Die meisten sind da schon. Andersherum gefragt: Wer war wohl noch nie auf einem Digital Marketplace? Wohl die wenigsten. Die meisten von uns kennen und besuchen Plattformen wie Amazon, Uber, Zalando, AirBnB, Autoscout24, Check24, Alibaba … Warum sind diese Plattformen so populär?
Weil sie zusammenbringen, was zusammenkommen möchte: Angebot und Nachfrage. Beides ist auch ohne Plattform schon da, aber der digitale Marktplatz aggregiert beides und bringt es online zusammen. Plattformen sind die großen Zusammenbringer – im eigentlichen Sinne produzieren sie ja nichts: Amazon schreibt seine Bücher weder selber noch schneidert es seine Kleider. Interessant ist, dass solche digitalen Marktplätze gerade überall aus dem Boden schießen, in jeder Branche: Sie passen auf jedes Geschäftsmodell. Und sie ermöglichen nicht nur den Austausch von Waren, Services oder Informationen, sondern regen deren Austausch auch an. Ziemlich vehement. Und ziemlich disruptiv für traditionelle Geschäftsmodelle, fragen Sie jeden Taxler, jeden Einzelhändler oder jeden Hotelier in jeder Metropole der Welt. Oder fragen Sie die Uber-Fahrer oder viele Paketboten, die am unteren Ende der Plattform-Supply Chain fast den Mindestlohn erreichen würden, wenn sie nicht doppelt so viele Stunden ausfahren müssten wie im offiziellen Arbeitsvertrag festgehalten. Tun wir aber nicht. Meist nicht. Wir fragen meist nicht danach.
Weil die Vorteile der Plattformen das Auge blenden: Sie reduzieren die Suchkosten und steigern die Markttransparenz, sie ermöglichen einen nie dagewesenen Grad an Convenience, an Bequemlichkeit beim Suchen, Finden und Kaufen und sie können immer und überall eingesetzt werden. Auch zum Beispiel in der Logistik – da heißen die Plattformen SupplyOn oder Uber Freight. Das sind Marktplätze für Unternehmen, die etwas zu transportieren haben und Unternehmen, die das transportieren können und wollen; sogenannte B2B-Plattformen, Business to Business. SupplyOn wurde im Jahr 2000 gegründet; Bosch, Continental, Schaeffler und ZF halten die Anteile. Warum schießen überall die Plattformen aus dem Boden?
Das liegt natürlich an der steigenden Verfügbarkeit von digitalen Schlüsseltechnologien: Breitband- und mobiles Internet sowie Cloud-Lösungen. Hinzu kommt, dass digitale Marktplätze die aktuellen Megatrends unterstützen: die Maker-Bewegung (z.B. 3D-Druck: Jede(r) kann selber herstellen, was er/sie will), die Sharing Economy, die Wir-Kultur oder die wachsenden internationalen Handelsströme.
Hinzu kommt, dass die Plattformen mit einigen charmanten Charakteristika glänzen, zum Beispiel: Alle sind eingeladen! Normalerweise muss ich ein Hotel bauen, wenn ich im Übernachtungsgewerbe mitmischen möchte – oder zumindest eine Ferienwohnung einrichten und anmelden. Bei AirBnB muss ich das alles nicht (wenn wir von Regelungen einiger Städte absehen). Und weil jeder mitmachen kann, kommt so ein Marktplatz relativ schnell „vom Kuchen zur Torte“, wie der Slogan heißt: Da jeder mitmachen kann, sind es bald unzählig viele Teilnehmer im Netzwerk.
Zu ihrer ungebremsten Verbreitung trägt auch „Work smarter, not harder“ bei: Die Plattformen produzieren nur das wenigste selber und leben von dem, was andere produzieren. Das wird neuerdings unter „Work smarter“ verstanden: Man lässt andere für sich arbeiten und tritt lediglich als Mittler auf.
Und schließlich halten die Plattformen einen Trumpf: den Kundenzugang. Sie verfügen dank riesiger Datenmengen und gewitzter Algorithmen über die ultimative Transparenz. Früher war „Der Gläserne Kunde“ das Schreck- und Drohbild der Datenschützer, heute ist er praktisch Erfolgsvoraussetzung der Plattformen. Gerne wird behauptet oder weniger gern befürchtet, dass die modernen Plattformen die traditionellen Unternehmen abhängen werden/könnten. Immerhin sind analoge Unternehmen wegen ihrer relativ langsamen Prozesse und unflexiblen Strukturen nicht konkurrenzfähig mit Startups, die viel schneller Plattformen aus dem Boden stampfen können. Trotzdem wird diese Bedrohung überschätzt.
Denn Traditionsunternehmen bringen zwei Voraussetzungen mit, die für den erfolgreichen Aufbau von digitalen Marktplätzen konkurrenzlos sind: Reichweite und Vertrauen. Eben weil sie schon so lange im Markt sind, erreichen sie sehr viele und überwiegend die richtigen Kunden und haben auch deren Vertrauen gewonnen – die beste Basis für einen erfolgreichen Marketplace. Deshalb basteln derzeit viele Traditionsunternehmen an eigenen Online-Marktplätzen. Und weil das so viele Traditionsunternehmen und Startups tun und die Plattformen wie Pilze aus dem Boden schießen, sprechen die Ökonomen bereits von einem neuen Zeitalter der Marktwirtschaft: von der Plattform-Ökonomie.
Vielleicht passiert in zehn Jahren dann gar nichts mehr außerhalb solcher Plattformen. Unser ganzes Leben ist plattformiert. Niemand kann derzeit absehen, was das für uns, den Einzelhandel, die Innenstädte und die zunehmenden prekären Beschäftigungsverhältnisse bedeutet – aber: Wir werden es erleben.