Vor kurzem fand hier der „Lauf gegen Krebs“ des Universitätsklinikums Erlangen statt. Unser ganzes Lehrstuhl-Team hat die Laufschuhe geschnürt und bei nasskaltem Wetter kumuliert 100 Runden absolviert. Insgesamt 1.500 Läufer liefen zusammen fast 12.000 km und erliefen dabei eine Spendensumme von über 13.000 Euro für die Krebsforschung der Uniklinik. Warum?
Wieso warum? Natürlich für die Krebsforschung, wozu denn sonst?
Wenn wir Eignern, Managern und Mitarbeitern in der Logistik diese Frage stellen, fallen interessante Antworten. Eine lautet: „Wir arbeiten nicht nur in dieser Stadt – wir sind auch ein Teil von ihr.“ Interessant.
Natürlich gibt es Unternehmen in allen Branchen, die hauptsächlich für PR-Zwecke wohltätig werden oder um eine Pflichtanforderung ihres CSR-Katalogs zu erfüllen. Geschenkt. Viel interessanter sind jene, die laufen, spenden oder sich anderweitig engagieren, weil sie sich explizit als „Teil eines größeren Ganzen“ verstehen. Das ist zunächst einmal wohltätig. Aber es ist auch ganz schön clever. Es ist clever, weil es systemisch ist. Systemik – eine der am Heftigsten vernachlässigten Schlüsseldisziplinen des 21. Jahrhunderts.
Kein Unternehmen ist eine Insel – aber viele verhalten sich so. Sie denken isolationistisch, nicht systemisch. Sie pflegen keinerlei über den normalen Geschäftsgang hinausgehenden Kontakt zur weltlichen und kirchlichen Gemeinde, in der sie angesiedelt sind, zur direkten Nachbarschaft, zu Vereinen, Medien, Institutionen und Behörden. Einmal davon abgesehen, dass solche Unternehmen regelmäßig „völlig überrascht“ reagieren, wenn ihnen aus diesen angrenzenden Systemen Brocken in den Weg gelegt werden: Sie berauben sich damit auch aller Lern-, Innovations-, Adaptions- und Optimierungsprozesse, die nur daraus entstehen, dass ein System mit vielen anderen Systemen interagiert (übrigens das Grundprinzip der Evolution).
Jedwede Interaktion eines Subsystems „Unternehmen“ mit seinen gesellschaftlichen, behördlichen oder wissenschaftlichen Nachbarsystemen – und sei es „nur“ mit einem Klinikum – holt es aus seiner selbstgewählten Isolation heraus in den Strom der Evolution. Wie mir ein Logistikunternehmer einmal verriet: „Es schadet nie, im selben Flight wie der Landrat beim Benefiz-Golfturnier zu spielen.“ Das mag etwas extrem klingen, doch viele Unternehmen tendieren unbewusst zum anderen Extrem.
Sie betreiben unreflektiert Systemverweigerung. Sie pflegen keinen Kontakt zu den Lokalredaktionen – bis einer ihrer Gefahrguttransporter havariert die Landstraße lahmlegt und die ungepflegten Redaktionen daraufhin Imageschaden anrichten. Sie interagieren nicht über die gewerblichen Dinge hinausgehend mit ihrer Kommunalverwaltung – und beschweren sich dann über „Behördenwillkür“. Sie beklagen sich über Fach- und Führungskräftemangel – und haben noch nicht bemerkt, dass sie in Steinwurfweite von einer FH oder Uni leben und arbeiten. Was für eine Verschwendung! Was sind Ihre angrenzenden oder übergeordneten Systeme? Pflegen Sie deren Schnittstellen? Regelmäßig? Die systemische Logistik ist die bessere Logistik. Denkt systemisch! Warum nicht beim nächsten Charity-Lauf?