Bedeutung der Promotion in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland

Gemeinsame Erklärung zur Bedeutung der Promotion in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland

Herausgegeben von

  1. der Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP),
  2. der Konferenz der Fachbereiche Chemie (KFC),
  3. des Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultätentags (MNFT),
  4. der Fakultätentage der Ingenieurwissenschaften und der Informatik an Universitäten (4ING),
  5. der TU9 — German Institutes of Technology,
  6. der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech),
  7. der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV),
  8. der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh),
  9. der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie (DBG)
  10. und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG).

22. April 2009

Am 28. und 29. April 2009 kommen in Leuven / Louvain-la-Neuve die für die Hochschulbildung verantwortlichen Ministerinnen und Minister der 46 Bologna-Staaten zusammen, um den bisherigen Stand des Bologna-Prozesses zu bewerten und die Fortsetzung des Prozesses über das Jahr 2010 hinaus zu diskutieren („Bologna 2020“).

Das Ziel der Erklärung von Bologna (1999), einen gemeinsamen Europäischen Hochschulraum und ein „Europa des Wissens“ zu schaffen, bewerten die unterzeichnenden Organisationen als die Vertreter der Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland positiv. Sie erhoffen sich von der zweiten Dekade des Bologna-Prozesses weitere Fortschritte auf diesem Weg.

Seit der Berlin-Konferenz 2003 wird die Promotion in den Bologna-Communiqués als „dritter Zyklus“ der akademischen Bildung bezeichnet. Diese Einordnung haben die Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland mit Sorge betrachtet und wiederholt darauf hingewiesen, dass in Deutschland und speziell in den Natur- und Ingenieurwissenschaften die Promotion nicht als dritter Zyklus der Hochschulausbildung, sondern als erste Phase eigenständiger wissenschaftlicher Berufstätigkeit verstanden wird.

Die Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland sind erfreut, dass sich Bundesministerin Prof. Dr. Annette Schavan und die weiteren deutschen Akteure im Bologna-Prozess diese Position zueigen gemacht und sie seit der London-Konferenz 2007 in Europa vertreten haben — zuletzt im Nationalen Bericht über die Umsetzung der Bologna-Ziele vom 1. November 2008.

Die berufsqualifizierenden Kenntnisse und Fähigkeiten werden in den Natur- und Ingenieurwissenschaften im Rahmen von Diplom- bzw. Bachelor-/Masterstudiengängen erworben. Die Promotion stellt darauf aufbauend eine zusätzliche wissenschaftliche Qualifikation im Bereich der Forschung dar. In der Tat wird ein großer Teil der Forschungsleistungen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland von Promovierenden erbracht. Jede Promotion erschließt wissenschaftliches Neuland, ihre Besonderheit liegt in der Eigenverantwortung und Selbständigkeit der Arbeit. An deutschen Universitäten promovierte Naturwissenschaftler und Ingenieure zeichnen sich im internationalen Wettbewerb durch diese Selbständigkeit und ihre fachlichen und außerfachlichen Fähigkeiten aus.

Europa muss sich im internationalen Wettbewerb um Forschungsergebnisse bewähren. Alle Maßnahmen zur Veränderung der Promotion müssen sich daran messen lassen, inwieweit sie dazu beitragen, die Qualität der Nachwuchswissenschaftler und damit auch die Forschungsleistung in Europa weiter zu erhöhen. Die Qualität, Attraktivität und das internationale Ansehen einer Promotion in den Natur- und Ingenieurwissenschaften an deutschen Universitäten müssen auf dem höchsten Stand gehalten werden — als spezifischer Beitrag zur Leistungsfähigkeit des Europäischen Hochschul- und Forschungsraums.

Die Natur- und Ingenieurwissenschaften in Deutschland bestärken daher die deutschen Vertreter im Bologna-Prozess, ihre bewährten Qualitätsstandards und ihr Selbstverständnis der Promotion weiterhin nachdrücklich zu vertreten. Sie ermutigen alle europäischen Entscheidungsträger, sich für die Vielfalt der Wege zur Verleihung des Doktorgrades in Europa stark zu machen und für den Europäischen Hochschulraum hohe Standards bei der Qualität der Promotion anzustreben.