Hintern hoch!

Schon gesehen? Mein neues Buch ist da: „Ihr kriegt den Arsch nicht hoch: Über eine Elite ohne Ambitionen“. Heftiger Titel? Mindestens genauso heftig wie der Frust, die Wut, die Enttäuschung und die Empörung, die uns alle täglich mehrfach überfallen, wenn wir sehen müssen:

  • Wir hängen uns wieder voll rein – und was macht der Kollege, die Kollegin? Sich einen faulen Lenz.
  • Wir haben echt was geschafft, etwas erreicht und ausgerechnet jener Kommilitone, der sich bei der Gruppenarbeit kaum geregt hat, annektiert jetzt den Erfolg der Gruppe für sich und profiliert sich vor der Professorin.
  • Dito im Beruf: Fünf KollegInnen in der Abteilung, im Projekt, in der Arbeitsgruppe arbeiten die anstehenden Aufgaben ab, während zwei lieber ihre eigenen Steckenpferdprojekte verfolgen, die niemandem etwas bringen – außer der Selbstgefälligkeit der Steckenpferd-Reiter.
  • Oder im Meeting: Alle wollen in der Sache vorankommen, nur der Kollege, die Kollegin nicht, der oder die alles besser weiß, ständig kritisiert und mit seinen schlauen Reden nur jene aufhält, die endlich loslegen wollen.

Kennen wir? Kennen wir alle. Und regen uns auf. Es gibt einfach zu viele Menschen, die wenig leisten, sich aber für weiß Gott wen halten, sich elitär geben – eben typisch Pseudo-Elite.

Damit meinen wir nicht jene Menschen, die sich voll verausgaben und schlicht nicht mehr leisten können, total überlastet sind und nicht mehr wissen, wo ihnen vor lauter Arbeit der Kopf steht. Sie leisten ja, was sie können! Nein, unsere Empörung richtet sich gegen jene, die eben das nicht tun: Das zu leisten, was sie könnten. Jene, die ihre Fähigkeiten, Talente und Kompetenzen aus welchen Gründen auch immer nicht voll ausschöpfen, Arbeit liegen lassen und sich der Verantwortung entziehen. Mit unschönen Folgen.

Was passiert denn, wenn gut ausgebildete und eigentlich leistungsfähige Menschen sich nicht der Bewältigung der anstehenden Aufgaben verpflichtet fühlen? Es passiert das, was derzeit passiert: Diesel-Gate, Klima-Katastrophe, Zwei-Klassen-Medizin. Und es bleibt liegen, was uns unter den Nägeln brennt: die Digitalisierung von Unternehmen und Gesellschaft, Alters- und Kinderarmut, gesunde Atemluft und bezahlbarer Wohnraum in den Großstädten … Wie sollen wir das alles stemmen, wenn ein großer Teil der Menschen nicht mit anpackt? Warum packen die nicht mit allen Kräften an?

Der plakativste Grund dafür ist ein falsches Verständnis von Work-Life-Balance. Wir alle leben nicht nur für die Arbeit. Wir alle möchten ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Leben. Dieser an sich sinnvolle Gedanke ist in letzter Zeit leider in ein Extrem abgerutscht, das suggeriert: Arbeit ist der natürlich Feind eines gesunden Lebens und muss weitgehend vermieden werden. Und nun stellen wir uns vor, das gelänge uns: Ab morgen müssen wir nie wieder arbeiten! Was fangen wir mit unserem Leben an? Nach 14 Tagen sind wir wundgelegen!

Diese Extremüberlegung zeigt den leidigen Irrtum hinter der aktuellen Auslegung der Work-Life-Balance: Es kommt nicht so sehr darauf an, wie lange wir arbeiten und leisten, sondern was und wie. Eine sinnarme, sinnentleerte oder gar entfremdete Arbeit zerstört die Work-Life-Balance doch nicht erst nach Jahren, sondern schon nach zehn Minuten, weil sie uns in den Wahnsinn, respektive den Bore-out treibt.

Besonders ärgerlich an den Leistungsvermeidern ist: Die Arbeit, die sie liegenlassen, verschwindet ja nicht. Was einzelne (es sind immer dieselben) KollegInnen, Chefs, Politiker, Nachbarn, säumige Lieferanten, die lieben Kinderlein, die es eigentlich besser wissen müssten und auch besser könnten, was bestimmte Entscheidungs- und Verantwortungsträger in allen Bereichen von Beruf und Gesellschaft liegenlassen – das müssen dann regelmäßig wir übernehmen, aufputzen, hinterherarbeiten und uns dazu noch die halbgaren und nicht selten frechen Ausreden der Arbeitsvermeider anhören. Das geht doch nicht!

Ich möchte keine(n) dazu animieren, 16 Stunden am Tag zu arbeiten (ich will es aber auch keinem/r verbieten). Es geht vielmehr darum, Leistung nicht länger als Störfaktor des Lebensglücks zu betrachten und als etwas, das es zu minimieren gilt. Sondern als etwas, das Mittel zum Erfolg, zum Glück, zur sinnvoll verstandenen Work-Life-Balance, zu einem erfüllten Leben sein kann.

Mit einer solchen Einstellung leben wir nicht nur besser. Wir erzielen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in kürzerer Zeit mehr Ergebnis. Wer in seiner Arbeit und seinen häuslichen, familiären, privaten und gesellschaftlichen Aufgaben voll aufgeht und sich deshalb vorbehaltlos und mit vollem Einsatz engagiert, schafft mehr als jemand, der Tag für Tag die Stunden bis Feierabend zählt. Glücklicher, zufriedener und erfüllter ist ein Mensch mit so einem Leistungsethos ebenfalls. Dieses Glück steht uns allen offen.  

4 Kommentare zu „Hintern hoch!

    1. Vielen Dank, lieber Christian, für Ihre Sympathie und dass Ihnen als einem der wenigen auffällt, was wirklich auffallend ist: Manche geben sich richtig Mühe, mich misszuverstehen. Ob das daran liegt, dass die betreffenden Redaktionen einfach viel zu weit von der Arbeitsrealität in der Wirtschaft entfernt sind oder selber von der Pseudo-Elite gekapert wurden, wäre eine interessante Frage.

      Mit freundlichen Gruß,
      Evi Hartmann

  1. Den Lebensabschnitt Beruf habe ich bereits hinter mir.

    Insbesondere die letzten beiden Absätze des Artikels kann ich dick und fett unterstreichen. Es trifft zu, dass mit dieser Einstellung der Weg zu einem erfüllten und glücklichem Berufsleben geebnet ist.

    Die Zufriedenheit danach im Ruhestand ist auch ein weiterer Aspekt, der es lohnenswert macht „den Arsch hochzukriegen“.

    1. Hallo Norbert! Sie ergänzen wieder einen wichtigen Aspekt: Ich sehe ebenfalls viele Pensionäre, die sich vor lauter Freude darüber, dass nun die ‚elende Plackerei‘ endlich vorüber ist, bequem im Sessel zurücklehnen, damit aber nicht das ersehnte Altersglück erreichen, sondern, wie das Sprichwort sagt: Wer rastet, der rostet. Immer in Bewegung bleiben!

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