Jede(r) hat einen Vorgesetzten. Ist Ihrer schon digital? Damit meine ich nicht, ob er digitale Technologie im Unternehmen einführt. Damit meine ich, ob er selber digital führt. Digital Leadership ist das neue Schlagwort.
Unter den Vorzeichen der Digitalen Revolution können wir zwei Arten von Führung unterscheiden:
1. Die transaktionelle Führung befasst sich mit dem Austausch zwischen Führenden und Geführten; also mit Kommunikation und Führungsverhalten rund um Aufgaben, Entlohnung, Organisation.
2. Die transformationale Führung ermöglicht und begleitet dagegen den Wandel in der Digitalen Revolution, die Veränderung von Work-Life-Balance, Arbeitskultur und Gesellschaft hin zur Annäherung, wenn nicht teilweisen Verschmelzung von Arbeit und Leben.
Während natürlich die erste Art der Führung auch weiterhin gebraucht wird, brauchen wir heute vor allem die zweite. Das zeigt auch eine Allensbach-Studie (2014) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: 39 Prozent der Befragten über 16 Jahren sind angesichts der Digitalen Transformation ängstlich oder skeptisch. Nur 20 Prozent haben eine positive Sicht auf die Digitalisierung und den damit verbundenen Wandel.
Die Ängstlichen, Skeptischen oder vielleicht einfach nur Realistischen fragen sich: Automatisierung, Autonomisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – braucht mein Unternehmen mich überhaupt noch in den kommenden Jahren? Welche Art von Arbeit gibt es in der Zukunft der Maschinen noch für uns Menschen? Und was muss ich können, um meine Arbeit zu behalten oder neue, digitale Arbeit zu bekommen?
Es ist Aufgabe der transformationalen Führung, diese Ängste in Motivation und Commitment zu verwandeln. Diese Verwandlung bewegt sich im Rahmen einiger Determinanten, wie zum Beispiel Ursula Schütze-Kreilkamp (im Herausgeber-Band „HR-Exzellenz“, Springer-Verlag 2017) ausführt:
1. Es gibt eine neue Arbeitsorganisation: Wer wann wie und wie lange mit wem zusammenarbeitet, bestimmen die Mitarbeiter in der neuen Zeit weitgehend selbst. Statt starren Organisationseinheiten und Organigrammen gibt es wechselnde Communitys und schwarmartige Vernetzungen. Diese neuen Gebilde lassen sich nicht mehr wie alte Abteilungen und Sparten „per Anweisung von oben“ führen.
2. Führungskräfte haben folgerichtig weniger formelle Macht. Sie sind weniger Vorgesetzter und mehr Coach, weniger Achiever und mehr Catalyst. Sie weisen weniger an und organisieren mehr. Sie haben weniger Macht, aber mehr Einfluss – wenn und sobald sie gelernt haben, nicht mit Macht, sondern mit Influencing zu führen.
3. Eckbüros und Firmenwagen verlieren ihren Statuswert. Als Macht und Status wird anerkannt, was von der Digital Community als wichtig und richtig anerkannt wird.
4. Das Alter spielt immer weniger eine Rolle. Eine leere Euro-Palette wuchtet mit 55 keiner mehr übern Firmenhof. Aber 200 MB Daten wuchtet noch ein 70-Jähriger locker durchs Netz. Wenn er die digitale Kompetenz dafür (erworben) hat.
Zur Digital Leadership gibt es derzeit heftige Diskussionen und prominente Bekenntnisse. Jeff Bezos zum Beispiel, Amazon-Gründer und seit diesem Cyber Monday wieder reichster Mann der Welt, schreibt in seinem aktuellen jährlichen offenen Brief an eben diese Welt, dass er im Geiste der Digital Leadership ganz neue Führungsqualitäten erworben habe, unter anderem „Disagree and commit!“
Damit meint er: Obwohl er häufig Vorschlägen, Ideen und Projekten seiner Mitarbeitenden nicht direkt zustimmt, unterstützt er sie trotzdem. Weil er ihnen insoweit vertraut, dass sie ihm keinen Mist vorschlagen und weil es viel zu viel Zeit kosten würde, wenn sie ihn erst mühsam und zeitintensiv vom Baum herunter argumentieren müssten. Das ist der (Führungs)Geist der neuen Zeit. Bezos kann das (einmal davon abgesehen, was er in Bezug auf den schwärenden Tarifstreit in Deutschland nicht kann).
Die Technologie revolutioniert sich gerade. Es wird Zeit, dass es Management und Leadership, Chefs und Führungskräfte auch tun. Neue Chefs werden gebraucht. Sie werden willkommen geheißen. Sie werden respektiert werden. Und sie werden Erfolg haben.