Das wollen wir alle sein. Außergewöhnlich. Manche sind es. Andere sind angewiesen auf außergewöhnliche Menschen – in ihrem Team, in der Abteilung, der Firma, in der Familie, im Verein, auf der Behörde … und was haben wir stattdessen leider oft?
Passive, demotivierte oder passiv-aggressive Kolleginnen und Kollegen, Chefs, Mitarbeiter, Verwandte. Manche nehmen das achselzuckend als gegeben. Andere können motivieren. Warum nicht alle?
Warum sind wir nicht alle längst große Motivatoren? Weil wohl kein Thema der Welt so von Missverständnissen verstellt wurde. Das beginnt schon beim Wort.
Motivation ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht das, was ein anderer mit einem macht. Motivation ist vielmehr der Zustand, in dem ein Mensch sich befindet, wenn er etwas macht. Genauer: Es ist jener Zustand, der mich bewegt (lateinisch motus: Bewegung), das zu tun, was nötig, wünschenswert oder angeordnet ist – und das zugleich bei gleichbleibender Richtung und Intensität. Das heißt, was viele bei einer Diät machen, wenn sie behaupten, „voll motiviert“ zu sein, ist keine Motivation, wenn sie nach fünf Tagen abbrechen. Es fehlen gleichbleibende Richtung und Intensität. Die Intensität zumindest gewinnen sie dann stante pede zurück, wenn sie der Heißhunger-Attacke nachgeben. Motivationsversagen.
Wenn wir nicht einmal für eine bitter nötige Diät, also für unsere Gesundheit, unser eigenes körperliches Wohl genügend intrinsische Motivation aufbringen können, kann kein Chef von seinen Mitarbeitern genügend davon bei der Arbeit erwarten. Genau das jedoch tun viele: „Das sind alles erwachsene Leute. Die wissen, wofür sie arbeiten, dafür werden sie schließlich bezahlt, die sollen sich gefälligst selber motivieren!“ Es wäre schön, wenn sie das täten. Doch das tun sie in der Regel nicht. Warum nicht?
Weil – Hand aufs Herz – kein Mensch weiß, wie man sich oder andere motiviert. „Komm, das schaffst du! You can get it if you really want it!“ Echt jetzt? Motivation ist das, was Hollywood Movies und halbgare Internet-Aktivisten als solche verkaufen? Ist es nicht. Das erklärt, warum echte Motivationsstrategien sich weiterhin millionenfach verkaufen; zum Beispiel „Drive“ von Dan Pink.
Es gibt viele Motivationsstrategien mit Meriten. Jene von Dan Pink besticht durch ihre extreme Komplexitätsreduktion und Praktikabilität: Nur drei Faktoren! Sie basieren auf der wissenschaftlich etablierten Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985). Die einleuchtende Idee dahinter: Vieles motiviert uns. Doch am meisten, nachhaltigsten und intensivsten motiviert uns alles, womit und wobei wir unser Leben, Beruf und Schicksal selbst bestimmen können. Ständig gesagt zu bekommen, was man tun soll, demotiviert. Selber machen können und dürfen, motiviert. Diese existenzialistische Einsicht teilen Psychologie und Poesie, wie zum Beispiel das vielzitierte Gedicht „Invictus“ von William Ernest Henley belegt, dessen Schlussverse lauten:
I am the master of my fate
I am the captain of my soul – und nicht mein Chef, mein Partner oder irgendwer sonst.
Wobei den ersten Basis-Faktor besagten 3-Faktoren-Modells heutzutage jeder kennt. Erraten?
Natürlich: der Purpose, der überragende Sinn und Zweck eines Unternehmens oder einer konkreten Aufgabe. Der Fachkräftemangel in vielen Berufen zum Beispiel liegt auch daran, dass sich in unseren Zeiten, wo kaum eine Fachkraft im engeren Sinne mehr fürs nackte wirtschaftliche Überleben arbeitet, auch keiner mehr einen überragenden Sinn und Zweck darin sieht, täglich acht Stunden beispielsweise Dokumente zu drucken, abzulegen und wieder zu shreddern. Wozu das alles? Was soll der tiefere Sinn davon sein? Jeder Job, jede Aufgabe, die darauf eine stabile Antwort bietet, motiviert Menschen.
Der zweite Faktor ist Mastery: Jede Aufgabe motiviert uns, bei der wir vielleicht nicht aus dem Stand, aber absehbar richtig gut sein können und uns und anderen beweisen können, dass wir es und was wir so alles draufhaben.
Dritter Faktor: Autonomie. Viele Chefs verstehen das. Sie führen ihre Mitarbeiter am kurzen Zügel und schauen ihnen ständig über die Schulter, so dass sie nicht den geringsten Spielraum haben – weil letztendlich der Chef die Verantwortung trägt. Das ist verständlich und maximal demotivierend. Anders jene Führungskräfte, die bei einer Aufgabe das Was vorgeben und das Wie dem Mitarbeiter überlassen – innerhalb eines gesteckten Rahmens. Das motiviert (alle, die nicht ausschließlich auf Anweisung arbeiten wollen), weil es die Autonomie, die eigene Selbstständigkeit im Denken und Handeln fördert.
Es fällt vielen Führungskräften inzwischen leicht, bei Aufgaben, die sie sich selbst oder anderen geben, diese drei Check-Kästchen abzuchecken:
- Purpose: Das, was getan werden muss – habe ich den über die eigentliche Aufgabe hinausweisenden Sinn und Zweck ausreichend deutlich gemacht? Zum Beispiel: Menschen helfen, Neuland beschreiten, das Leben besser machen, die Umwelt retten, einen Kollegen rauspauken …
- Mastery: Wenn gemacht wird, was gemacht werden muss – hilft das mir oder meinem Delegationsnehmer, schrittweise immer besser und besser zu werden, bis wir zu Meistern unseres Fachs aufsteigen?
- Autonomie: Wer die Aufgabe übernimmt – kann er oder sie ausreichend Elemente der Aufgabe in Konzeption und Ausführung selbst bestimmen?
Wie gesagt: im Prinzip ganz einfach. Es liegt nicht so sehr an der fehlenden Komplexität dieser Motivationsstrategie, dass viele immer noch unter demotivierenden Führungskräften leiden. Es liegt an den üblichen Biases, Denkverzerrungen: Wer – ganz gleich in welcher Position – Angst vor Kontrollverlust hat, motiviert nicht, sondern kontrolliert. Wer süchtig nach Aufmerksamkeit ist, motiviert nicht, sondern postet Videos auf Instagram. Wer mit einer Aufgabe den eigenen Status steigern möchte, profiliert sich und motiviert nicht andere. Nicht weil er oder sie es nicht kann, sondern weil er oder sie es nicht möchte. Und dazu kann auch kein Vorstand keinen Manager zwingen.
Der Vorstand ganz sicher nicht, aber vielleicht die Menschheit. Denn angesichts existenzgefährdender Bedrohungen wie Klimakatastrophe, Artensterben, Umweltverschmutzung, Digitalisierung, Pandemien und Terrorismus reichen Dienst nach Vorschrift und „Weiter so!“ nicht mehr zum Überleben aus. Das alles schaffen wir nur, wenn wir bis in die Haarspitzen motiviert sind. Alle. Jetzt.