Prozessmanagement mit „Hummeln“ und „Schmetterlingen“

Am 22. und 23. Februar 2011 fand in Bonn der Workshop „Prozessmanagement – Methoden und Kompetenzen“ der DINI AG E-Framework statt, bei dem die im Hochschulbereich derzeit sehr aktuellen Themen Prozessmanagement und -organisation im Mittelpunkt standen. Anhand 8 Praxisvorträgen und einem halbtägigen Workshop wurden zahlreiche Aspekte aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet und die Erfahrungen einzelner Hochschulen bzw. Softwarehersteller präsentiert.

Nach einer kurzen Begrüßung durch den Gastgeber, Dr. Rainer Bockholt, sowie die Sprecher des Arbeitskreises, Dr. Andreas Degwitz (TU Cottbus) und Frank Klapper (Universität Bielefeld) stellte im ersten Vortrag Prof. Dr. Jörg Becker das Einführungsprojekt für ein Forschungsinformationssystem der WWU Münster – basierend auf AVEDAS vor. Das System erfüllt die von der Uni vorgegebenen Anforderungen: multikriteriell (Anforderungen der verschiedenen Fächer, Papier- vs. Buchpublikationen) und multiperspektivisch (unterschiedliche Stakeholder, unterschiedliche Adressaten). Den Kern eines solchen System illustrierte er anschaulich mit den fünf „P“s: Personen, Publikationen, Preise, Projekte und Patente. Die Forschungsinformationen, die an unterschiedlichen Stellen der Unversität veröffentlicht werden, werden alle dem CRIS (Current Research Information System) entnommen.

Im zweiten Vortrag stellt Frank Spiekermann (Referent des Prorektors für Finanzen) die Erfahrungen der Universität Bielefeld vor, die während des Einführungsprozesses eines ERP-Systems an der Universität Bielefeld gemacht wurden. Bereits vor dem eigentlichen Einführungsprojekt wurden – in einer Kooperation mit IDS Scheer und IBM – die hochschuleigenen Prozesse modelliert, so dass diese als Basis für die Systementscheidung genutzt werden konnten. Im Rückblick wurden folgende Punkte als wesentliche Erfolgsfaktoren für das Gelingen des Projekts identifiziert:

  • dauerhafte Überwachung und Kontrolle mittels Audits
  • durchgängige Integration der Keyuser
  • breit angelegte Kommunikationspolitik
  • klare Definition der Projektziele und Einhaltung gemachter Vorgaben

Oftmal mangele es auch an einer fehlenden Projektkultur an den Hochschulen, die als Ursache für das „Nicht-so-klappen-wie-gedacht“ von Projekten an Hochschulen angesehen werden kann.

Thematisch ähnlich war der Folgevortrag von Frank Michaelis – ebenfalls Universität Bielefeld – mit dem Titel „IT-Servicemanagement in der Praxis“, in dem die im SAP-Einführungsprojekt gemachten Erfahrungen mit Projektmanagement an Hochschulen dargestellt wurden. Basis für die Akzeptanz eines Projekts bzw. der durch ein Projekt bedingten Änderungen bei den Fachanwendern ist ein gut konzipiertes Schulungskonzept, welches die Anwender intensiv in die neue Software einführt. Auch das „Mitnehmen“ der Mitarbeiter von Beginn an in Form von umfänglicher Information (Projekttransparenz) sowie Beteiligung bei der Prozesserfassung sind enorm wichtig. Dass sich Änderungen an der internen Organisationsstruktur und der Arbeitsweise ergeben können, muss allen Beteiligten klargemacht werden und akzeptiert werden.

Kurz eine Anmerkung: Ist Ihnen aufgefallen, dass alle Teilnehmer der Universität Bielefeld mit Vornamen „Frank“ heißen? Ist dieser Vorname dort verpflichtend für männliche Uni-Beschäftigte? 😉

Der Praxisworkshop, der den restliche Nachmittag füllte, wurde durch die Firma myconsult, Paderborn gestaltet. Unter Nutzung der open space-Methode wurden verschiedene Themen diskutiert, die aus dem Plenum vorgeschlagen wurden. In 6 Diskussiongruppen konnten verschiedene Themen von den „Hummeln“ und „Schmetterlingen“ ausgiebig diskutiert werden. Die Ergebnisse wurden anschließend dem Plenum von den jeweiligen Themenverantwortlichen präsentiert.

