Wohin mit dem Müll?

Haben Sie heute schon den Müll rausgebracht? Wohin? Nicht mehr nach China.

Seit dem ersten Januar hat China die Mülleinfuhr gestoppt. Was beim ersten Hören leicht komisch wirkt, gewinnt an Drohpotenzial, sobald man den Hintergrund sieht: China war bislang „Die Müllkippe der Welt“, die Destination Number One für den internationalen Mülltourismus. Mehr als die Hälfte des weltweiten Plastikmülls zum Beispiel wurde nach China verschifft. Ganze Flotten von Müllschiffen bewegen sich auf den Meeren. Knapp zwei Jahrzehnte lang war China der größte Müllimporteur der Welt. Warum importiert jemand Müll?

China hatte einen guten Grund: Es konnte nicht alle Materialien für sein explosives Wirtschaftswachstum selber herstellen – also recycelte es sie aus den Abfällen der Industrieländer. Inzwischen kann es a) diese Materialien in ausreichendem Maße und notwendiger Qualität selber produzieren und produziert b) auch selber so viel Müll, dass es den Müll der Welt nicht mehr braucht.

Allein im letzten Jahr hatte das Land noch über sieben Millionen Tonnen Plastikmüll importiert; 750.000 Tonnen allein aus Deutschland: Folien und Schalen von Obst und Gemüse, Plastiktüten, PET-Flaschen. Wir Deutschen „produzieren“ jährlich pro Kopf 37 Kilo Plastikmüll. Unsere Recycling-Quote für Kunststoff liegt jedoch bei nur 36 Prozent. Bis 2022 soll sie zwar auf 63 Prozent steigen. Aber das reicht eben noch nicht. Denn was machen wir mit den restlichen Tonnen, wenn wir sie nicht mehr nach China schippern lassen können?

Zwei Szenarien sind (unter anderem) denkbar. Szenario 1: Die müllexportierenden Länder begreifen das chinesische Importverbot als Herausforderung und verändern ihr Müllverhalten. Sie recyceln noch intensiver, bauen noch bessere Sortieranlagen und Zwischenlager und erlassen neue Gesetze, nach denen zum Beispiel jeweils X Prozent der im Umlauf befindlichen Verpackungen aus recyceltem Material hergestellt werden müssen. Außerdem fördern sie die Verpackungsreduktion, die vielfältige Nutzung von recyceltem Material und die Langlebigkeit von Produkten (unter dem Aufschrei jener Menschen, die zum Beispiel alle zehn Monate ein neues Smartphone „brauchen“).

Teile dieses Szenarios werden bereits Wirklichkeit. Ein Hersteller von Spülmittel ist zum Beispiel bekannt dafür, dass heute schon ein Drittel des Plastiks für die Plastikflasche, aus der sein Spülmittel kommt, aus recyceltem Material besteht. Wenn andere es ihm gleichtun, könnten Verpackungen und damit Produkte teurer werden, da Recycling oft mehr kostet. Sagen wir: Jedes plastikintensive Produkt wird ein, zwei Cent teurer. Noch ein Aufschrei ertönt! Hauptsächlich von jenen, die, kaum ist der Aufschrei ihren Kehlen entronnen, dann die PET-Pfandflasche im Park liegen lassen, wo sie sich zu Hunderten anderer gesellt, deren ehemalige Eigner sich herrlich über zwei Cent aufregen können, während sie 25 Cent Pfand im Park liegen lassen. Täglich. Das Leben wäre intellektuell so viel ergiebiger, wenn die knapp acht Milliarden vernunftbegabter Wesen ihre Vernunft nicht nur als Begabung, sondern als Betätigung begreifen würden. Aber nehmen wir uns Konsumenten nicht zu sehr aufs Korn.

Einen Großteil des Plastikmülls produziert nämlich immer noch die Industrie. Hier muss die Politik ansetzen, hier muss sie endlich einheitliche Bedingungen beim Müllvermeiden schaffen.

Auf Bundesebene gibt es hier noch einiges zu tun, aber zumindest ist die EU-Kommission sehr rege. Sie hat festgestellt, dass Europa jährlich 25 Millionen Tonnen Kunststoffe produziert, von denen 95 Prozent nur ein einziges Mal verwendet und dann weggeworfen werden. Deshalb will sie unter anderem die Nutzung von Plastiktüten beim Einkauf bis 2019 im Vergleich zu 2010 um 80 Prozent reduzieren. Mal ehrlich: So eine Stoff- oder Jutetasche oder eine große Kunststoff-Tasche mit praktisch ewiger Lebensdauer, ergonomischen Griffen und hoher Tragkraft ist ja auch viel praktischer und schöner anzuschauen. Ich würde wetten, dass auch Sie (mindestens) eine haben. Wenn wir gerade dabei sind: Ihren Coffee to go trinken Sie schon aus dem eigenen Mehrfachbecher? Vorbildlich.

Gleichzeitig werden im Zuge des gesteigerten Recyclings wegen Chinas Einfuhrstopp neue Anlagen gebaut, Tausende neuer Arbeitsplätze entstehen und die Kreislaufwirtschaft wesentlich wachsen. Und das alles für ein blendendes Ergebnis: Eine Zukunft mit weniger Müll! Hört sich doch gut an, oder?

Ach übrigens: Was ist Szenario 2? Dies: Statt in China kippen wir ab sofort in Afrika unseren Müll auf die Halde.

Das wäre jedoch nicht besonders nachhaltig. Versuchen wir uns lieber an Szenario 1!