Heute leben noch genau halb so viele Wirbeltiere auf der Erde wie noch vor 40 Jahren. Die Biodiversität, die Vielfalt der Arten von Lebewesen auf der Erde nimmt laufend ab. Anders ausgedrückt: Der Mensch rottet die anderen Arten aus – und noch nicht einmal böswillig oder vorsätzlich.
Sondern schlicht fahrlässig und grob gedankenlos. Nach uns die Sintflut. Wobei es dieser apokalyptischen Überschwemmung gar nicht mehr zur Ausrottung der Arten bedarf: Wir sind die Sintflut. Wir machen den anderen Arten den Garaus – und damit letztendlich uns selbst.
Denn die vielen anderen Tiere auf der Welt sind keine schöne Dreingabe der Schöpfung, sondern eine natürliche Ressource, die nichts weniger tut als die Stabilität unseres Ökosystems zu garantieren.
Wenn wir Autofahrer uns zum Beispiel darüber freuen, dass nach einer Überlandfahrt deutlich weniger Insekten auf der Windschutzscheibe kleben als noch vor 30 Jahren, dann bedeutet das auch: Singvögel sterben mangels Futter aus – der Frühling verstummt. Wir können ausrotten, wen wir auch wollen, am Ende trifft es doch immer wieder uns selbst. Das verstehen wir aber noch nicht so weit, dass es uns ausreichend motivieren würde, unser Verhalten zu ändern. Wir lesen zum Beispiel in der Zeitung, dass die Insekten immer weniger werden und können uns nicht vorstellen, warum der Zeitungskolumnist so einen Aufstand darum macht, weil: Was hat die Mücke je für uns getan? – wie übrigens der Titel eines aktuellen Öko-Bestsellers lautet.
Die Antwort: Eine Menge – aber wir sehen das nicht und rotten munter weiter Arten aus. Der Elefant im Porzellanladen richtet nicht halb so viel Schaden an wie wir, wenn wir zum Beispiel massenhaft unterwegs sind. Entweder weil wir selber mit dem Verbrenner durch die Gegend fahren – oder unsere Online-Bestellungen. Die Millionen Tonnen Schadstoffe, die dabei die Luft verpesten, sind nicht nur Gift für Menschen, sondern auch für Pflanzen und Tiere. Und die Milliarden Paketsendungen benötigen ja nicht nur Transportmittel, sondern auch Lager und andere Infrastruktur, für die Boden verbaut und versiegelt wird. Die „Verkehrsmortalität“ von Otter, Steinmarder und Wildkatzen ist ein Hauptgrund dafür, dass diese und andere Arten auf der Liste bedrohter Tiere gelandet sind.
Dafür fördern wir die falschen Arten mit unserer Art der Logistik; zum Beispiel gebietsfremde invasive Arten. Vor kurzem wütete zum Beispiel die asiatische Riesen-Hornisse in den USA. Sie wurde vermutlich von riesigen Containerschiffen zwischen der Fracht eingeschleppt und biss den heimischen Honigbienen die Köpfe ab.
Glücklicherweise sind Sie und ich nicht die einzigen, die das nicht gut finden. Inzwischen erkennen immer mehr Unternehmen, dass es bad for business ist, wenn der Mensch erst die Arten und danach sich selbst ausrottet. Immer mehr Firmen bezuschussen ÖPNV-Jahrestickets oder stellen Firmen-Bikes zur Verfügung. Immer mehr schaffen an ihren Standorten ökologische Nischen für die Artenvielfalt oder stellen zumindest Insekten-Hotels auf. Die Energiespartechnik in den Gebäuden spart nicht nur Kosten, sondern schont auch die Umwelt. Und anstatt neue Grünflächen zu verbauen, überlegen die Strategiestäbe der Discounter, über ihren Ladenflächen Wohnraum aufzustocken.
Zwar redet jetzt alles vom Lieferkettengesetz, doch heute schon verpflichten smarte Hersteller und Händler ihre Lieferanten, auch ökologische Standards einzuhalten und transportieren Seefracht zum Beispiel nur mit Schiffen, die über eine Ballastwasserreinigungsanlage verfügen. Beim Transport von Waren schauen verantwortliche E-Shops längst darauf, ob ihr Logistikdienstleister ein Öko-Label trägt und ein Umweltmanagement betreibt. Und ich kenne mittlerweile Online Shopper, die vor dem Bestell-Klick nachschauen, ob der Lieferdienst, der die Bestellung liefern wird, seine Abgase wenn (noch) nicht mit E-Transportern vermeidet, so doch kompensiert und dafür zum Beispiel Bäumchen pflanzt. Das machen Besteller und Logistikdienstleister sicher nicht aus reiner Großherzigkeit, sondern auch und gerade im Eigeninteresse der Spezies Mensch.
Denn wenn wir bis in weiteren 40 Jahren auch die andere Hälfte der Wirbeltiere ausgerottet haben werden und die einzigen überlebenden Wirbeltiere auf diesem Planeten sein werden, wird das sicher nicht lustig werden.