Mehr als fünf Fußballfelder groß ist das neueste und zugleich größte Logistik-Zentrum in Forchheim, der Großen Kreisstadt im südlichen Oberfranken. Die Ansiedlung des Logistik-Unternehmens ist dabei beileibe kein Einzelfall: Die Dynamik in der Logistikbranche ist in den letzten fünf bis zehn Jahren ausgesprochen hoch. Um den Ursachen für diese Entwicklung auf den Grund zu gehen, lud das DVAG-Regionalforum Erlangen-Nürnberg zu einer Exkursion nach Forchheim ein. Ein knappes Dutzend angewandter Geographen begaben sich so auf Spurensuche. Dabei standen Fragen der Wirtschaftsförderung, der privatwirtschaftlichen Perspektive sowie der Bauleitplanung und Projektentwicklung im Fokus der Exkursion.
Logistik im Landkreis Forchheim?
Wer den ‚Frankenschnellweg‘ – die A73 – zwischen Bamberg und Nürnberg mit dem Auto entlang fährt oder mit der Bahn auf der ICE-Trasse zwischen München und Berlin reist, der kommt auch an Forchheim und damit einem imposanten 50.000m²-Gebäude des Logistik-Dienstleisters Simon Hegele vorbei. Diese Logistik-Ansiedlung reiht sich ein in zahlreiche Investitionen der letzten Jahre im Landkreis: neben Industriedienstleistungen (Geis, Hegele) finden sich hier auch ein Zentrallager eines Discounters (Lidl), diverse Speditionen sowie das Depot eines Paketdienstleisters (GLS). Insgesamt seien über 1.500 Beschäftigte im Landkreis in der Logistik-Branche tätig, der Beschäftigungszuwachs sei in den letzten Jahren überdurchschnittlich gewesen, so der Geograph und Wirtschaftsförderer des Landkreises Forchheim, Dr. Andreas Rösch. Die gute Verkehrsanbindung spiele dabei eine zentrale Rolle: „Forchheim liegt ja direkt an der A73 und in einer Viertelstunde ist man schon auf der A3 Richtung Frankfurt“, erklärt Rösch. Zugleich sei aber auch die Nähe zu einem örtlichen Großunternehmen von entscheidender Bedeutung. Gerade die Industriedienstleister seien eng mit diesem Unternehmen verflochten.
Aus Sicht der Wirtschaftsförderung gelte es bei der Logistik-Branche immer auch abzuwägen: der Flächenbedarf von Logistikdienstleistern ist hoch, die Wertschöpfung und die Zahl der Arbeitsplätze jedoch vergleichsweise gering. „Da muss man schon gut überlegen, wie man mit den verfügbaren Flächenressourcen umgeht.“
Von Forchheim in die Welt
Die zweite Station führte die Exkursionsgruppe hinter die Kulissen eines ansässigen Industriedienstleisters. Hier wird für einen Auftraggeber technisches Gerät versandfertig gemacht: Mit einem eigenen groß dimensionierten Röntgengerät kann die Fracht direkt für den Lufttransport ‚gesichert‘ werden. Da ist Forchheim tatsächlich ein Stück ‚Tor zu Welt‘, auch wenn die Luftfracht fast ausschließlich über Frankfurt und nicht über das nahe gelegene Nürnberg abgewickelt werde. Bei einem Rundgang durch die mehrere Hektar große Lagerhalle erfahren wir auch mehr über die Standortfaktoren. Die Nähe zum Auftraggeber sei entscheidend, eine verkehrsgünstige Lage natürlich ebenso wichtig. Die Akquise von Fachkräften gestalte sich allerdings nicht immer einfach. Deutlich wird dabei, dass das Logistik-Unternehmen als Industriedienstleister eng mit seinen Auftraggebern und auch deren innerbetrieblichen Abläufen verflochten ist. Und noch etwas ist bemerkenswert: Der reine Transport steht mittlerweile nicht mehr im Vordergrund der Aktivitäten. Ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung entstünde durch Dienstleistungen, die man besser und kostengünstiger als der Auftraggeber selbst abwickeln könne.
