Die (Wirtschafts)Welt, in der wir leben, wir oft als Haifischbecken des Turbo-Kapitalismus dargestellt, in der gnadenlose Konkurrenz jeder gegen jeden herrscht. Das mag in vielen Bereichen so sein und auch mitunter nützlich sein (Konkurrenz treibt die Qualität nach oben und die Preise nach unten). Doch für einige Themen ist es das dezidiert nicht: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Innovation und Transport.
Alle vier Themen sind dadurch charakterisiert, was jede gute Mutter, jeder Mannschaftskapitän und jede Grundschullehrerin weiß: Gemeinsam geht es besser. Zum Beispiel die Digitalisierung: Vielen Unternehmen fehlt schlicht das das Know-how dafür. Es sei denn, sie legen zusammen. Dann reicht es. Für alle. Dasselbe gilt für die Nachhaltigkeit: Warum um Himmels willen müssen zum Beispiel so viele Paketdienste mit so vielen Kleintransportern die Innenstädte verstopfen und die Anwohner verpesten? Von einer Kooperation würden wirklich alle profitieren: Die Paketdienste sparen Kosten und Flotte, während die Luft in den Innenstädten besser und der Verkehr flüssiger wird.
Dito Innovation: Studien zeigen, dass die Innovationskraft der Logistik im Branchenvergleich relativ gering ist. Auch weil für Transportinnovationen meist Unsummen und große Veränderungen nötig sind. Zu groß für einzelne Player – aber nicht für die komplette Mannschaft. Wenn und falls sich die Spieler auf dem Feld (endlich, stärker) nicht länger ausschließlich als Solisten, sondern auch als Teamspieler begreifen. Das gilt insbesondere für eine relativ neue Art der „Mannschaftsbildung“: Startups.
Im Schnitt werden weltweit ein bis zwei Logistik-Startups gegründet – pro Woche! In Deutschland fokussieren 31 Prozent aller Logistik-Startups auf Versand- und Sendungsverfolgung, 24 Prozent auf Online-Plattformen und 21 Prozent auf Datenanalyse und -lösungen. Wobei in anderen Ländern der Welt, zum Beispiel in den USA oder asiatischen Nationen, die Startup-Kultur sehr viel intensiver und produktiver ist als hierzulande. In diesen anderen Ländern investieren und kooperieren sehr viel mehr etablierte Unternehmen in und mit Startups. Vor allem deutsche Mittelständler halten sich dabei noch vornehm zurück. Das ist riskant.
Denn Startups sind die Schnellboote der Wirtschaft: viel wendiger, agiler und flexibler als ein Supertanker. Sie bilden neues Know-how sehr viel schneller, spezialisierter und tiefer als viele Traditionsunternehmen. Kooperationen mit Startups machen also Sinn. Ein Verzicht darauf kann gefährlich werden, wenn ein Unternehmen, das partout immer alles aus eigener Kraft erfinden und erreichen will, deshalb Trends verpasst, digital in Rückstand gerät und Aufträge an Konkurrenten verliert, die schneller digitalisieren und transformieren. Möglicherweise weil sie eben mit hoch spezialisierten Startups kooperieren: Kooperation schützt vor Konkurrenz. Einigermaßen paradox, aber eben auch von eminenter strategischer Bedeutung.
Von so einer asymmetrischen Kooperation profitieren beide in besonderem Maße: Der große Partner mit Tradition von der ungeheuren Innovationskraft, dem Know-how und der Spezialisierung des Kleinen. Und das Startup von der größeren Finanzkraft, der funktionierenden Verwaltung und dem Marktzugang des älteren Partners.
Auch eine andere Art der Kooperation wird in diesen Tagen immer wichtiger: die horizontale Kooperation zwischen gleichwertigen Partnern aus der eigenen, aber auch aus anderen Branchen. Das heißt: Selbst Konkurrenten derselben Branche kooperieren miteinander, weil für die Themen und Ziele der Kooperation eine Konkurrenz unsinnig oder ineffizient wäre. Natürlich müssen hierbei die Vorschriften des Wettbewerbsgesetzes beachtet werden: Niemand möchte, dass bei der Kooperationsrunde plötzlich die Wettbewerbshüter auftauchen und Razzia machen. Doch dieser Vorbehalt ist mit einer sorgfältigen Auswahl der Kooperationspartner, einer transparenten Dokumentation und eventuell unter neutraler Moderation kein unüberwindliches Hindernis. Viele Kooperationen machen das so – sonst würde es auch keine branchenübergreifenden Industriestandards geben.
Wenn Kooperationen gerade in unseren Zeiten des rasanten und tiefgreifenden Wandels so wichtig sind und täglich wichtiger werden – warum wird dann in vielen Bereichen immer noch so wenig kooperiert? Weil sich Kooperationen nicht mit dem verbreiteten Führungsethos „Command & Control“ managen lassen. Nur wer auf Augenhöhe, partnerschaftlich, gleichberechtigt managen kann und will, trägt die eigene Kooperation zum Erfolg. Leidet ein Unternehmen unter einer dezidierten Einzelkämpfer-Kultur, die von Misstrauen gegenüber allem, was entfernt ein Konkurrent sein könnte, geprägt ist, fällt kooperieren schwer. Schließlich möchte niemand fahrlässig Firmengeheimnisse herausgeben. Warum gibt es dann aber doch zahlreiche äußerst erfolgreiche Kooperationen?
Weil in den Tagen der 4. Industriellen Revolution mehr als jemals zuvor in den letzten Jahrzehnten gilt: Die Risiken einer Kooperation lassen sich mit kompetenter Führung problemlos managen, während die Chancen und Nutzen einer klugen Kooperation jedes vernünftige Risiko rechtfertigen und mehr als wettmachen: Kooperation lohnt sich. Übrigens nicht nur zwischen Unternehmen. Mit wem möchten Sie heute besser zusammenarbeiten, zusammenleben, kommunizieren? Es lohnt sich. Für alle. Miteinander ist besser.