Kofferraum-Belieferung

Ein toller neuer Begriff, nicht wahr? Einer, der neugierig macht – und hoffnungsfroh.

Denn Online Shopping boomt zwar ohnegleichen. Doch was nützt mir eine 1h-Ruckzuck-Belieferung, wenn ich im Büro sitze, die Nachbarin mein Paket nicht annehmen kann/will und ich auf dem Weg von und zur nächstgelegenen Paketbox abends im Feierabendstau stecken bleibe?  Bislang lieferten Post und Paketdienst an die Haustür. Jetzt liefert DHL auch an den Kofferraum. Genauer: in den Kofferraum.

Das entsprechende Pilotprojekt testeten DHL und Audi im Raum München. Seit es praktisch keine (gebräuchlichen) mechanischen Türschlösser an Autos mehr gibt, öffnet ein Funksignal den Wagen. Also bekommt der Zusteller ein Einmal-Signal, das innerhalb eines definierten Zeitfensters ein einziges Mal den Kofferraum meines Wagens öffnet, der auf dem Uniparkplatz steht, während ich im Büro arbeite.

Schließt der Paketbote meinen Kofferraum wieder, blinkt mein Handy: „Paket zugestellt“. Wenn ich lustig bin, kann ich also in der Kaffeepause runter auf den Parkplatz und mit dem frisch Erworbenen vor den KollegInnen angeben. Dasselbe Prinzip funktioniert auch bei Retouren. Dass es, rein technisch, tatsächlich funktioniert, zeigte das Münchner Pilotprojekt. Deshalb wird das Ganze jetzt im Raum Stuttgart einer breiteren Öffentlichkeit angeboten; von DHL zusammen mit Smart. Der Ausdruck „rollende Paketbox“ bekommt dadurch neue Berechtigung …

Spaß beiseite: Warum wird bislang lediglich der Smart-Fahrer via Kofferraum beliefert? Vermutlich haben die Marketing-Strategen festgestellt, dass der/die im Schnitt hippe, junge und virtuelle Smart-FahrerIn deutlich mehr online einkaufen als die Fahrer anderer Hersteller. Das freut Smart-Fahrer. Sie bekommen ihre Bestellungen mit noch mehr Convenience. Das gefällt nicht nur den Fahrenden.

Davon profitiert auch der Paketdienst, weil er sich damit die berüchtigten Mehrfachzustellungen spart. Wenn ich nämlich nicht daheim bin, die Nachbarin auch nicht und auch keine Paketbox verfügbar ist, muss der Paketbote zwei-, dreimal vor meiner Haustür vorfahren. Das kostet. Und schädigt die Umwelt. Ganz zu schweigen von den Nerven des Paketboten, der ohnehin mehr Zeitdruck hat als jeder Uni-Professor.

Schnell liefern ist heutzutage keine Wissenschaft mehr. In Berlin kriege ich mein Päckchen bereits binnen nur einer Stunde. Schnell geht schon, convenient noch nicht immer. Convenience (Bequemlichkeit für den Endkunden) ist heute, was die Lead Time bislang war: von überragender Bedeutung. Und ein schönes Beispiel dafür, wie neue, innovative Logistik-Services neues Marktpotenzial eröffnen: Je bequemer ich bestellen und meine Sendung in Empfang nehmen kann, desto häufiger und mehr bestelle ich als typische Kundin. Noch kostengünstiger wird das Ganze, wenn nicht der Paketbote ausliefert, sondern?

Richtig geraten: die Paket-Drohne! Im Ernst: Auch das ist bereits angedacht. Technisch kein Problem: Statt des Boten gibt nun die Drohne das codierte Einmal-Signal – und der eingebaute automatische Öffner- und Schließmechanismus des Autos öffnet und schließt meine Heckklappe. In der nahen Zukunft. Wenn ich möchte. Genau das ist die Frage.

Im Münchner Pilotprojekt wurde nämlich „nur“ die Technik getestet. Was noch getestet werden muss, ist die ausschlaggebende Akzeptanz in der Bevölkerung: Wer will das überhaupt? Das heißt: Ist es okay, wenn fremde Leute in meinen Kofferraum reinschauen? Oder weckt das eher Unbehagen? Das ist die große Crux jeder Innovation: München hat gezeigt, dass es technisch funktioniert. Jetzt muss Stuttgart zeigen, ob der Service genug Akzeptanz erhält, um ihn rentabel anzubieten. Dass ein innovativer Service technisch machbar ist, heißt noch lange nicht, dass wir ihn auch wollen.

Wollen wir?

Wenn ja, warum? Und wenn nicht, warum nicht?