Wie man ein Auto teilt, wissen wir: Carsharing. Geht das auch mit einem Flugzeug? Aber natürlich: Jeder Pilot muss für die Verlängerung seiner Fluglizenz eine bestimmte Anzahl von Flugstunden absolvieren. Um auf die nötigen Stunden zu kommen, fliegen Piloten auch schon mal einfach so mit dem Sportflugzeug durch die Lüfte. Seit 2014 erlaubt die EU dabei ausdrücklich das Mitnehmen von Passagieren – et voilà: Man teilt sich den Flug. Wann und wo wieder ein Pilot abhebt, verraten einem die Sharing-Plattformen, die freie Flüge auflisten und vermitteln. Wieder hat die Shareconomy etwas der Teilhabe für alle erschlossen, was bislang nur wenige nutzen konnten.
Und mit jedem Monat kommen mehr Güter und Dienstleistungen dazu. Irgendwann teilen wir alles! Es geht dabei im Prinzip nur um eines: Irgendwo gibt es eine Kapazität, die man besser, effizienter nutzen kann. Was brauchen wir dafür? Die nötige Information über die Kapazität. Und eine Plattform für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage. Plus Informationen über die Kundenbedürfnisse: Wer möchte wann was nutzen? Und wie schafft man die ultimative Transparenz?
Richtig geraten: mit dem Internet der Dinge (IoT). Wenn alle oder ganz viele Autos, Flugzeuge, Smart Homes und Schlagbohrmaschinen vernetzt sind (nichts anderes meint das Internet of Things), bekommen wir den völligen Überblick über sämtliche Kapazitäten aller vernetzten Dinge – und können teilen, was das Zeug hält. Zum Beispiel, ganz konkret: Welche der 120 in meinem Ortsteil erfassten Schlagbohrmaschinen sind gerade dann frei, wenn ich einen Bilderhaken dübeln möchte?
Noch weiter geht die Shareconomy, wenn sie Zugriff nimmt auf die private Infrastruktur: Werden auch Garagen, Speicher, Kellerräume oder private PKW-Fahrten mit freier Lager- und Transportkapazität erfasst, können große Teile der Logistik sozusagen crowdgesourct werden. Ich fahre sowieso gerade mit dem Auto zu einer Tagung nach Düsseldorf und habe noch den halben Kofferraum Platz – da kann ich auch gleich ein Päckchen des netten Nachbarn an seine Verwandten in Düsseldorf mitnehmen. Plattformen wie sharedload, checkrobin oder raumobil bieten solche „Mitfahrgelegenheiten für Dinge“ bereits an. Was ist, wenn wir uns alle auf so einer Plattform anmelden?
Dann nimmt der gewerbliche Logistikverkehr ceteris paribus ab – und mit ihm die Umweltbelastung. Wenn ich tatsächlich sowieso zur Tagung nach Düsseldorf gefahren wäre. Betätige ich mich dagegen als privater Paketzusteller, mache ich dem ohnehin oft am Mindestlohnlimit ausfahrenden Paketboten Konkurrenz und belaste die Umwelt zusätzlich. Das wäre zwar blöd (für Boten und Umwelt), aber: Wer sollte es mir – siehe Uber – denn verbieten? Dann verstopft die Shareconomy die Innenstädte mit einer Lawine privater Paket-PKW. Das klingt leicht utopisch?
Wir vergessen dabei, wie langsam unsere politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse sind. Sie haben es schon erlaubt, dass im Zuge des beispiellosen Aufschwungs im Online-Handel etwas entstanden ist, das der Sozialwissenschaftler Philipp Staab vom Hamburger Institut für Sozialforschung „Digitalprekariat“ nennt und das „einhergeht mit der Rückkehr des Dienstbotentums“ wie die Süddeutsche (13.8.2016) schreibt. Das Poster Child dieses neuen Digitalfeudalismus ist der sprichwörtlich vom Trinkgeld lebende Pizzabote. Wollen wir das wirklich?
Das Problem ist, dass wir nicht gefragt werden. Wir machen zwar begeistert mit, aber wir gestalten nicht mehr mit. Und die politische Diskussion hinkt spätestens seit der Globalisierung der exponentiellen Entwicklung der neuen, digitalen Wirtschaft hoffnungslos hinterher. Natürlich bietet die Shareconomy ungeahnte Chancen der Effizienzsteigerung: Nie wieder Leerfahrten oder Leerflüge!
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) zum Beispiel sagt (auf SPIEGEL online), dass die meisten Kleinflugzeuge bei voller Besatzung umweltfreundlicher sind als die großen Airlines (aber immer noch bedenklicher als Autos). Also fliegen wir jetzt alle mit der Cessna oder der Piper! Dass wir damit eine Entlassungswelle nicht nur bei gut versorgten Linienpiloten, sondern auch beim weniger üppig entlohnten Bodenpersonal auslösen könnten – schert uns das? Aber ja.
Denn Shareconomy und Internet of Things bieten uns nicht nur die Chance, unsere in die Jahre gekommene Wirtschaft ganz neu zu erfinden. Sie gibt uns auch die Chance, sie diesmal fair und gerecht zu erfinden. Wäre eine schöne Abwechslung.