Alles redet von autonom fahrenden Autos. Reden? Die fahren schon!
Und jetzt werden auch halbautonome LKW getestet und zwar im Konvoi. Nennt sich Truck Platooning: Drei bis fünf LKW fahren dicht an dicht hintereinander, nur mit wenigen Metern Abstand. Im ersten sitzt noch ein Fahrer, in den Folgefahrzeugen nicht mehr. Die Folge-LKW bleiben in der Spur des Leit-LKW dank ihres autonomen Lenksystems. Wir kennen das vom Radrennen.
Wer im Windschatten des Vordermannes, der Vorderfrau fährt, reduziert seinen Luftwiderstand. Der Radler spart Kraft, der LKW spart Kraftstoff – bis zu zehn Prozent. Und mit Kraftstoffverbrauch und Spritkosten wird auch der Schadstoffausstoß reduziert; das tut Umwelt und Mensch gut.
In der Testphase fahren die Platoon-LKW seit gut zwei Jahren; zum Beispiel von Daimler und MAN in den USA. Aktuell startet in diesen Tagen in Japan auf öffentlichen Autobahnen ein einwöchiges Testprojekt von FUSO, der Daimler-Tochter. Sie ist in Japan vor allem bekannt für ihre E-LKW und steht ganz vorne bei der Entwicklung autonomer LKW. Im japanischen Testprojekt fährt ein LKW mit Fahrer vor zwei LKW ohne Fahrer. Wir generalisieren mal rasch: Zwei Drittel der Brummi-Fahrer werden demnächst also arbeitslos sein. Weltweit. Das sind Hunderttausende.
Das passt nahtlos zu Prognosen, die 75 Prozent aller Arbeitsplätze über alle Branchen hinweg von Digitalisierung, Automatisierung, Robotisierung und Autonomisierung gefährdet sehen. Echt jetzt?
Das Beispiel Truck Platooning zeigt, wie irreführend solche Panik-Parolen sind: Die Nachfrage nach LKW-Fahrern ist aktuell deutlich größer als das Angebot. Spediteure entlassen also erst einmal keine Fahrer, weil ihnen Fahrer fehlen. Im Gegenteil. Sie werden froh sein, wenn das Platooning kommt. Dann fallen endlich keine Transporte mehr aus, bloß weil Fahrer fehlen.
Außerdem: Platooning funktioniert absehbar nur auf Autobahnen. Doch gerade Lieferungen auf der letzten Meile nehmen seit einigen Jahren heftig zu. Dafür sind wir in unserem Online-Konsumrausch verantwortlich. Und schließlich muss für eine Autobahn-Lieferfahrt im drittel- oder fünftel-autonomen Konvoi auch erst einmal Ladung für drei bis fünf LKW zusammenkommen. Das alles sind einschränkende Voraussetzungen. Die Technik nicht?
Nein, die Technik steht so weit – sonst würden sich die Hersteller nicht auf Japans öffentliche Straßen trauen (man stelle sich das PR-Desaster bei einem Unfall im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit vor). Was die Technik noch aufhält, ist der Gesetzgeber. Er hat bislang noch keinen gesetzlichen Rahmen aufgestellt. Nicht einmal in Japan.
Dort soll der streng überwachte öffentliche Test den verantwortlichen Ministerien auch die nötigen Informationen für den regulatorischen Rahmen liefern. Auf Basis der Daten des Versuchs. Die Juristen werden dann die Regressfrage klären müssen: Wer haftet, wenn trotz moderner Technik doch ein Unfall passiert? Etwa der Hersteller? Der LKW- oder der Software-Hersteller? Sobald diese und andere rechtliche Fragen geklärt sind, können die Konvois starten.
Auch in Deutschland. Stärker tabuiert als die rechtlichen Fragen ist die Datensicherheit. Seit es das Internet gibt, haben wir uns daran gewöhnt, dass Hacker periodisch und im Zweifelsfall jede Sicherheitsvorkehrung knacken können. Alles, was digital ist, kann auch gehackt werden: Computer, Kernkraftwerke, Hospitäler, Smartphones, Herzschrittmacher, PKW, Smart Homes. Was, wenn ein Hacker einen mit hundert Sachen auf der Autobahn dahinbrausenden 5er-Konvoi hackt und schnurstracks querfeldein in die Pampa holpern lässt? Oder ein Terrorist den Konvoi zur rollenden Bombe hackt und durch einen 20-km-Stau pflügen lässt? Wir leben in interessanten Zeiten; zynisch gesprochen.
Etwas realistischer: Wir leben in herausfordernden Zeiten. Niemand möchte in der Vergangenheit stehenbleiben, aber auch niemand möchte die Büchse der Pandora öffnen. Die Logistik ist in dieser Zukunftsfrage tatsächlich einmal der Innovationsführer. Alle Akteure beobachten die Testfahrten mit Argusaugen. Denn wenn der Gesetzgeber grünes Licht gibt, wird Platooning ganz sicher ein Wettbewerbsvorteil, gegen den kaum Widerstand zu erwarten ist: Dass weniger Abgase in die Luft geblasen werden, wollen wir schließlich alle.