Sitzen wir in einer Klimafalle?

1) Eine einfache Beantwortung der Frage

Der Ausdruck „Klimafalle“ stammt nicht von mir. Ich habe den Begriff 2007   in einem Radiogespräch im  SWR2  mit Prof. Konrad Kleinknecht  (*1940) von der Uni Mainz zur Kenntnis genommen. Er war von 2000 bis 2008 Beauftragter für den Klimaschutz  der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.  Das Thema im Radio vor 10 Jahren  hieß „Die Klimafalle  – Warum wir nicht auf Kernenergie verzichten können“ (link pdf). Seit dem Pariser Klimagipfel der UN von 2015 wird uns die Klimafalle bewusst. Deutschland versprach, bis 2020 die Emissionen (insbesondere natürlich die CO2-Emissionen) im Vergleich zu 1990 um 40 % zu senken. Es gilt heute (Ende 2017) schon  als gesichert, dass wir das Klimaziel bis 2020 nicht schaffen werden. Das Klimaabkommen wird von uns gerissen.  Wir sitzen eben in der von Kleinknecht 2007 prognostizierten Falle und zappeln. Die Frage, im Thema gestellt,  lässt sich also  leicht beantworten. Wir sitzen drin, in der Falle!  Wie kommen wir da wieder heraus?  Das ist die eigentliche Frage. Der Spott unserer anders denkenden   Klimanachbarn, die uns  alleine schon wegen unserer  Arroganz  beobachten, ist uns gewiss. Die Situation geht voll auf Kosten der Politiker mit ihren ideologischen, weltverschönernden Entscheidungen. Aber: Die Welt, auch in der Falle, geht weiter. Was kann der Zappelnde noch  tun mit Besonnenheit. Das ist  eine Tugend, die bisher fehlte. Der unbesonnene Ausstieg aus der Kernenergie, den Kleinknecht  befürchtete,  steht hier aber nicht zur Debatte. Es wäre zwecklos, weil es die Nation zerreißen würde. Was ein Naturwissenschaftler vom Range eines Konrad  Kleinknecht sagt, darf man nicht einfach beiseiteschieben, so  als käme es aus einer soziologischen Feder. Naturwissenschaftler, die an Verlaufsgesetze und exakten Prognosen  geschult wurden, sind ernst zu nehmen. In seinem Werk von 2015 mit dem Titel „ Risiko Energiewende-Wege aus der Sackgasse“ versucht Kleinknecht, das Beste aus unserer misslichen Situation zu machen.

2) Das „Kunststück“

Abb.: Das  regelungstechnische Kunststück im Netz

Was wir erleben, wenn wir ein Licht  anknipsen, ist  ein großes  Kunststück, vielleicht liegt sogar ein Wunder vor. Die Lampe brennt mit konstanter Helligkeit und flackert nicht.  Und das, obwohl auch wegen der hochgradig volatilen Erneuerbaren ein hochgradig schwankendes Angebot einer hochgradig schwankenden Nachfrage gegenübersteht, Von dem „wilden Meer“ vor dem Netz merken wir bei der Konstanz, mit der wir empfangen, nichts. Wir werden als gedankenlos und auch zurecht verspottet, wenn  auf uns zeigend gesagt wird: „Für die kommt der Strom mit Spannung, Stromstärke und Frequenz  aus der Steckdose.“ Unter dem Stichwort „Regelleistung“ berichtet Wikipedia  ausführlich, wie die Regelung im Einzelnen vor sich geht. Darüber hinaus ist Deutschland Mitglied im Verbund „Union for the Co-Ordination of Transmission of Electricity“ (UCTE). Hier liegt auch  im Falle von Engpässen unsere letzte Hoffnung, falls unsere Verbundpartner mitspielen. Man sollte auch bedenken, dass die Stromnetzingenieure (power grid engineers)  regelungstechnisch international führend sind.  Man schaue auf die Digitalisierung  hin zu einem „smart grid“: „Smart Grid Architecture Model“ (SGAM). Diese Stromnetz- Architektur von 2012 war ein Vorbild für das  „Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0“ (RAMI 4.0) des VdI/VdE  von 2015, das das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) zum Gegenstand hat. „Internet der Dinge“  und „intelligente Stromnetze“ haben ähnliche Problemstellungen. Eine ausführliche Darstellung von RAMI 4.0 ist im Blog zu finden. „Power Grid Engineers“ sind auf der Höhe der Zeit. Wir müssen aber festhalten, was bei  Wikipedia unter „smart grid“ steht:  „Da Elektrische Energienetze keine Energie speichern können und zur Erhaltung der Stabilität im Stromnetz die Nachfrage nach elektrischer Leistung immer gleich dem Angebot an elektrischer Leistung sein muss, muss entweder die Angebotsseite dem nachgefragten Verbrauch angepasst werden, wie dies weitgehend in klassischen Stromnetzen durch Veränderung der Kraftwerksleistung erfolgt, oder durch eine Anpassung mittels Lastverschiebungen der Verbraucher an das momentane Angebot der Erzeugereinrichtungen, ähnlich wie sie bei sogenannten Lastabwurfkunden im Falle von Versorgungsengpässen seit Beginn der elektrischen Energienetze realisiert sind.“

