Wie lange denn noch?, begann Cicero seine erste Catilinarische Rede und muss dabei an die Logistik gedacht haben. Wie lange wollen wir noch so tun, als ob wir ohne Innovation auskommen?
Aber wir innovieren doch! Tatsächlich? Im Branchen- und Funktionsvergleich werden wir eher innoviert; nach dem Motto: „Wenn es unvermeidlich ist, dann machen wir es eben auch.“ In allen anderen Funktionen, in Produktion und Fertigung, sogar in Marketing und Finanzen und in F&E sowieso wird pro-aktiv und vor allem mit der nötigen organisationalen Basis (sprich: Zuständigkeit, Kapazität und Budget) professionelles Innovationsmanagement betrieben. Und das schon lange. Nur im Supply Chain Management kommt der Mainstream anscheinend erst jetzt und vielerorts augenscheinlich eher halbherzig dazu.
Gewiss: Die „Auf zu neuen Ufern!“-Reden klingen feurig. Schaut man dann Monate nach der feurigen Rede im Unternehmen vorbei, erkennt man weder eine Organisation noch ein bescheidenes Logistikprojektteam, das sich schwerpunktmäßig um Innovationen kümmert. Alle tun so, als ob Innovation plötzlich die wichtigste Sache der Welt sei – „aber Geld nehmen wir dafür keines in die Hand und wir können dafür auch niemanden abstellen, schließlich kostet das ganz schön was und wer kann schon den Erfolg des Ganzen messen?“
Die Best in Class, zum Beispiel Amazon, DHL und einige andere – die machen das doch auch. Die kriegen das hin. Wie machen die das? Die haben eigene Abteilungen für Innovation. Ja, das ist schon überraschend: Die haben eine Unterabteilung, eine Arbeitsgruppe, ein Projektteam innerhalb der Logistik, das sich ausschließlich um Innovationen der Supply Chain kümmert. Diese Unternehmen wissen: Feurige Reden bringen keine Innovationen. Es gilt immer noch: What gets organized gets done. Wer Innovationen will, braucht die nötige Organisation dafür.
Die Avantgardisten des Innovationsmanagements haben auch kein Problem damit, den Erfolg ihrer Innovationsorganisation zu messen und nachzuweisen. Schließlich wurde das klassische Innovationsmanagement nicht umsonst erfunden. In diesen oft kleinen aber feinen Innovationsteams der Logistik wird dann pro-aktiv und methodisch kompetent (Stichwort Zukunftskompetenz) über zukunftsweisende Technologien nachgedacht wie die berüchtigten Paket-Drohnen, aber auch im Sinne der Industrie 4.0 und des Internets der Dinge über selbststeuernden Transport oder intelligente Lieferströme mit Hilfe von algorithmischem Forecasting von Kundenwünschen. Die Best in Class haben das alles und noch viel mehr auf ihrem Innovationsradar – und wissen überhaupt erst mal, was ein Innovationsradar ist, wie und aus welchen Quellen man es up to date hält und welche Kompetenzen ein guter Radar Operator besitzen oder erwerben sollte.
Sie haben kein Problem damit, sie haben keine Angst, dass das Innovationsmanagement der Logistik Geld kosten und sich nicht lohnen könnte oder dass irgendein Hierarch an Status einbüßen könnte, wenn aus der Mitte der Logistik plötzlich eine neue, innovationsträchtige, zukunftsweisende und möglicherweise bald sehr mächtige Mini-Abteilung entsprießt. Mächtig auf jeden Fall, denn: Jeder Neander, der damals im Tal die Erfindung des Rades belächelte, stand ganz schnell im Abseits. Damals wie heute sind Innovationen ein Synonym für Zukunft. Wer die Innovation hat, hat die Zukunft, hat die Macht. Das wissen Sie? Aber die Instanzen über oder neben Ihnen nicht?
Das beklagen viele Entscheidungsträger in Supply Chain Management und Logistik. Das liegt immer noch und immer wieder an der oft beklagenswerten Stellung der Logistik innerhalb des Fächers der Funktionen. Wenn Supply Chain Management nicht als Wettbewerbsvorteil, sondern als lästige Abwicklung von Warenströmen betrachtet wird, dann versucht man natürlich, den störenden Fortsatz maximal schlank und so weit wie möglich investitions- und innovationsfrei zu halten. Das ist eine strategische Entscheidung und wenn man das so sehen mag, kann man das so sehen. Die Frage ist: Darf man das?
Darf man im Zeitalter der Globalisierung, der Digitalisierung, des E-Commerce, der zunehmenden Losgröße 1 und der zerfasernden Kundenwünsche den Wettbewerbsvorteil einer Supply Chain ignorieren? Will man dieses Risiko eingehen? Und das Risiko ist beträchtlich: Wer zu spät kommt, den bestraft der First Mover Advantage. Sprich: Wer zu spät innoviert, verliert die substanzielle Innovatorenrendite. Die möchte doch jeder?
Möchten reicht nicht. Man braucht auch die Organisation und das Know-how dazu. Ein professionelles Innovationsmanagement der Logistik kann man nicht per ordre de mufti etablieren und vor allem nicht über Nacht. Die Best in Class haben ihre Innovationskompetenz über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gezielt und schrittweise entwickelt. Die machen das nicht erst seit gestern. Weil sie wissen: Nicht das beste Produkt gewinnt den Wettbewerb um die Zukunft, sondern die beste Supply Chain. In Zeiten der Globalisierung und der Dynaxität heißt das schlicht: Die innovative Supply Chain ist die bessere Supply Chain.