Kennen Sie Malcolm McLean? Jeder in der Logistik kennt Malcolm McLean, den Erfinder des Containers.
Am 26. April 1956 schwamm das erste Containerschiff der Geschichte von Newark nach Houston – im bildlichen Sinne gegen den Strom. Denn McLean war kein geborener Logistiker. Er war Tankwart. Doch weil er das nicht bleiben wollte (nichts gegen Tankwarte) sparte er so lange, bis er sich einen gebrauchten LKW leisten konnte und wurde Spediteur. Selbst als er etliche Fahrer eingestellt hatte, fuhr er noch selbst – und ärgerte sich.
Über die langen Standzeiten an Rampe oder Kai, weil jedes Stück der Ladung einzeln vom Laster ins Lager oder aufs Schiff gebuckelt und verladen werden musste. Er fragte sich: Warum kann man eigentlich nicht den ganzen Auflieger komplett aufs Schiff hieven? Die Idee war geboren. Aber: Keinen interessierte sie.
Keiner klatschte Beifall, keiner sprach von der Erfindung des multimodalen Transports im eigentlichen Sinne, keiner wollte die Entwicklung der Idee finanzieren – was in drei Zeilen die von Lehrbüchern konsequent unterschlagene Definition von „Innovation as usual“ ergibt. Erst mal klatscht keiner. Erst mal lachen sie alle. Als der erste Neander mit dem Feuer ankam, liefen seine Stammesgenossen bestimmt erst schreiend davon, bevor sie die Genialität der Idee erkannten und die Bratwürste auf den Spieß steckten. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
Auch heute noch lassen die meisten von uns wegen dieser kollektiven, kollegialen, vorgesetzten oder auch nur (fälschlich) antizipierten Ablehnung gute Ideen beim ersten Anzeichen ernst zu nehmenden Widerstands prophylaktisch sausen. Wir beklagen lieber die Rückständigkeit unserer Zeitgenossen oder die Innovationsfeindlichkeit der Firmenkultur und traben mosernd hinter der Herde her. Nicht McLean. Er verkaufte sämtliche seiner inzwischen fast 1.800 Fahrzeuge, legte sich mit den erlösten 25 Millionen US-Dollar eine kleine Reederei zu, kaufte zwei gebrauchte Tanker von der US-Marine und baute sie für den Container-Betrieb um. Der Rest ist Geschichte. Warum?
Warum hat nicht auch McLean aufgegeben? Weil er ein besonders kantiger Charakter war – das ist die Trait-Erklärung: Zum Innovateur und First Mover wird man geboren. Innovationskraft ist ein angeborener Charakterzug (Trait). Diese Erklärung ist überholt. Heute bevorzugt man State-Erklärungen: Durchsetzungsvermögen ist eine Fähigkeit oder moderner: ein Zustand (state of mind), in den und aus den heraus man/frau sich selber bringen kann. Wie? McLean machte es vor.
Zunächst einmal war er nicht nur schwer motiviert von seiner Idee – das sind wir alle von guten Ideen. Leider gilt: Motivation ist trivial, ist nice to have. McLean hatte nicht nur die nötige Motivation, sondern darüber hinaus die hinreichende Volition: den Willen, es auch durchzuziehen. Deshalb leistete er das nötige Commitment: Er verkaufte seine Flotte. He put his money where his mouth was. Und schließlich brachte er die nötige Ambiguitätstoleranz auf. Wenn alle sagten: „Brauchen wir nicht. Haben wir noch nie so gemacht. Funktioniert nicht!“, sagte er: „Ich weiß, dass es funktioniert. Ihr werdet schon sehen!“ Diese asymmetrische Toleranz gegenüber der Mehrheitsmeinung immunisierte ihn gegen die chronische Versuchung des Herdentriebs und gab ihm die nötige Beharrlichkeit, auch dann unbeirrt weiterzumachen als zum Beispiel der zweite jemals in Deutschland angelandete See-Container aus dem Haltegeschirr rutschte und am 6. Mai 1966 im Bremer Überseehafen gleich mal in das Führerhaus der nagelneuen Zugmaschine krachte. Und alle sagten: „Wussten wir! Haben wir doch gleich gesagt!“ Trotzdem blieb McLean dran.
Wenn alle schon von vorne herein „Hurra!“ brüllen, ist es kein Erfolg, sondern ein Kinderspiel. Erfolg sollte man es erst nennen, wenn man dranbleibt, auch wenn alle abwinken, auch wenn man schwer danebenhaut, auch wenn keiner an dich glaubt. Erfolg ist, wenn man’s trotzdem macht. McLean wusste das. Wir auch?