Viele radeln inzwischen – wenn Jahreszeit, Strecke und Wetter es zulassen – zur Arbeit. Ist gesünder und schont Umwelt und Geldbeutel. Wie umweltschonend wäre es erst, wenn nicht nur wir, sondern auch die Tonnen Zeugs, die wir uns jahrein, jahraus im Internet bestellen, mit dem Rad kämen? Geht das überhaupt? Lastenrad statt Diesel?
Genau dieser Frage geht aktuell ein Pilotprojekt nach, das gemeinsam von unserem Lehrstuhl, von der Siemens-Division Building Technologies und von VeloCARRIER durchgeführt wird. Uns brauchen wir nicht mehr vorzustellen, Siemens Building Technologies ist der Siemens-Bereich, der mit über 27.000 Mitarbeitenden von der Großbaustelle über Brandschutz, Sicherheit, Komfort und Energieeffizienz bis hin zum kleinsten Ersatzteil Gebäude mit der entsprechenden Technik ausstattet. Aber wer ist VeloCARRIER?
Das Tübinger Startup startete 2014 und liefert inzwischen in acht deutschen Städten mit insgesamt 52 Elektro-Lastenfahrrädern Waren aus. Das gemeinsame Pilotprojekt ist vor einigen Wochen in Stuttgart angelaufen. Die dort eingesetzten Lastenräder verdienen ihren Namen: Die aktuellen Modelle transportieren bis zu 200 Kilo Nutzlast zusätzlich zum Fahrer. Diese Nutzlast muss der Biker nicht mit eigener Muskelkraft die Weinsteige hochstrampeln! Er müsste dazu Beinmuskeln wie ein Gewichtheber haben. Nein, die Lastenräder sind selbstverständlich E-Bikes, deren Akku vier bis fünf Stunden schafft. Mehr ist für die City-Logistik nicht nötig.
Noch läuft das Pilotprojekt, doch die Erfahrung des Tübinger Startups zeigt Erstaunliches wie Erfreuliches: Eine Flotte von E-Lastenrädern kann dieselbe Zuverlässigkeit und Lieferleistung erbringen wie Auslieferungsfahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Und dies bei jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit; selbstverständlich auch im Winter und deutlich umwelt-, luft- und anwohnerschonender als der Diesel.
Die nächste Generation der E-Lastenräder soll sogar 400 Kilo schleppen können. Auch die Standzeit der Akkus verbessert sich von Jahr zu Jahr. Und die technische Ausstattung und Systemgestaltung: Die neuen Räder steigern die Prozesseffizienz zum Beispiel durch Wechselboxen deutlich. Der Fahrer verliert keine Zeit mehr mit dem Auf- und Abladen seiner Traglast. Er klinkt beim Kunden einfach die Wechselbox aus, radelt ins Lager zurück und klinkt die nächste Box ein, wechselt vielleicht noch den Akku – aber das alles ist minutenschnell erledigt. Das E-Lastenrad rollt praktisch nonstop bei maximaler Effizienz.
Was das E-Lastenbike für die City ist, soll der Streetscooter für den außerstädtischen Bereich werden. Der kastenförmige Elektro-LKW ist vielerorts bereits bekannt, weil ihn auch die Post zur Auslieferung einsetzt. Siemens BT plant, mit dem Scooter langfristig die Kunden außerhalb der Großstädte zu versorgen. Dank E-Bike und Scooter soll die Auslieferung der Zukunft einmal rein elektrisch erfolgen. Die Zeichen dafür stehen günstig: Das Feedback zum Stuttgarter Pilotprojekt ist von allen beteiligten Seiten derart positiv, dass sich die Pilotpartner eine Ausweitung der Lastenradbelieferung auf andere deutsche Großstädte vorstellen können. Warum machen wir das?
Warum finden sich Projektpartner von Universitäten und aus der Wirtschaft zusammen, um gemeinsam Pilotprojekte zu starten?
Weil Wissenschaft im besten Sinne so funktioniert. Es gibt hierzulande Hunderte, wenn nicht Tausende Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen. Jeder Lehrstuhl, der nicht nur für wissenschaftliche Journals, sondern selbstverständlich auch für Wirtschaft und Menschen forscht, pflegt solche Kooperationen. Natürlich forschen Wissenschaftler auch oft und viel sozusagen im Elfenbeinturm für die Grundlagenforschung. Doch am Ende des Tages entscheidet sich der Nutzen einer Forschung daran, was sie in der realen Praxis bringt und wie belastbar der Nachweis dieses Nutzens gelingt. Es macht einen Unterschied, ob ein Unternehmen vermutet, dass Lastenräder besser für die Umwelt sind und gleichzeitig die gewohnt hohe Lieferleistung bringen – oder ob das wissenschaftlich fundiert jenseits jeden vernünftigen Zweifels nachgewiesen werden kann. Eben zum Beispiel mit einer Kooperation, einem Pilot- oder Forschungsprojekt, einer Studie.
Deshalb sind beide Seiten so interessiert an solchen Kooperationen: Wirtschaft und Hochschule. Und deshalb lohnt es sich auch für beide. Das Unternehmen kommt schneller voran. Und der Lehrstuhl sieht, was sein Wissen wert ist. Denn letztendlich ist jedes Wissen nur so gut, wie es in der Anwendung funktioniert.
Ich finde diese Kooperationen auch für sehr sinnvoll. Vor einiger Zeit ist mir in der Nürnberger Innenstadt ein Auslieferfahrzeug von GLS, ebenfalls mit E-Antrieb und einem kleinem Kofferaufbau begegnet. ….also, es tut sich selbst bei den Logistikern was.
Da schau her. Danke, Norbert, für Ihre Beobachtung und Ihren Hinweis. Also auch GLS macht auf Elektro. Und ja: Es tut sich was. Ich glaube, das ist entgegen der ständigen medialen Meckerei die Erkenntnis der Stunde: Es geht doch, trotz aller Unkenrufe, voran.