Der zweite Tag begann mit einem Vortrag des Geschäftsführers der Datenlotsen, Nils-Joachim Bauer, zum Thema „Faktoren für den Erfolg eines integrierten Campus Management-Projekts“, in dem er verdeutlichte, dass Campus Management-Projekte keine IT-Projekte sind, sondern aufgrund ihrer Komplexität und dem Eingriff in zentrale Prozesse der Verwaltung sowie den Fachbereichen als Hochschulentwicklungsprojekte anzusehen sind. Auch kann der Bereich der Studentischen Verfahren nicht als abgrenzbares „Fußballfeld“ mit zwei Toren und einer genau bekannten Anzahl an Akteuren betrachtet werden, sondern kann nur auf Basis des „multi-player-Ansatzes“ angegangen werden. Wesentlich für das Gelingen eines Campus Management-Projektes ist das ständige Abgleichen zwischen Soll- und Ist-Prozessen und die Erkenntnis, dass das Aufzwingen von Prozessen zu nichts führt. Campus Management-Projekte stellen – so die Aussage von Nils-Joachim Bauer – „eine Stunde der Führungskräfte der Hochschule“ dar – nicht nur des Präsidiums, sondern auch der Verwaltung und der Fakultäten. Mal sehen, wie viele Sternstunden wir in den kommenden Jahren erleben werden! 😉

Der nächste Vortrag zum Thema „Implementierung eines Campusmanagementsystems – Software durch Umbruch oder Umbruch durch Software?“ wurden von Axel Maurer (KIT – Karlsruher Institut für Technologie) gehalten. Zentral wurde hier die Rolle der IT als Motor für den Wandel diskutiert – ohne jedoch endgültige Antworten geben zu können. Interessanter Ansatz: das Pinguin-Prinzip.

Im drittletzten Vortrag der Tagung referierte Jan Bührig (HIS GmbH) zum Thema „Möglichkeiten der Einführung eines integrierten Campus-Management-Systems basierend auf Referenzprozessmodellen“. Anhand der dargestellten Referenzprozesse eines Softwaresystems ist es möglich, verschiedenste Hochschulen mit einer quasi „Standard-Softwarelösung“ zu versorgen. Anpassungen für die jeweiligen Hochschulen können innerhalb gewisser „Leitplanken“ vorgenommen werden. Impliziert wird durch diese Vorgehensweise, dass Hochschulen, deren bisherige IST-Prozesse nicht mit den vorhandenen Referenzprozessen vereinbar sind, die hochschuleigenen Prozesse an die Software anpassen. Leider war es dem Plenum auch in diesem Vortrag nicht vergönnt, einen Blick auf die Referenzprozesse für HISinOne zu werfen, da die Beispiele nur auf sehr abstraktem Level dargestellt wurden 🙁

Den nächsten Programmpunkt stellte unser eigener Vortrag zum Thema „Projektmanagement – pragmatisch und agil“ dar, der von Hendrik Eggers und mir gemeinsam gehalten wurde. Auf Basis der in den Projekten Campus IT und IdM gemachten Erfahrungen sowie dem aktuellen „Projekt-Geschäft“ der Stabstelle Projekte und Prozesse des RRZE wurde aufgezeigt, warum der Projektmanagementansatz PRINCE2 zu Gunsten des agilen Projektmanagements aufgegeben wurde. Den Foliensatz zum Vortrag finden Sie auf der Webseite von Campus IT.

Last but not least stellte Isidor Kamrath (TU Graz) die Erfahrungen vor, die in unterschiedlichen Einführungsprojekten von Campus Online gemacht wurden. Unter dem Titel „so spezifisch wie notwendig, so standardisiert wie möglich“ wurde versucht, die Anforderungen an ein Campus Managementsystem zu spezifizieren: Was muss eine Software standardmäßig leisten können?  Was ist Standard? Wie flexibel muss eine Software sein? Finale Antworten auf die gestellten Fragen konnten hier nicht gegeben werden – dies war auch nicht zu erwarten. Interessante Ansätze und Anregungen gab es allemal!

Die Präsentationen zu den Vorträgen werden in Kürze über die DINI-Tagungs-Webseite zur Verfügung gestellt. Ein Blick lohnt sich allemal!

Mein persönliches Fazit der Tagung:
Neben den sehr interessanten Vorträgen lebt eine solche Tagung immer von den Gesprächen, die bei einer Tasse Kaffee oder während der Abendveranstaltung geführt werden. Dies war auch auf dieser Tagung nicht anders.
Es lohnt sich in jedem Fall einmal nach Bonn zu reisen – auch wenn „Hummeln“ und „Schmetterlinge“ aufgrund der noch sehr frischen Außentemperaturen (trotz Sonnenscheins) nur in den Räumen der Universität ihre Kreise zogen… es gibt noch viele andere Sehenswürdigkeiten! 🙂