Fünf Fußballfelder Logistik.
An der derzeit größten Logistik-Immobilie im Landkreis treffen wir den Bauamtsleiter der Stadt Forchheim. Gerhard Zedler hat sich Zeit für uns genommen – am Freitagnachmittag. „Nicht ganz selbstverständlich für einen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, aber sehr gerne!“ sagt Zedler mit einem Augenzwinkern. Die Beplanung eines Grundstückes dieser Größenordnung sei tatsächlich nichts Alltägliches, verlief aber im Prinzip relativ reibungslos. Es sei eine Entscheidung der politischen Gremien gewesen die Fläche nur einem Unternehmen zur Verfügung zu stellen, da deshalb die öffentliche Erschließung nur relativ gering und kurzfristig zum Baubeginn hergestellt war. Durch den Bau der 500 mal 100m großen Halle seien nun bis auf weiteres keine Gewerbeflächen mehr in der Stadt Forchheim vorhanden. Zugleich kam die Fläche auch nur für Gewerbe in Betracht: „Zwischen einer bald viergleisigen Bahnlinie und der Autobahn kann man schlichtweg keine Wohnbebauung machen.“ Beeindruckend sei für Ihn auch das Tempo von der Planung bis zur Fertigstellung gewesen; der Projektentwickler hätte es hier ziemlich eilig gehabt: „Nach der Stadtratssitzung mit dem positiven Beschluss kamen mir auf der Autobahn schon die Tieflader mit den Betonpfeilern entgegen.“ weiß der Amtsleiter zu berichten. Und dann ging alles ganz schnell in standardisierter Hallenbauweise .
Fazit – alles Logistik oder was?
Prof. Dr. Tobias Chilla vom Institut für Geographie der Universität Erlangen, der die Halbtagesexkursion begleitete, stellte resümierend fest, dass die Logistik-Branche in der wissenschaftlichen Geographie vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhalte, dabei sei sie extrem raumwirksam: „Logistische Infrastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für die Einbindung in das globalisierte Wirtschaftsgeschehen. Regionale Entwicklungs-Chancen, aber natürlich auch Verkehrsaufkommen und Flächenverbrauch, sind hiermit eng verbunden – und dies sind Kernbereiche der Wirtschaftsgeographie und Regionalentwicklung“. Das Beispiel Forchheim sei dabei typisch für die starke Differenzierung der Logistik-Branche, wobei zugleich eine starke Verflechtung mit einem prominenten Großunternehmen vor Ort besteht.
Weniger logistisch denn kulinarisch ging es im Anschluss zu: bei einem gemütlichen Beisammensein mit regionaltypischen Speisen und Getränken ließen die Exkursionsteilnehmer den Tag ausklingen.
Stimmen zur Exkursion
„Ich war froh, die Exkursion mitgemacht zu haben. Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit zur Ermittlung von Beleihungswerten landen auch immer wieder Logistikimmobilien auf meinem Schreibtisch. Es gab jedoch bei der Exkursion einige neue Aspekte, die ich im täglichen Arbeitslauf gut einsetzen kann. So war mir insbesondere die extrem enge Verzahnung der Produktionsabläufe mit den Warenströmen nicht im Detail bekannt. Ein Umstand, den ich bei zukünftigen Bewertungen stärker beachten werde.“
Dipl.-Geogr. Martin Gast, Sparkasse Heidelberg
„Die Exkursion war eine gelungene Mischung aus Theorie und Praxis. Für mich war es interessant aktuelle Aspekte aus wissenschaftlicher Sicht zu hören und zu sehen wie andere Kommunen bei der Ansiedlung von Logistikunternehmen vorgehen. Die Querschnittsaufgabe von Logistik ist es, die Wertschöpfung zu steigern und Prozessabläufe zu verbessern. Als Wirtschaftsförderung der Stadt Bayreuth sind wir daher an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in diesem Bereich immer interessiert.“
Dipl.-Geogr. Beate Kadner-Rausch, Wirtschaftsförderung Stadt Bayreuth