Billig ist zu teuer

Wir machen das doch alle! Wenn wir eine Waschmaschine oder einen Kühlschrank brauchen, eine neue Bohrmaschine, Heckenlanze, Akku-Schrauber, Kaffeemaschine oder PC-Drucker suchen – was machen wir dann?

Klar, logisch, richtig: Wir schauen auf den Preis. Was kost’ das? Nicht umsonst lautet der aktuelle Slogan eines notorischen TV-Werbespots: „Das Costa fast garnix!“ Will heißen: Preis ist Trumpf. Und dann packen wir den Trumpf aus und stellen spätestens bei der ersten Reparatur fest: Für den Preis der Reparatur hätten wir das nächstteurere Produkt kaufen können und hätten noch ein Schnäppchen gemacht. Das geht nicht nur uns so.

Das geht erstaunlicherweise auch und gerade vielen gestandenen Managerinnen und erfahrenen Managern so: Sie kaufen zum günstigsten Anschaffungspreis – und zahlen hinterher drauf. Das ist das Problem: Preis vs. Total Cost of Ownership (TCO, Gesamtkosten einer Anschaffung über die ganze Lebenszeit). Obwohl jeder Manager prinzipiell die TCO kennen müsste. Warum geraten viele trotzdem in die Preisfalle?

Weil sie unter einer unsinnigen Budget-Restriktion leiden: Sie dürfen nur so und soviel für eine Beschaffung ausgeben – dann nimmt man halt das billige Zeug, bevor man ganz auf die Anschaffung verzichtet. Die exorbitanten Instandhaltungs- und/oder Reparatur- und Ersatzteilkosten danach werden dann einem ganz anderen Budget belastet. Niemand hat behauptet, dass alle Unternehmen vernünftig wirtschaften können oder wollen. Wenn es vielen Unternehmen schon schwerfällt, relativ gut absehbare Kosten wie Instandhaltung und Reparatur einzukalkulieren, kann man sich vorstellen, dass es bei den Lost Sales Costs noch viel schwieriger wird.

Lost Sales Costs sind die Kosten, die einem Unternehmen entstehen, weil Kunden nicht bei ihm kaufen. In Zeiten der Globalisierung sind diese Kosten exorbitant. Beispiel: Im nächsten Jahr findet die Fußball-WM in Russland statt. Jede Wette: Wie bei der letzten EM in Frankreich taucht auch in Russland ein Wunderteam wie aus dem Nichts auf. In Frankreich waren es die Isländer, die mit ihrem markerschütternden Schlachtruf und ihrem unglaublichen Kampfgeist ganz Europa begeisterten. Als sie ihren völlig unerwarteten Siegeszug antraten, wollten plötzlich zehntausende Fans ein Island-Trikot haben. Wenn diese – wie in der Sportartikel-Industrie üblich – in Asien gefertigt werden, ist die EM oder WM längst vorbei, bis das Schiff mit dem Nachschub im Zielhafen anlandet: Hunderttausende Euro an Lost Sales Costs, an nicht verkauften Trikots, weil die Lieferkette nicht schnell genug liefert. Aber immer noch tun manche Einkäufer und Manager so, als ob es diese Kosten nicht gäbe und als ob es nur auf die billigen Arbeitslöhne in Asien ankommt. Kommt es nicht!

Denn die Reaktionsfähigkeit und die Reaktionszeit einer Lieferkette wird in unseren Tagen immer entscheidender. Auch das kennen wir: Wenn wir bestimmte Produkte nicht binnen kürzester Zeit bekommen können, verzichten wir lieber ganz darauf. Die schnellere, agilere, flexiblere Lieferkette schlägt die Langsamere. Zara weiß das.

Das spanische Mode-Label fertigt viele Artikel seiner Fast Fashion – der Name ist Programm – eben nicht wie große Teile der Textilindustrie in Asien, sondern in Südeuropa. Direkt vor der eigenen Haustür und vor den Haustüren der KundInnen. Das muss so sein. Früher genügten uns eine Herbst/Winter- und eine Frühling/Sommer-Kollektion. Heute kommen alle paar Wochen komplette Teilkollektionen in die Läden – und werden verkauft. Dieses Tempo ist mit einer globalisierten Lieferkette mit langen Lieferwegen aus Asien nicht zu halten. Was Menschen, die alle paar Wochen einen modisch neuen Fummel brauchen/wollen, glücklich macht. Wirklich?

Wer nicht nur modisch, sondern auch ethisch auf dem Laufenden ist, wird sofort zu bedenken geben: Jetzt nehmen wir den armen Lohnarbeitern in den asiatischen Sweat Shops auch noch die kargen Arbeitsplätze weg, indem wir statt wie bisher stark global nun immer stärker regional und lokal fertigen und beschaffen! Aber das täuscht.

Denn eben weil wir immer stärker regional und lokal einkaufen, kaufen wir für die Märkte in den Schwellenländern natürlich auch regional und lokal ein. Und schonen dabei auch die Umwelt, die etwas vom überbordenden internationalen Warenverkehr entlastet wird. Ein phantastischer Gedanke: Die Welt wird tatsächlich ein bisschen besser. Nicht weil wir uns moralisch so stark geläutert hätten. Nicht weil uns soziale und ökologische Nachhaltigkeit plötzlich so wichtig geworden wären (sie sind es). Sondern auch, weil die Total Cost of Ownership und insbesondere die Lost Sales Costs uns raten: Regionalisiere und lokalisiere! Etwas so durch und durch BWL-Trockenes wie die TCO machen die Welt besser – man denke.