Ikea schäumt!

Nicht vor Wut, sondern mit Pilzschaum. Statt Styropor. Jedes Jahr verpackt der schwedische Weltkonzern Millionen Möbel-Sendungen – in Styropor natürlich. Will heißen: unnatürlich.

Denn Styropor ist ein Kunststoff, der aus Rohöl hergestellt wird und buchstäblich tausende Jahre nicht verrottet. Selbst wenn der Holzwurm die Möbel lange schon verspeist hat – deren Verpackungsfüllsel leben munter weiter, weil kein Wurm sich daran den Magen verderben will. Dagegen ist Pilzschaum ein Leckerli.

Weil es ein organischer Stoff ist, nachwachsend und kompostierbar. Die Pilze werden gezüchtet und ernähren sich von Maisblättern und anderem „Abfall“ von Hülsenfrüchten. Die Pilze wachsen in die Form hinein, die sie einmal als Füllmaterial einnehmen sollen und werden bei Erreichen ihrer Reife kurz stark erhitzt, damit sie in Form bleiben – mit denselben Fülleigenschaften übrigens wie das Styropor, das sie künftig weltweit für Ikea und für uns ersetzen. Das ganze Verfahren hat das US-amerikanische Startup Ecovative entwickelt. Ikea zahlt dabei drauf.

Denn Pilze wachsen erstens langsamer als Styropor in der Herstellung braucht. Und zweitens sind die Pilze (zur Zeit noch) teurer als Styropor. Trotzdem setzt die Firma auf den Pilz, weil es ihr das wert ist. Das sieht man nicht nur an den Pilzen, sondern zum Beispiel auch am IWAY-Standard, dem Group Supplier Code of Conduct von Ikea. Damit hat die Firma festgelegt, welche Standards ihre Lieferanten auch bezüglich ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit einhalten müssen. So sieht Sustainable Supply Chain Management aus. Nur damit das mal gesagt ist. Das ist der springende Punkt.

Denn wenn irgendein Konzern irgendwo mehr in die Luft bläst als er auf dem Papier angibt, dann ist das sofort ein Riesenskandal mit Hunderten Schlagzeilen. Wenn dagegen ein Unternehmen etwas Sinnvolles macht und dabei sogar draufzahlt, dann fällt das wegen akuter Medienhysterieunverträglichkeit prompt untern Tisch. Das entspricht zwar dem mehrere hunderttausend Jahre alten Negativity Bias. Im Neandertal war es einfach wichtiger, auf die Bad News (Säbelzahntiger im Gebüsch) zu achten als auf die guten Nachrichten. Doch dass unsere Aufmerksamkeit nach so vielen tausend Jahren Evolution immer noch von diesem Gendefekt in Geiselhaft genommen wird – mal ehrlich: Wollen wir nicht endlich raus aus dem Neandertal?

Wir alle kennen die Binse „Tue Gutes und rede darüber!“ – aber wir tun es nicht. Eine Firma macht was Gutes für Moral und Umwelt – und wir verhängen die mediale Höchststrafe und ignorieren die Good News noch nicht mal, wie es im Bayrischen heißt. Manchmal kommt auch der Einwand: „Aber angesichts der eklatanten Umweltverschmutzung ist der Pilzschaum doch bloß ein Tropfen auf den heißen Stein!“ Was wieder nur zeigt, wie ungeübt wir im Tun des Guten sind.

Denkt man dieses „Quantität ist Qualität“-Argument konsequent durch, muss man folgerichtig auch sagen: „Ich rette keinen einzigen Sweat-Shop-Kindersklaven, weil ich nicht alle Kindersklaven retten kann.“ Das ist absurd. In der guten Sache gibt es keine kleinen Dinge und keine Economies of Scale. Alles, was gut ist, ist gut. Punkt. Das Gute ist ein Absolutum. Daher: Pilzschaum? Tolle Idee! Reden wir darüber! Wer kennt noch eine?

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