Können Sie sich vorstellen, dass Ihnen bald kein Arzt mehr sagt, wie Sie wieder gesund werden? Sondern ein Computer? Und das sehr viel bequemer und genauer als ein Arzt! Was passiert dann mit den ganzen Ärzten? Das ist noch nicht die Frage. Für Ärzte. Für Unternehmensberater dagegen schon: Der Berater wird digitalisiert!
Damit ist nicht gemeint, dass er mit Smartphone und Notebook unterwegs ist – das ist er ohnehin. Damit ist gemeint, dass die Beratung selbst immer stärker digitalisiert wird. Das ist neu. Die Entwicklung dahin durchläuft derzeit vier Stufen.
Stufe 1: Die computerunterstützte Beratung. Der Berater hat Excel, Powerpoint und andere Tools dabei, die seine Beratung digital unterstützen. Das kennen wir alle.
Stufe 2: Die computergestützte Beratung. Der Berater hat zusätzlich noch Software-Tools dabei, die branchenspezifisch sind, vielleicht auch vom Beratungsunternehmen selbst entwickelt wurden.
Stufe 3: Die computergesteuerte Beratung. Der Berater sitzt zwar noch beim Kunden – doch der Computer steuert seine Beratung. Der Blechkollege sagt ihm zum Beispiel: „Bitte jetzt Prozessplanungstool Z einsetzen!“ Der Berater berät weiter, doch seine Arbeit wird vom Digital Big Brother geplant, überwacht und gesteuert.
In der 4. Stufe übernimmt die Maschine dann komplett die dann computererbrachte Beratung: Beratung auf Knopfdruck – „Consulting 4.0“ (in Analogie zu Industrie 4.0 so genannt, obwohl es streng genommen zuvor kein Consulting 2.0 oder 3.0 gab).
Ein Unternehmen möchte zum Beispiel mehr Umsatz, klickt die Beratungssoftware an und lässt sich durchs Programm führen, bis dieses die gewünschten erfolgversprechenden Verkaufsmaßnahmen ausspuckt – und zwar unternehmensspezifisch. Kein Berater mehr nötig! Nicht mehr der Berater berät, sondern der Computer. Taugt das was?
Das taugt so gut, dass Finanzfirmen und Marktforschungsinstitute inzwischen nicht nur die täglich anfallenden Datenberge vom Computer analysieren lassen. Nein, der Computer schreibt auch gleich noch die Berichte. Auch im Journalismus kursieren bereits computergenerierte Artikel, die man nur mit Mühe und Insiderwissen als „nicht von Menschenhand“ geschrieben erkennen kann. Und erst Big Data! Sie glauben doch wohl nicht, dass sich Menschen durch die Datenberge graben. Häufig schon noch, aber immer weniger.
Diese Knochenarbeit müssen immer weniger die armen Junior Consultants, Praktikanten und Assistenten auf sich nehmen. Das erledigen mehr und mehr die Computer. Das macht Menschen nicht zwangsläufig arbeitslos: Strategieberatung zum Beispiel wird immer so hoch individuell sein, dass man dafür auf absehbare Zeit einen menschlichen Berater benötigen wird. Doch hochqualifizierte Beratung, die sich bei Tagessätzen von 5.000 Euro und mehr früher wirklich nur reiche (oder existenzbedrohte) Firmen leisten konnten – das wird jetzt praktisch Massengut: Beratung für alle! Per Mausklick.
Was früher nur eine Know-how-Elite wusste, können dann alle erfahren. Consulting 4.0 sei Dank! Auch „Productized Consulting“ genannt, weil die Dienstleistung wie ein Produkt behandelt wird: Sie kann standardisiert und modularisiert werden. Das ist eine Riesenchance für die Demokratisierung des Wissens. Für uns ganz normale Menschen. Viele Beratungsfirmen jedoch bringt es in ein Dilemma, ins sogenannte Innovator‘s Dilemma.
Viele Beratungen investieren immer noch intensiv in die Akquise von teurem Spezialwissen und sehen nicht: Das Gros der Beratungsfälle dreht sich praktisch seit Jahrzehnten um immer dieselben Fragen: Bestands- und Kostensenkung, Prozessoptimierung, Strukturänderungen … Also Bread&Butter-Aufträge, die immer häufiger auch eine Maschine erledigen kann. Wenn man eine dafür hat. Wenn man nicht alles in die Innovation von High-End-Wissen gesteckt hat und einem nun der digitale Berater die „ganz normalen“ Aufträge abjagt. Das ist das Dilemma: Man kann auch am Markt vorbei innovieren, respektive von einer Innovation aus einer unerwarteten Ecke ins Abseits gestellt werden.
Während also noch viele Beratungen nicht wissen, dass sie insgeheim übers Überleben kämpfen müssten, fragen wir ganz normalen Menschen: Wann gibt es das für uns? Wenn ich bei Google „SUV“ eingebe, bekomme ich 413 Millionen Hits. Wenn ich dagegen eintippe: Was ist der beste SUV für mich, mit 4 Kindern, sportlicher Neigung, Höchstpreis 24.000? Dann kriege ich 50 Ergebnisse – das erste eine Hersteller-Werbung und das zweite ein SPIEGEL-Artikel über SUVs: Google gibt mir Informationen, aber keine Lösungen. Wann kommt die Lebens-, Karriere- und Berufsberatung 4.0 für uns?
Andererseits: Wenn sie wirklich mal eines Tages kommt – woran kein Zweifel besteht – dann hängen wir womöglich nur noch überm Smartphone und reden gar nicht mehr miteinander…