Als er damals ausgerechnet Biologie studierte, prophezeiten ihm spöttische Freunde, dass er mit diesem „Karrieregiftstudium“ höchstens einen Job als Tierpfleger oder Museumswärter finden würde. Jetzt hat Bill Gates’ Stiftung eben mal 46 Millionen Euro in Ingmar Hoerrs Firma „Curevac“ gesteckt, weil er mit seiner Bio-Forschung auf bestem Wege ist, Impfstoffe gegen Bedrohungen wie Rotavirus oder Krebs zu entwickeln. Hoerr hatte damals schon die „verrückte Idee“, auf Biotechnologie zu setzen als alle noch darauf warteten, dass Pharmazie und Chemie endlich das Heilmittel gegen Krebs finden würden. Wir brauchen mehr davon.
Wir brauchen mehr Menschen wie Ingmar Hoerr, die mutig genug sind, Ideale und Träume auch und gerade dann unbeirrbar zu verfolgen, wenn sämtliche hippen KollegInnen, besorgten Eltern und wohlmeinenden Verwandten sorgenvoll davon abraten. Aber haben wir sie auch verdient?
Wie viele Vorschläge haben Sie und ich heute wieder zwar unbewusst aber umso wirksamer vom Tisch gewischt, weil „dafür jetzt der falsche Zeitpunkt“ ist, das „doch zu nichts führt“ oder wir „andere Prioritäten“ haben? Schlimmer noch: Wie viele solcher potenziell genialen, lebens- und weltrettenden Ideen und Träume haben wir uns selbst heute verboten? Eine Handvoll? Ein Dutzend?
Hoerrs Out-of-the-Box-Beispiel ist doch deshalb so außergewöhnlich, weil wir für gewöhnlich der Konformität den Vorzug vor der Kreativität geben und dem Diktat des vermeintlich Dringenden regelmäßig das Wichtige, im eigentlichen Wortsinne Außergewöhnliche opfern. Wir sind ja so gewöhnlich geworden! Schluss damit. Und weil ich als Migrationsstrategie Cold Turkey bevorzuge, hier meine zehn Gebote zur Verfolgung kühner Träume und unmöglicher Ideen:
Nur für den heutigen Tag …
- … werde ich keine Idee, egal ob von mir oder von anderen, spontan und mit den üblichen Gründen („Keine Zeit!“, „Passt nicht ins Programm!“) abwerten.
- … werde ich jedem/r mit einer „verrückten“ Idee auf die Schulter klopfen.
- … werde ich Abwertungen anderer Gutmeinender kategorisch aber freundlich lächelnd ignorieren.
- … werde ich jeden, der eine Idee schlechtmacht, darauf hinweisen, dass er Verbalmobbing betreibt.
- … werde ich lange verdrängte Träume aus dem Gedächtnis meines, wie C.G. Jung sagen würde, Schattens hervorholen und schriftlich festhalten.
- … werde ich einer „verrückten“ Idee eine Chance geben und sie beharrlich und unbeirrbar zumindest einen Schritt weiterdenken oder weiterbringen auch und gerade dann, wenn meine inneren oder äußeren Kritiker felsenfest behaupten, dass daraus „sowieso nie was werden wird“.
- … werde ich mir für die Verfolgung meiner spinnerten Ideen ein festes Zeitbudget von X Minuten reservieren.
- … werde ich mit anderen ihre verrückten Ideen feiern.
- … werde ich womöglich die Produkte lateralen Denkens nicht immer gutheißen können und möchten – aber den Prozess des Querdenkens immer.
- … werde ich mich hüten, weder im „normalen“ noch im „verrückten“ Denken mich zu verzetteln, sondern vielmehr eine gesunde Balance finden. Bevor ich in Gewöhnlichkeit ersticke oder mich mit verrückten Ideen ins Abseits schieße.