Das 9. R

Startups werden vom wilden Hauch der Gründerszene umweht. Wir denken dabei spontan an Gründerunternehmen in E-Commerce und IT. Gibt’s auch Startups in der Logistik? Und wie. Da wäre zum Beispiel, in den USA, natürlich, Shyp.

Wir alle bestellen fleißig online. Und, jede Wette: Jede Menge schicken wir zurück. Oder würden gerne. Wenn da nicht die leidige Wiedereinpackerei wäre und dass man die Retoure zur Post oder Annahmestelle bringen muss. Nicht mehr! Denn genau diese logistischen Prozesse übernimmt Shyp. Über die App von Shyp bestelle ich einen sogenannten „Shyp-Hero“, der mir an meiner Haustür nicht nur das Paket sondern auch die restliche Prozedur abnimmt. Und das Selbige findet auch abseits der Retoure beim üblichen Versenden seine Anwendung.

Nimber ist in UK gestartet. Nimber ist quasi das airbnb der Logistik, das Uber für Päckchen. Der Spross der Shareconomy vermittelt Gütertransporte von privat an privat. Wer sowieso per Auto oder Zug nach, sagen wir, Hamburg unterwegs ist, nimmt dann mein Päckchen mit, verdient sich was dazu und schont nebenbei die Umwelt. „Smart, safe and sustainable“ wirbt das Startup.

Auch ein schönes Beispiel, wieder aus den USA, ist Shippo. Shippo vermittelt Logistik an Konsumenten und Unternehmen. Was zu versenden? Shippo ist praktisch eine Logistik-Preismaschine und ermittelt nicht nur den günstigsten Logistikdienstleister, sondern gibt auch via Volumenbündelung schöne Rabatte weiter. Die drei Gründer sind übrigens Deutsche, die mit ihrer Idee nach Kalifornien ausgewandert sind. Man fragt sich, warum. Sind wir hierzulande logistikmäßig so startupschwach?

Nicht unbedingt, betrachtet man zum Beispiel Liefery. Das sind frisch gestartete Radkuriere, die in den deutschen Städten, in denen sie aktiv sind, eine garantierte Lieferzeit von maximal 90 Minuten versprechen. Das kommt gut an (Wortwitz nicht beabsichtigt). So gut, dass zu den Liefery-Auftraggebern bereits so renommierte Unternehmen zählen wie Zalando, SportScheck, REWE, Media Markt oder Würth.

Der PaketButler dagegen ist nicht, wie der Name suggeriert, ein Mensch, sondern eine zusammengefaltet kleine und auseinandergefaltet große Tasche eines weiteren Logistik-Startups, in die der Post- oder Kurierbote mein Päckchen gibt, wenn ich nicht zuhause bin. Klauen kann den Butler keiner, da er mit Sicherheitsgurt und Verschluss-Code diebstahlsicher gemacht wird. Funktioniert auch umgekehrt, wenn ich dem Postboten ein Paket zum Versand übergeben möchte. Verfügbar ist der Butler bereits in einigen deutschen Großstädten. Ganz schön bequem, nicht?

Das ist der auffallende Tenor vieler Logistik-Startups: Convenience, Annehmlichkeit. Bei der Logistik der Vergangenheit ging es vor allem um die 8 R, die wir alle auswendig gelernt  haben (Zulassungsvoraussetzung fürs Studium – kleiner Scherz): Das richtige Gut in der richtigen Menge zur richtigen Zeit am richtigen Ort in der richtigen Qualität beim richtigen Kunden zum richtigen Preis nebst richtiger Info. Acht, mitgezählt?

Seit die Neuzeit angebrochen ist, könnte man ein neuntes R hinzufügen: mit der richtigen Annehmlichkeit. Es wird bei der Logistik der letzten Meile in Zukunft immer stärker um diese Bequemlichkeit gehen. Schnelligkeit und Qualität werden vorausgesetzt. Jetzt möchten wir es bequemer haben. Wir möchten, dass wir jederzeit in jeder von uns gewünschten Weise auf Logistikdienste zugreifen können. Das Schöne an diesem 9. R ist seine Grenzenlosigkeit.

Qualität lässt sich irgendwann nicht mehr zu vertretbaren Kosten steigern. Und auch die Schnelligkeit einer Lieferung ist irgendwann ausgereizt. Alle der alten acht R’s sind theoretisch oder praktisch begrenzt – die Bequemlichkeit ist es nicht. Man könnte fast sagen, dass Bequemlichkeit die einzige unerschöpfliche Ressource des Universums ist. Ganz gleich, wie bequem wir es schon haben (und wir haben es, weiß Gott, schon unvorstellbar bequem) – wir wollen es immer noch ein wenig bequemer haben. Du willst es doch auch!

Bequemlichkeit ist der neue Business-Treiber und Startup-Turbo. Wenn das nicht nur in den traditionell startupstarken USA, sondern auch hierzulande ankommen würde, dann wäre nicht nur dem Standort hierzulande geholfen, sondern uns allen.

3 Kommentare zu „Das 9. R

  1. Bequemlichkeit ist eine Art Trägheit: ein Idealzustand im Gleichgewicht ist optimal bequem. Weil die Zeit niemals im Gleichgewicht befindlich ist gibt es das in unserer Welt nicht – und damit bleibt’s ein Ideal.
    In einer Gesellschaft, die auf immer schnellere Prozesse drängt, ist Bequemlichkeit fast zwangsläufig ein wünschenswertes Ziel, das wir fast verlernt zu haben scheinen. In der Medizin dagegen ist Bequemlichkeit beinahe ein Unwort, denn die Arbeit an sich selbst erfordert genau das Gegenteil: Engagement, Bewegung gegen den (eigenen) Strom, Energie. Vielleicht ein interessanter Gedanke: wieder bequem werden zu dürfen um Energie für sich selbst zu gewinnen.

    1. Liebe Elisabeth – wow! Unser kleiner Blog wird von Philosophinnen gelesen? Das ist der Ritterschlag. Dass Bequemlichkeit neben den offensichtlichen auch philosophische und mentalhygienische Aspekte haben kann, ist natürlich eine bahnbrechende Erkenntnis. Und ‚wieder bequem werden zu dürfen, um Energie für sich selbst zu gewinnen‘ ist schon jetzt mein Lieblingssatz der Woche. Danke!

      1. Liebe Evi, vielen Dank für Ihre Antwort!
        Und wie schön, daß Ihnen der Satz gefällt ;-)
        Ich find’s gut, daß Sie die Bequemlichkeit aus ihrem Sessel herausholen und ein bißchen in’s Rampenlicht stellen – sie hat es verdient.

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