Es geht um die Kleinen

Startups. Alle sprechen darüber. Wir erleben derzeit den monumentalsten Startup-Boom seit der Erfindung des Rads; dem Vernehmen nach ebenfalls ein Startup-Produkt. Alle startuppern. Auch die Logistik?

Als ob wir es nicht ahnten: Nicht so intensiv wie viele andere Branchen. Aber auf jeden Fall: Alle vier bis fünf Tage wird ein Logistik-Startup gegründet; macht im Jahr circa 70 Gründungen. In Asien und den USA geht es ungleich wilder zu. Da ist förmlich das Gründerfieber ausgebrochen. Die Zahl der Logistik-Startups ist dort deutlich größer als hierzulande, die Finanzierungssummen fallen ebenfalls mehrere Nummern größer aus.

Das ist ein wenig seltsam, da deutsche Logistikdienstleister weltbekannt sind, sehr innovativ und auf ihren Gebieten führend. Komischerweise hinken wir jedoch bei den Startups und insbesondere bei der Digitalisierung der Entwicklung hinterher. Gelinde gesagt. Einige gut geführte Unternehmen wollen das ändern.

DB Schenker zum Beispiel arbeitet intensiv mit der Startup-Szene zusammen. Der Dienstleister kooperiert mit einigen Startups, zum Beispiel mit der Frachtbörse uShip. Auf der Online-Plattform, die das Startup aufgestellt  hat, kann ich mir den für meine individuelle Sendung richtigen Frachtpartner aussuchen. Der Riese DB Schenker und das Garagen-Startup uShip kooperieren eng – zum beiderseitigen Nutzen. Der Große profitiert von der Innovationskraft, der Startup-typischen Schnelligkeit und dem Startup-Spirit des Kleinen und der Kleine profitiert von den eingespielten Strukturen und Prozessen des Großen. Win-win.

Das ist der Grund, weshalb Startup-Kooperationen in vielen Branchen derzeit das Management-Must sind. Das ist auch der Grund, weshalb DHL mit dem Startup StreetScooter kooperierte, welches das gelbe Paketauto mit Elektroantrieb selben Namens baut. Inzwischen ist das Startup eine Tochter von DHL, weil bei einem Produktionsvolumen von bis zu 10.000 E-Autos im Jahr ein Startup im engeren Sinne schlicht überfordert ist.

Was also den konkreten Transport angeht, ist die hiesige Startup-Szene rührig und stellenweise beeindruckend innovativ und produktiv. Leider trifft das nicht für die größte Disruption zu, der sich gerade alle anderen Branchen stellen: der Digitalisierung. Deshalb sieht man bei Themen wie Smart Data oder Big Data Analytics noch relativ wenig Bewegung. Hierzulande. In Asien und den USA sieht das ganz anders aus. Da sind diese Themen The Next Big Thing. Warum bei uns nicht?

Das liegt zum einen daran, dass die Logistik hierzulande die Digitale Transformation noch nicht und noch nicht weitgehend als Disruption betrachtet. Zum andern liegt es daran, dass die Startup-Szene in Asien und den USA einfach lebhafter unterwegs ist. Man sieht das bereits an den Investitionen: Dort gehen die Startups mit deutlich mehr Geld aus den Finanzierungsrunden mit den Investoren. Das beunruhigt. Das riecht ein wenig nach: Wir verschlafen gerade die Zukunft.

Da erscheinen die zaghaften Ansätze in Deutschland umso bedeutsamer. Beispielsweise atalogics aus Hamburg, das bereits in mehreren Städten aktiv ist: Das Startup ermöglicht Tür-zu-Tür-Transporte noch am selben Tag. Wer ein Paket aufgeben möchte, ruft atalogics an, der Paketbote kommt, holt mein Paket an meiner Tür ab und liefert es zur Tür des Adressaten. Noch regional begrenzt, aber binnen Tagesfrist.

Dennoch fehlt es bislang an Marktdurchdringung oder auch Bekanntheit. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist: Wenn die atalogics für Pakete mal so populär ist wie Uber für Personen, wer ruft dann noch das „Paket-Taxi“ der Paketdienste? Dann ist die Disruption da und die etablierten Unternehmen fliegen aus dem Markt oder schrumpfen wie ein punktierter Luftballon. Deshalb ist es so gefährlich, die Startup-Welle zu unterschätzen. Nicht weil Startups zu klein sind für eine echte Bedrohung.

Sondern weil Amazon, Uber, Google und alle andern Marktgiganten dieser Ära irgendwann auch mal als niedliche, knuddelige, kleine Startups angefangen haben. Bis sie zu haarigen, muskelbepackten, allesverschlingenden Leviathanen wurden. Man sollte Startups nicht ignorieren, sondern von ihnen profitieren. Besser ist das.