Heute startete unsere Abfahrt mit dem Bus um 7:45 Uhr in Richtung unseres ersten Stopps, Lifegate. Dies ist eine Reha-Einrichtung für Kinder und Jugendliche im Westjordanland.
Die seit 1987 bestehende humanitäre Organisation beschäftigt aktuell 75 palästinensische, israelische und internationale Mitarbeiter:innen. Somit trägt Lifegate zum Dialog zwischen der palästinensischen und israelischen Bevölkerung bei und fungiert dabei als Brücke. Ihre Arbeit finanzieren sie durch Spenden, Dienstleistungen und den Verkauf von selbst hergestellten Produkten. Jedoch stellen die monatlichen Ausgaben manchmal eine Herausforderung dar.
Die Vision der Organisation steht unter dem christlichen Motto „Lebenstore öffnen“, worunter die individuelle Förderung von Kindern und jungen Menschen mit ihren Familien hin zu einem selbstbestimmten Leben verstanden wird. Die drei Säulen der humanitären Hilfsorganisation sind Bildung, medizinische Versorgung und die Arbeit mit Familie und Eltern. So vereinen sie unter ihrem Dach einen Kindergarten, eine Schule und eine Berufsschule. Weiterhin wird auch therapeutische Betreuung angeboten.
Der Kindergarten stellt fünf Gruppen mit je acht Plätzen. In der Schule sind neun Regelklassen mit je 15 Plätzen und zwei Spezialklassen für Kinder mit geringer Lebenserwartung und Mehrfachbehinderung. In der Ausbildungsstätte werden die unterschiedlichsten Berufe angeboten. Von Wäscherei, Tischlerei, (neuer) Bäckerei, Küche mit Restaurant, Olivenbaumschnitzerei, Schuhmacherei mit orthopädischem Schwerpunkt, einer Keramikabteilung, Gärtnereibetrieb bis zu einem Gästehaus ist alles zu finden. Auch findet sich dort eine Abteilung, in der Rollstühle anpasst und bis über die Landesgrenzen nach Ägypten und Jordanien verteilt werden.
Die in den Werkstätten hergestellten Produkte und Erzeugnisse, die dort entstehen, können zum Teil im Laden (ab voraussichtlich Anfang Herbst auch im Internet) erworben werden. Einige Beispiele sind Stofftaschen, Krippen und Figuren aus Olivenbaumholz, Seifen und Keramikschüsseln. Weitere Projekte, an denen Lifegate aktuell arbeitet, sind Weinfässer, die zu Übernachtungsmöglichkeiten umgebaut werden oder das Bauen von Gewächshäuser aus PET-Flaschen.
Für weitere Informationen findet ihr hier die Internetseite: https://www.lifegate-reha.org/lifegate-beit-jala/
Auch über Spenden freuen sie sich sehr, da sie nicht von staatlicher Seite subventioniert werden.
Nach diesem beeindruckenden Besuch ging es weiter zur Geburtskirche mit Geburtsgrotte in Bethlehem.
Diese Kirche ist eine der ersten drei, die Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, im Heiligen Land errichtet hat. Besonders ist, dass dieser sakrale Ort nie zerstört worden ist. Weder während der Herrschaftszeit der Muslime im siebten Jahrhundert noch im 13. Jahrhundert unter den Persern. Somit lassen sich trotz einiger Veränderungen und Erneuerungen an der Kirche noch heute Mosaike aus der Zeit Helenas erkennen. Heute ist die Geburtskirche der orthodoxen Kirche zugeordnet.
Unter dem sakralen Raum befindet sich die Geburtsgrotte, in der die Geburtstelle Jesu Christi durch einen Stern am Boden symbolisiert wird. Nachdem jeder einen Blick auf den Stern geworfen hatte, versammelt wir uns gemeinsam in der Grotte um den Kanon Jubilate deo anzustimmen.
Danach betraten wir die direkt angeschlossene katholische St. Katharina Kirche. In dieser soll Hieronymus die Bibel ins lateinische Übersetze haben. In der Adventszeit wird das Licht Bethlehems in dieser entzündet und in die Welt hinausgetragen.
Nach einer stärkenden Mittagspause (wie immer Falafel oder Schawarma) traten wir unsere 30 minütige Fahrt zum Tent of Nations, ein Gebiet im Südwesten Bethlehems, an.
Betreiber des Tent of Nations ist eine palästinensische Familie, die sich seit 32 Jahren in einem Rechtsstreit mit der israelischen Regierung befindet. Die Familie lebt seit mehreren Generationen auf einem Weinberg und weigert sich, ihr Land an den israelischen Staat abzugeben. Aus israelischer Sicht befinden sie sich widerrechtlich auf staatlichem Gebiet. Dieser Konflikt findet sich an mehreren Stellen in der Westbank wieder. Trotz einiger gewaltsamer Vorfälle, wie das Zerstören von 250 Olivenbäumen vonseiten der Israelis, hat sich die Familie nach eigener Aussage stets für den juristischen und damit friedlichen Weg entschieden. Zusätzlich kommen noch erschwerte Lebensbedingungen dazu, da sie über keine Elektrizität sowie fließendes Wasser verfügen und das Land nicht bebauen dürfen. Mit der christlichen Überzeugung das Böse mit dem Guten zu überwinden und seine Mitmenschen zu lieben, gehen sie den Weg des gewaltlosen Widerstands. Die Vision der Familie ist, dass durch die Begegnung mit dem Tent of Nations, Menschen verändert werden und sie sich für Frieden in ihrem Umfeld einsetzen.
Sie wollen nicht nur mit ihren Worten sondern auch mit ihren Taten ein Vorbild sein. Das verwirklichen sie durch diverse Projekte wie ein jährliches Sommer Camp für traumatisierte palästinensische Kinder, Erntecamps sowie Baumpflanzaktionen. Weitere Projekte findet ihr unter: http://www.tentofnations.org/.
Für ausländische Besucher:innen und Voluntär:innen wird stark geworben, um sich nicht nur mit ihnen zu solidarisieren, sondern mit ihnen ,,weiter zu denken.”
Nachdem wir eine palästinensischen Stimme zu diesem Konflikt gehört haben, hatten wir anschließend eine Begegnung mit einem jüdischen Siedler, der nur zehn Bus-Minuten entfernt lebt.
Bob Lang und seine Familie leben in einer jüdischen Siedlung, die zwischen Jerusalem und Hebron liegt und in der er eine administrative Position inne hat. In seinem Haus erzählte er uns von seiner Lebensgeschichte bzw. seiner „Reise“ ins heilige Land. Zu Beginn bekamen wir eine kurze politische und historische Einführung in die Konfliktthematik zwischen Israel und Palästina und seine Sicht darüber. Er beschrieb uns den Anspruch der Jüdinnen und Juden auf das heilige Land und führte eine biblische Argumentation an. Anschließend entstand eine Diskussion, in der er unsere persönlichen Fragen zu der Konfliktthematik beantwortete.
Der Tag hat uns die Vielschichtigkeit der Konfliktthematik aufgezeigt und uns den Blick für beide Seiten geöffnet. Nach allen Begegnungen diesen Tages bleiben vielen offene Fragen. Wir schließen mit den Worten des jüdischen Siedlers: „We need small steps in order to run.“
Dieser Beitrag wurde erstellt von: Theresa Ott, Lydia Schmidt, Charlotte Grebe und Rieke Stürmer.