eGovernment Kongress „neueVerwaltung“

Vom 5. bis 7. Mai 2008 fand in Leipzig der eGovernment Kongress „neueVerwaltung“ statt unter dem Motto „Netzwerk der Zukunft„. Während Kollege de West bereits am Montag zu den Workshops angereist war, fanden am Dienstag und Mittwoch Vorträge und Diskussionsforen rund um das Thema Verwaltungs-IT statt.
Ein Auszug davon:

  • „Netzbasierte Services und Dienste“
    Michael Grötzinger, National Technology Officer Microsoft Deutschland, zeigt die serviceoritentierten IT Strategien, die Microsoft auch im Public Sector nutzen will. Dabei verblüfft er mit der Positionierung von Silverlight Streaming als strategische IT Ressource. Silverlight ist neben Windows auch für Mac OS und unter dem Namen “ Moonlight“ auch (bald) für Linux verfügbar – „Nachtigall, ich hör‘ dich nach dem Yahoo-Scheitern Adobe-Trapsen“?!?
  • „IT-basiertes Berichtswesen und Controlling als Führungsinstrument“
    Eduard Gombert, Arbeitsbereichsleiter Geschäftscontrolling ZIVIT, demonstriert ITR4WEB: eine Webapplikation zur automatischen Erstellung eines formal korrekten, voll KBSt-kompatiblen Rahmenplans. Dabei macht ITR4WEB in Ansätzen auch den Eindruck eines OLAP-Systems zur strategischen Datenaufbereitung.
  • „Stand des eGovernment in Deutschland“
    Ernst Bürger, Leiter Referat E-Government u. Informationsgesellschaft, Bundesministerium des Innern
    • 70% der Deutschen nutzen das Internet
    • davon haben 50% einen Breitbandzugang
    • und 20% machen Mitmach-Netz („Web 2.0)

    Die wichtigsten taktischen Ziele des Bundes sind:

    • einheitliche Authentifizierung an Webapplikationen, evtl. mittels dem Bürgerpass
    • Ausbau der Netzinfrastruktur
    • Aufbau eines Bundesmelderegisters
    • einheitliche Online Kfz-Registrierung (fraglich)
    • Im Zuge der Förderalismusreform: IT Steuerungsaspekte sollen ins Grundgesetz!
  • „Hochleistungsportale in der öffentlichen Verwaltung“
    …gibt es laut einhelliger Meinung von Vortragenden und Plenum noch nicht in Verwaltungs-Deutschland.
    Claudia Tautorus, Verband der TÜV, stellt das V-Portal des VdTüV vor.
    Ziele:
    • Dokumentenarchivierung und -vorhaltung
    • rollenbasierte Verteilung von Dokumenten
    • personalisierte Zielgruppenansprache
    • langsames Vorgehen
    • konstante Einbeziehung der Fachbereiche
    • Unterstützung der Geschäftsführung
    • ELO (Ordnerstruktur im Internet-Portal abgebildet)
    • Inhaltsstruktur des Portals/Newsletter mit individuellen Themen „bestückbar“
    • Plone & Zope als technische Basis
    • 2 Personen + 1 studentische Hilfskraft für Einführung
    • 2 Teilzeitkräfte zum Regelbetrie
  • Ablösung Papierarchiv, komfortablere Suche, rollenbasierter Informationsabruf, Bereithalten von Hintergrund-Dokumenten, Start eines Online-Shops

„Wie immer“: das Projekt primär als organisatorische, nicht als technische Herausforderung.

Ärgerlich: Aspekte der Barrierefreiheit wurden in der Umsetzung überhaupt nicht berücksichtigt und wurden in der Diskussion ein weiteres Mal reduziert auf die Technik, genauer: auf die Trennung von Form und Inhalt. Die semantische (z.B. Überschriftenhierarchien) und die inhaltliche (z.B. zielgruppengerechtes Schreiben) Komponente blieb unberücksichtigt.

In so manchem Vortrag wurde durch sprachlich gewandte Darstellung („Buzzwords“) die jeweiligen Lösungen/faktischen Sachverhalte weitaus größer, komplexer und kompletter dargestellt als sie tatsächlichen sind. Beispiele bleiben aus damit ein Fingerzeigen nicht notwendig wird. Dennoch bleibt als fader Beigeschmack: der Nutzen so mancher Lösung scheint im Betrieb am Nutzer vorbei konzipiert und realisiert worden zu sein.

Überall zu hören sind Buzzwords, von „Web 2.0“ über „Prozessorientierung“ bis hin zu „serviceorientierten Architekturen“. Konzepte, Taktiken und Strategien diversester Art bis hin zu Bestrebungen zur Verankerung des eGovernment im Grundgesetz (Kernaussage Ernst Bürger aus dem Bundesinnenministerium, s.o.).
Einer der gravierendsten Problemherde wurde jedoch kaum angesprochen: die zukunftsverhindernden und innovationshemmenden Regulatorien des öffentlichen Dienstes im Personalwesen. Durch das Fehlen jeglicher Bonus- und Malusstruktur („Einmal verbeamtet, dann …“), Eingruppierungsmöglichkeiten nur nach Papierqualifikation (TVL-ÖD sagt: FH-Abschluss: Verdienst E10) und nur minimaler Aufstiegs- und Weiterentwicklungschancen („En(d|t)geltgruppe“) ist der Bereich IT im öffentlichen Dienst für Spezialisten schlichtweg uninteressant geworden.
Genau diese Spezialisten braucht es aber als jene „Soldaten“, die Konzepte und Strategien der vielen „Generäle“, die hier auf der „neueVerwaltung“ referierten, auch umsetzen. Bleiben die Spezialisten aus, findet keine Umsetzung statt.
Dieses Problem gilt es mindestens in genauso großem Umfang und mit ähnlichem Engagement anzugehen wie eGovernmentstrategien in Deutschland.