Was ist der meistdiskutierte Rohstoff der Zukunft? Öl ist es ganz sicher nicht. Sonnen- und Windenergie? Schon eher zukunftsträchtig. Ich denke jedoch an: Information.
Bereits heute reden wir über Big Data und Smart Data. Vor fünf Jahren erregte eine US-Supermarktkette Aufsehen, als sie per Datenanalyse die Schwangerschaft eines minderjährigen Mädchens aus Minnesota erkannte, während selbst ihr Vater noch nichts davon wusste. Dem Aufspür-Algorithmus der Datenanalysten war aufgefallen, dass das Mädchen unparfümierte Lotion eingekauft hatte – was rein rechnerisch stark mit Schwangerschaften korreliert. Also schickte die Marketing-Maschine dem Mädchen den Werbe-Flyer für Schwangere. Als der Vater ihn in der Post sah, ging ihm, gelinde gesagt, der Gaul durch. Familienzerrüttung per Postwurfsendung. Und das ist nur der Anfang.
Internet of Things, Industrie 4.0, Digitalisierung, autonome Maschinen und Geräte und deren Vernetzung – die Zukunft produziert Milliarden neuer Datensätze. Damit wird der Beruf des Informationslogistikers zum wichtigsten Zukunftsberuf. Denn der/die DatenlogistikerIn plant, steuert, realisiert und kontrolliert die Gesamtheit der Datenflüsse in Unternehmen und Supply Chain und kümmert sich um deren Speicherung, Sicherung und Aufbereitung. So weit die offizielle Definition dieses Zukunftsberufs. Angesichts des Target-Beispiels möchte ich hinzufügen: Er/sie kümmert sich auch um die ethisch-moralischen Aspekte der Behandlung des gläsernen Kunden, dem die Algorithmen jetzt schon in den Bauch sehen können. Wer also einen sicheren Job in der Zukunft möchte, belege die einschlägigen Ausbildungen und Studiengänge. Echt jetzt?
Vielleicht sollten wir dazu erst einen Blick in diese ultra-transparente Zukunft werfen. Am besten nicht mit Prognosen, denn die liegen fast naturgemäß daneben. Sondern mit Szenarien. Je mehr Szenarien man aufstellt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass man dabei auch die Zukunft „erwischt“. Szenario 1: Grenzenlose Datenwelt! Es gibt in der Zukunft absolute Datenfreiheit und eine große Bandbreite von Anbietern; von der kleinen Nischenfirma bis zu Info-Riesen wie Google. Alle Daten sind frei handelbar, abgesehen von Sicherheitsbestimmungen – das Paradies für Info-Logistiker.
Oder aber: Der gläserne Kunde schlägt zurück. Das ist ein zweites, denkbares Szenario: Nicht nur wegen Shitstorms erbitterter Kunden und Datenschützer, sondern auch wegen zunehmender Cyber-Kriminalität, wegen Cyber-Angriffen von Terroristen und wegen protektionistischen Bestrebungen einzelner Nationen („America first!“) sind Internet und Datenflüsse abgeschottet, reglementiert, reguliert. Nur eine kleine Info-Elite globaler Player genießt noch ungehindert internationalen Datenaustausch. Der Markt ist oligopolisiert: „Gott Google“ und einige wenige Global Player beherrschen die Szene. Politik und Gesellschaft haben im Internet ein neues Feindbild gefunden. Sollten wir die Berufswahl unserer Kinder und Enkel noch einmal überdenken?
Nicht unbedingt. Denn für die Zukunft gilt tendenziell der griffige Spruch aus der Terminator-Reihe: „No fate but what we make.“ Die Zukunft ist kein Vulkanausbruch. Sie passiert zu gewissen Teilen und wird zu gewissen Teilen gemacht. Ob ich in der Zukunft fünf Kilo zu viel auf die Waage bringe, kann ich ceteris paribus vielleicht nicht hundertprozentig (Medikamenten-Nebenwirkungen, Schwangerschaft …), aber ich kann es zu guten Teilen beeinflussen. Und ich sollte das auch! Ob die Zukunft von Szenario 1 auf Szenario 2 springt, können wir beeinflussen. Jetzt schon.
Genauer: Wenn nicht heute, dann kann es morgen zu spät sein. Zum einen: Wenn Unternehmen dank Smart Data und Data Mining ihr Geschäftsmodell überdenken und erweitern und neue Nutzen anbieten, warum sollten das Kunden nicht delektieren und honorieren? Motto: Mach mehr aus deinen Daten!
Zum anderen: Heute noch hat man den Eindruck, dass Internet und Data Mining in Teilen ein moralfreier Raum sind, in dem schlicht alles erlaubt ist. Daten als Ersatz für Ethik. Dass das ein Eigentor ist, hat nicht nur Target bei dem Shitstorm erfahren, der nach der Sache mit dem minderjährigen Mädchen losbrach. Wer es nicht so weit kommen lassen möchte, kodifiziert und verabschiedet eine Data Policy, in der Datensicherheit und schutzwürdige Interessen jener Menschen, deren Daten erhoben und analysiert werden, festgeschrieben werden – und befolgt diese Data Policy dann auch.
Das schafft auch in der Info-Logistik jene kritische Voraussetzung, ohne die jedes Wirtschaften und auch das Internet langfristig nicht funktionieren und überleben können: Vertrauen.