Dreckige Luft

Wir alle reisen gerne, auch in die Ferne, auch mit dem Flugzeug, mit schlechtem Gewissen. Denn wie uns die Medien versichern, verdrecken Flugzeuge die Luft und vergiften das Klima. Nur zwei Zahlen dazu:

  • 2019 flogen 227.000 Deutsche im In- und ins Ausland.
  • Der Luftverkehr macht weltweit circa 3 Prozent der CO2-Emissionen aus.

Da stutzt man doch: Nur 3 Prozent? So schlimm ist das Fliegen wohl doch nicht. Der Straßenverkehr ist viel dreckiger. Er macht 21,3 Prozent der deutschen CO2-Emissionen aus. Das bisschen Fliegen ist im Vergleich dazu fast schon marginal. Könnte man meinen und läge damit falsch.

Denn angesichts der galoppierenden Klima-Katastrophe zählt jedes Prozent weniger Dreck in der Luft. Nachhaltig müssen wir alle werden, auch der Flugverkehr. Deshalb hat die EU-Kommission das Klima-Paket „Fit for 55“ verabschiedet. Damit sollen die Treibhausgas-Emissionen im Flugverkehr bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Das irritiert.

Denn wie soll das gehen? Wie auf der Straße mit E-Antrieb? Das ist technisch unmöglich. Würde man einen Jumbo Jet auf E-Antrieb umstellen, wären seine Batterien so schwer, dass er niemals abheben würde. Trotzdem wird zum Beispiel DHL bis 2030 rund 7 Milliarden Euro investieren, um das erste elektrische Luftfrachtnetz aufzubauen. Die wollen tatsächlich E-Flugzeuge in die Luft schicken!

Keine Utopie. Bereits 12 Exemplare des Typs Alice wurden beim Hersteller Eviation (kein Vertipper, sondern quasi die Kurzform von E-Aviation) bestellt; Auslieferung 2024. Alice ist ursprünglich das erste voll-elektrische Flugzeug für Pendler, kann aber auch für Fracht umgenutzt werden und stammt aus? Israel. Innovativ sind mal wieder andere. Auf jede Flugstunde von Alice kommt eine halbe Stunde Ladezeit bei einer Reichweite von 815 km – das reicht völlig für die innerdeutsche Fracht. Zum Vergleich: Eine Boing 777 fliegt 9.200 km weit – ein unsinniger Vergleich.

In der Krisenära des kaputten Klimas vergleicht man keine Reichweiten, sondern Klimagift. Und ganz gleich, wie wenig ein Kerosin-Bomber auch rauspustet, das E-Flugzeug pustet im Flug deutlich weniger raus; nämlich nichts. Und schont damit Luft, Klima und uns alle.

Auch andere Logistikdienstleister werden elektrisch. UPS hat 150 elektrische Senkrechtstarter bei Beta Technologies bestellt – die ähnlich futuristisch aussehen wie die elektrische Alice (googeln lohnt). Damit wird die Luftfracht nicht nur sauber. Sie könnte überraschenderweise auch einen Player zurück ins Spiel bringen, der derzeit etwas im Abseits steht.

Die Rede ist von den berüchtigten Regionalflughäfen, die einst mit viel Steuer- und EU-Geld in die Pampa betoniert wurden und seither oft weitgehend ungenutzt brachliegen. Sobald die Luftfracht elektrisch wird, fliegt sie nicht mehr in einem Rutsch von Lissabon nach München, sondern hüpft von Regional- zu Regionalflughafen. Das ist vielleicht umständlich. Aber es ist garantiert klimafreundlich. Und noch ein Aspekt fällt auf.

Das E-Frachtflugzeug steht – im Gegensatz zum LKW – nicht ständig im Stau. „Güter gehören auf die Schiene“ haben wir bis heute gnadenlos versemmelt. Doch vielleicht schaffen wir dereinst „Güter gehören in die Luft!“ Mit der Betonung auf „dereinst“. Denn einstweilen geht noch nichts.

Den elektrischen Flugzeugen geht es aktuell wie den E-Autos: Fahren ist schön und gut – doch wo laden? Bevor die Fracht in die Luft geht, müssen Hunderte Flughäfen Tausende E-Zapfsäulen aufstellen, sie verkabeln, dafür erst Kabelkanäle graben, mehr Strom ins Netz einspeisen und dafür Millionen, wenn nicht Milliarden in die Hand nehmen. Wie das geschehen soll, ist bislang völlig offen. Es gibt so gut wie keine Pläne dafür. Was die Nachhaltigkeit der Luftfracht und damit die Rettung unseres Klimas und unserer Welt angeht, sind wir, wie in so vielen lebenswichtigen Fragen, wieder einmal typisch menschlich unterwegs.

Planlos.