Die Welt auf Knopfdruck!

Haben Sie gehört? Oder sogar schon ausprobiert? Der Dash Button ist da! Eine der erstaunlichsten Innovationen der letzten Jahre. Für uns Verbraucher – und für uns Supply Chain Manager.

Lange hat man vom Konsum „auf Knopfdruck“ gesprochen, jetzt wird die Metapher (oder ist es eine Metonymie? Wer klärt uns auf?) wahr. Derzeit können wir 32 Knöpfe kaufen, mit denen wir einkaufen können. Zum Beispiel, indem wir einen Knopf mit dem Namen des Spülmittelherstellers vorne am Bedienfeld der Spülmaschine aufkleben. Vielleicht heißt der Knopf deshalb so: Weil man ihn am Bedienfeld (dashboard) eines Geräts anbringt.

Oder weil der Bestellvorgang damit rasend schnell erledigt ist (to dash – auch: flitzen, rasen). Man muss nicht erst „lange“ mit Klugphon oder Tablet ins Netz, die Homepage aufschlagen, das Produkt auswählen und danach bestellen – also locker ein halbes Dutzend Mal klicken und se-kun-den-lang warten. Nein: Push the button! Ein einziges Mal! Eine einzige Sekunde! Und schon läuft die Bestellung. Weil der Knopf via WLAN der Einkaufs-App auf dem Smartphone den Befehl gibt: „Bestell das!“

Wenn ich bei der nächsten Ladung schmutzigen Geschirrs also feststelle: Hoppla, nur noch zwei Tabs mit Spülmittel da! Drücke ich jetzt auf den Dash Button und einen Tag später ist die neue Packung Tabs da. Das ist unschlagbar. Was die Convenience angeht. Bequemer geht’s wirklich nicht – höchstens noch mit Brain-Machine-Interface (kein Witz, aber noch im Experimentalstadium).

In Amerika gibt es den Button schon länger und deshalb gibt es dort auch inzwischen 150 Buttons – damit dürften so ziemlich alle Produkte des wöchentlichen Bedarfs abgedeckt sein. Anstatt einzukaufen, drücken wir einfach auf den jeweiligen Knopf, wenn wir etwas brauchen. Natürlich finden das einige unerhört.

Die gewieften Einkäufer bei „CHIP“ zum Beispiel stellen fest: Wer den Knopf nicht drückt, sondern im Internet sucht, findet oft preisgünstigere Angebote. Wenn mir die Zeitersparnis jedoch den Aufpreis wert ist? Juristen meinen auch, dass überhaupt kein Kaufvertrag zustande kommt, da ich im Moment des Knopfdrückens den aktuellen (und häufig sich ändernden) Preis des Angebots nicht kenne und damit keine übereinstimmenden Willenserklärungen vorliegen, ganz zu schweigen vom Hinweis auf das Widerrufsrecht – aber wo kein Kläger, da keine Klage.

Der Knopf ist auch kein normaler, sondern natürlich ein smarter. Wenn mehrere Familienmitglieder unabhängig voneinander feststellen, dass nur noch zwei Tabs da sind und ohne Kenntnis der anderen Bestellvorgänge auf den Knopf drücken, meldet dieser sich per Push-Nachricht ans Handy, mit sinngemäß: „Echt jetzt? Überleg dir das nochmal!“ Weil der Einkauf pro Knopfdruck so superbequem ist oder mega-convenient, wie man heute sagt, vermute ich mal, dass wie bei Einführung der 24h-Lieferung die Nachfrage reagiert wie ein Sportler nach einer Adrenalin-Injektion: Geht durch die Decke.

Denn seltsamerweise kaufen wir nicht nur mehr, wenn wir mehr brauchen, sondern auch wenn es schneller geht. Oder eben bequemer. Oder wenn es in ist. Oder neu. Oder wenn es einen Distinktionsgewinn verschafft. Oder wenn der Knopf uns so verlockend anguckt. Die Logistik freut das natürlich: Mehr Geschäft!

Im denkbar nächsten Schritt müssen wir die Buttons zum Einkaufen dann noch nicht einmal mehr einkaufen. Weil zum Beispiel die Espressomaschine gleich mit dem/den entsprechenden Button(s) für Pads, Pulver und Milch geliefert wird. Standardausstattung. Ganz nebenbei werden wir noch gläserner und noch verführbarer. Denn mit jedem Knopfdruck weiß der allmächtige Algorithmus noch besser, wie viel wir wovon wann wozu kaufen – und kann an meine antizipierte nächste Kaffeebohnen-Bestellung gleich Angebote für Teegebäck, Kaffeegeschirr und Coffee Table Books anhängen, die wieder so verführerisch sind, dass ich einem absolut berechenbaren Prozentsatz davon nicht widerstehen kann. Irgendwann konsumieren wir nur noch.

Weil es so wahnsinnig bequem wurde, dass wir alles andere, was marginal weniger bequem war, aufgegeben haben: Fitness, Maßhalten, Beziehungen, Jobs, Spiritualität, das Streben nach Glück und persönlicher Reife. Wir werden zu Konsum-Junkies, endlos unterwegs auf den Wellen des Internets beim Convenience Cruising. Als ich diese Dystopie einem Konsumpsychologen gegenüber erwähnte, meinte der völlig humorlos: „Sind wir das nicht längst?“

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