3) Kohlenausstieg nach der Denkfabrik  „Agora Energiewende“

Agora Energiewende“ ist eine „Denkfabrik“ (Think Tank) mit Beratungsfunktion für die Bundesregierung. Wegen der hohen CO2– Emissionen  bei der Kohleverstromung wird ein Ausstieg bis 2040 für möglich gehalten. Wie bei allen Langfristigkeiten ist auch  diese Angabe spekulativ zu verstehen. Sie geht also über den Tellerrand unserer Erfahrungen hinaus. Insbesondere klimaschädlich ist die Braunkohlenverstromung. Mit 1000 Gramm CO2 pro Kilowattstunde  liegt  die für uns  bedeutungsvolle Braunkohle einsam an der Spitze.  Der Ausstoß ist dreimal  höher als bei Erdgaskraftwerken, die als Gas und Dampf (GuD)-Prozesse gefahren werden können und für thermische Prozesse enorm hohe Wirkungsgrade erzielen. Berühmt geworden ist das GuD-Kraftwerk Irsching in Bayern, in dem ein Weltrekord in Sachen Wirkungsgrad von über 60% erzielt wurde. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde Irsching mit insgesamt 1.7 GW stillgelegt. Es gibt eine Einsatzreihenfolge für Kraftwerke (Order of Merit). Die Reihenfolge wird durch die Grenzkosten bestimmt; das sind im Wesentlichen die Brennstoffkosten. Und hier liegt die Braunkohle deutlich günstiger als das Erdgas. In der „Order of Merit“  liegt die Kernenergie  am günstigsten, aber die steht ja  als auslaufendes Modell  in Deutschland nicht mehr zur Debatte. Darüber redet man nicht mehr aus „Gründen des Anstandes“.

Für „Kraftwerkler“ ist der Begriff „gesicherte Kraftwerkleistung“ von großer Bedeutung. Gemeint ist die Leistung, die einem Kraftwerkspark mit hoher Sicherheit ständig zur Verfügung steht. Das Dilemma unserer Erneuerbaren Energien (z.B. Wind, Sonne) ist, dass sie zur gesicherten Kraftwerksleistung so gut wie nichts beitragen, was auch jedermann bekannt ist, ohne z.B. den „Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz 2016“ (pdf) en detail studieren zu müssen. Die Erneuerbaren sind (noch bis heute) für die Versorgungssicherheit wertlos. Wie schön wäre es doch, wenn die Erneuerbaren die Kohle, insbesondere die  emissionsreiche Braunkohle, substituieren könnten, ohne dass unser Licht ausginge. In der Energiewirtschaft steckt halt der Teufel. Idealistischen Anwandlungen, die immer wieder hochkommen, werden schnell der Lächerlichkeit preisgegeben. Es gilt eigentlich immer noch, was  Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel 2014 einmal von sich gab:“ Die Energiewende steht kurz vor dem Aus. Die Wahrheit ist, dass wir die Komplexität der Energiewende auf allen Feldern unterschätzt haben. Die anderen Länder in Europa halten uns sowieso für Bekloppte.“

In unserer Klima-Enge wird nun von „Agora Energiewende“ vorgeschlagen, unsere Braunkohlenverstromung beachtlich zu reduzieren. Es heißt in einem Kurzgutachten, dass bis 2020 mindestens  8,4  GW Braunkohlenleistung  ersetzbar seien. Das ist ungefähr  die Gesamtkapazität Österreichs.  „20 der ältesten Braunkohlekraftwerke können abgebaut werden. In Deutschland stehen viele Gaskraftwerke ungenutzt herum beziehungsweise wurden sogar in den vergangenen Jahren eingemottet in der Hoffnung auf bessere Zeiten“ heißt es in dem Kurzgutachten der „Agora Energiewende“, ohne Ross und Reiter zu nennen. Im Hinterkopf hat man natürlich  den Weltrekordler Irsching in Bayern. Aber Irsching reicht nicht an Kapazität, und darüber hinaus weiß man noch nicht, wie man Irsching in der gegebene Zeit wieder flott kriegt.  Deshalb die berechtigte Forderung nach einen Stresstest. Das ist auch Ausdruck eines Misstrauens, insbesondere auch des BDEW, des Bundesverbandes der Energie-und Wasserwirtschaft, dem 1800 Unternehmungen angehören. Vabanque spielen ist in der fundamentalen Energiewirtschaft nicht erlaubt.

4) Stresstest nach dem Vorbild der Finanzwirtschaft

In dem Kurzgutachten  der „Agora Energiewende“ steht nichts davon drin, welche Gaskraftwerke  wo und wann, mit welcher Kapazität in Betrieb genommen werden können. Bevor man einen Stresstest startet, muss man das aber wissen.  Wir leben in einer Welt des Vorabends der „smart power grids“, der intelligenten Stromnetzwerke. Man sollte sich schon zutrauen,  bei der exzellenten Datenlage ein Simulationssystem für einen Stresstest  zu entwerfen und zu implementieren. Die Simulation sollte meinetwegen in Permanenz, nicht nur als temporärer Test auch bis 2040 laufen, bis unsere Zeit am Horizont verschwimmt. Besser ein Simulieren auf Faktenbasis als ein Politisieren im „wishful thinking“, damit uns das Ausland wieder ernst nimmt.

 

 

 

 

Ein Kommentar zu „Sitzen wir in einer Klimafalle?

  1. Bei dem Wort Stresstest denken Leute wie ich an die Strapazierung eines Produkts (Gummiband, Förderkorb, Brücke) mit echten Belastungen. Die Banker benutzen den Begriff bereits im übertragenen Sinne. Sie simulieren nur die Belastungen. Ich bin sicher, dass Energielieferanten heute bereits auf einer Ebene simulieren, die den Stesstests der Banker entspricht.

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