 1957. Und um die Begriffsbestimmung des Liberalen geht es im Buch von Christoph Möllers; es geht nicht um den Liberalismus als Ideologie. Von Ideologien sagt man, dass sie, nach einem Wort von Ernst Bloch (1885-1977), zur Verschönerung der Welt und damit auch zum Verdrängen von Üblem gerne herangezogen werden.

Importe finden aber nicht nur von unten nach oben, sondern auch in umgekehrter Richtung statt, von der Welt der „humanities“ in den Maschinenbau. Nehmen wir den humanen Begriff der Toleranz und gehen wir in den Maschinenbau. Hier wurde Toleranz geradezu zu einem Zentralbegriff, insbesondere wenn es um Passungen von Wellen in Bohrungen geht. Toleranzen sind im Maschinebau zugelassenen Messabweichungen. Serienfertigung und Massenproduktion „lechzen“ geradezu nach Toleranzvorgaben. Eine deutsche Welle muss in eine chinesische Bohrung bei Einhaltung der normierten Toleranzen passen. Nicht nur das  Passen von Wellen in Bohrungen, sondern auch weitere technische  Toleranzen  wie Parallelität von Flächen, Rechtwinkeligkeit  von Flächen zueinander,  Konzentrizität von Teilepositionen, die Symmetrie von Anordnungen, etc. sind von großer Bedeutung. Von der humanen Toleranz ist im Maschinebau (da wimmelt es nur so von Metaphern) nicht mehr viel zu sehen. Es sind halt Importe aus den verschiedenen Disziplinen. Ein Drahtseil z.B. kann eine „Seele“ aus synthetischem Material im Inneren haben; und eine „Warze“ ist als Mitnehmer eine kleine Anhöhe auf einer flachen Ebene. Ein Vorsprung nennt man manchmal auch „Nase“, etc.

2) Liberalität

 Liberalismus ist nach Wikipedia eine Grundposition der politischen Philosophie mit dem Leitziel der Freiheit. Liberalität bedeutet Beweglichkeit auf einer Linie der Freiheitsgraden (degree of freedom), die von Christoph Möllers ausgiebig behandelt werden. Freiheit hat etwas mit Bewegung zu tun. Man spricht sogar von Bewegungsfreiheit (freedom of movement). Erzwungene Bewegungslosigkeit, wenn alles im Gleichgewicht ist und stagniert, hat im Gesellschaftlichen häufig bittere Folgen und wird von Herrschern aus Gründen des Machterhalts bevorzugt.

Wir schauen auf die Abbildung, um die Komplexität einer Freiheitslehre einigermaßen skizieren zu können. Wir  bewegen uns den Freiheitsgraden gemäß in einer Dreidimensionalität.

Abb.: Freiheitsgrade einer Liberalität (nach Möllers)

 

Der erste Freiheitsgrad wird durch das Begriffspaar:

„individuell – gemeinschaftlich“

beschrieben. Das will sagen: Man kann sich als Einzelner, oder in einer zunächst kleineren, dann aber auch in größeren sozialen Gruppen bewegen (Vereine, Parteien, Staaten).

 

Der zweite Freiheitsgrad betrifft das Paar:

„willkürlich – rational“

„Willkürlich“ heißt, man tut oder unterlässt etwas nach Belieben, nach Lust und Laune, was natürlich einem rational Denkende, einem vernünftig Handelnden diametral gegenübersteht.

 

Der dritte Freiheitsgrad hat das Paar

„informal – formal“

zum Gegenstand. „formal“ bedeutet nicht-inhaltlich, bloß regelhaft. Logik ist ein formales Fach. Es gibt Sätze, die gelten schon allein kraft der Form, also für jeden beliebigen Inhalt, der unerheblich ist.

Einleuchtend werden die Achsen, wenn man die Extrempunkte betrachtet: A, B. und C.

A, heißt: Bloße Gruppenbildung, regelfrei und vernunftfrei.  Man denkt heute in Corona-Zeiten unwillkürlich an die für die Gemeinschaft gefährlichen Saufkumpanen und Partylöwen à la Ballermann; auch die kommen in einem Liberalitätsdiagramm am Rande vor. Wenn man die verbieten würde, ziehen die sich in ihre Keller zurück. und machen dort trutzig weiter.

B, bedeutet rational durch und durch. Man stellt sich hier den Philosophen in seinem Kämmerlein vor, der Gefühle hasst wie die Pest und am liebsten deduziert und induziert.

 

C,  hier treffen sich die Meister des Formalen. Das sind Mathematiker und Logiker, die gerne axiomatisieren ,um so alle Gegenstände, die sie betrachten, implizit  definieren zu können.

 

In den Punkten A, B und C und dem Nullpunkt hauen wir Heringe in den Boden und spannen dann ein Zelt des Liberalen. Und schon wieder haben wir eine uneigentliche Rede, ein Zelt zur Darstellung einer überspannenden Freiheit. Betreten wir dieses Zelt und betrachten die Menschenmassen, so sehen wir, dass in dem Zelt Hauen und Stechen dominant sind. Damit Ruhe und Frieden einkehren, müssen Normen her, die gefälligst einzuhalten sind und begrenzen. Unbegrenzte Freiheiten kann es nicht geben.