Completely Knocked-Down

Nein, das ist nicht der Super-KO beim Boxen, sondern ein komplett zerlegtes Produkt, zum Beispiel ein Auto. Wer braucht denn sowas?

Zum Beispiel Daimler. Würde der schwäbisch-globale Automobilhersteller ein komplett zusammengebautes Auto nach Indien, Thailand oder Malaysia exportieren, wäre das Auto „CBU“. Richtig geraten: Completely build-up. Das ist es jedoch meist nicht, sondern eher semi knocked-down, SKD oder eben CKD. Und nicht nur bei Daimler.

Diese Begriffe hört man immer häufiger seit Einbruch der Globalisierung (wenn man scharf hinhört). In vielen Industrien; auch zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau. Wieso um alles in der Welt sollte man ein Auto oder eine Maschine auseinandernehmen, bevor man sie nach Asien schickt?

Man könnte doch auch das Stück im Ganzen aus der europäischen Fabrik heraus liefern. Wenn der Zoll nicht wäre. Und andere Einfuhrrestriktionen. In Thailand zum Beispiel ergeben diese Restriktionen einen Aufschlag auf ein CBU-Auto von 110 Prozent. Das Produkt wird unverkäuflich. Außerdem gibt es viele nicht-tarifäre Hemmnisse wie zum Beispiel Vorschriften zum Local Content. Deshalb müssen Fenster, Batterie, Benzin oder Bremsflüssigkeiten für ein geliefertes Auto beispielsweise aus dem Land stammen, in das ausgeliefert wird. Würde Daimler also CBU liefern, müsste man in Thailand erst wieder die Fenster ausbauen und die Flüssigkeiten ablassen – völliger Unfug.

Man könnte natürlich gleich das komplette Auto in Thailand bauen. Leider rechnet sich ein voll lokalisiertes Fertigungswerk erst ab ca. 50.000 – 100.000 Einheiten jährlich. Einmal ganz davon abgesehen, dass man in Thailand nicht die Lieferantenbasis hätte wie in Europa. Deshalb ist es besser, so seltsam es klingt, unfertige Autos, also als CKD- oder SKD-Kits zu liefern. Ein nach Thailand exportiertes Auto in groben Einzelteilen kriegt nämlich nicht 110 Prozent, sondern nur 30 Prozent Zollaufschlag. Dafür braucht man dann Leute, die im Zielland das Teile-Puzzle endmontieren. Und hier wird es noch interessanter. Diese Endmontage macht oft nicht die Endmontage, also ein integraler Teil des Fertigungsbereichs, sondern die Logistik. Wenn ich ein Auto von einem japanischen oder asiatischen Hersteller bestelle, dann legt im Hafen von Bremerhaven nicht die Crew des Herstellers das deutsche Handbuch ins Handschuhfach, sondern die Logistiker von der BLG Logistics Group. Und das ist noch moderat. Es geht auch verrückt.

Nämlich dann, wenn man in Europa ein Auto im ersten Werk zunächst komplett zusammenbaut und dann in ein zweites karrt, wo es für den „Versand“ wieder auseinandergenommen wird; eben CKD. Das ist verrückt? Das ist nicht verrückt, das ist die Globalisierung (und ein Argument gegen Handelshemmnisse). Denn nur wenn ich ein Auto komplett zusammengebaut habe, kann ich sicher sein, dass ich nach dem Auseinandernehmen auch ein komplettes Auto verschiffe. Es sei denn, ich habe echt spitzenmäßige Logistiker.

Dann kann ich mir die Kosten für den Komplettabbau nach Komplettaufbau sparen und zur Logistik sagen: „Sucht euch die Einzelteile selber aus dem Lager zusammen, steckt sie in eine Kiste und verschifft die Kiste nach Asien!“ Damit wird die Logistik plötzlich zum integralen Teil der Fertigung. Wenn sie fit ist. Fit, reaktionsschnell, agil und flexibel. Was so eine Logistik wert ist, zeigt sich immer dann, wenn sich Zollvorschriften ändern – und das tun sie ständig.

Dann kann es passieren, dass ein Hersteller monatelang sein Produkt mit Verlust verkaufen muss. Volvo beispielsweise hat dem Vernehmen nach vor einige Jahren ein halbes Jahr lang seine LKW in Brasilien mit Verlust verkaufen müssen, weil sich eine Zollbestimmung änderte. Die Änderung der Vorschrift war klein, doch die Supply Chain-Lawine danach enorm. Denn nach so einer Änderung muss oft alles geändert werden: Art und Anzahl der nicht vormontierten Teile und damit oft auch ihre Lieferanten, die Versandlisten für die Logistik, bis hin zu Verpackungen.

Je schneller das Supply Chain Management hier die Umstellung schafft, desto weniger Geld verliert ein Unternehmen. Die Kfz-Hersteller und ihr Supply Chain Management sind hier schon recht fix. Andere Branchen wie Maschinen- und Anlagenbau noch nicht ganz. Doch auch sie machen ihren Teams Dampf. Denn was die drei Kürzel CKD, SKD und CBU wie kaum ein anderes Phänomen der Globalisierung zeigen, ist: Nicht das bessere Produkt gewinnt, sondern die bessere Supply Chain.

Ein Kommentar zu „Completely Knocked-Down

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